Justiz
Drogenlager in der Unterkunft

Ein Flüchtling versteckte in seiner Wohnung in Hainsacker über 50 Kilo Drogen. Jetzt wurde er verurteilt.

17.01.2019 | Stand 16.09.2023, 5:54 Uhr
Marion Boeselager

Der Angeklagte mit seiner Anwältin Narine Schulz und Dolmetscher Jamchit Hamza Foto: Boeselager

Ein 23-jähriger Friseur aus Syrien, der in seinem Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft in Hains-acker insgesamt mehr als 50 Kilo Marihuana und Haschisch versteckte und beim Verpacken der Drogen in handliche Päckchen zum Weiterverkauf mithalf, ist am Donnerstag vor dem Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Außerdem wird der rauschgiftabhängige Angeklagte in einer Entziehungsanstalt untergebracht.

Die Strafkammer unter Vorsitz von Richter Georg Kimmerl sprach den Flüchtling allerdings nicht, wie ursprünglich angeklagt, des Drogenhandelns in nicht geringer Menge, sondern nur der Beihilfe dazu und des Besitzes in neun Fällen schuldig: Der 23-Jährige habe „keine eigene Tatherrschaft“ gehabt, sondern sei „vollkommen abhängig von den Anweisungen des Chefs“ gewesen, der die Drogengeschäfte organisierte, sagte Kimmerl. Als Lohn für seine Dienste erhielt der Bunkerhalter Marihuana und Kokain zum Eigenkonsum, Geld und gelegentlich Lebensmittel.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Flüchtling zunächst vorgeworfen, von Februar 2017 bis Mai 2018 bei 15 Gelegenheiten in seinem Quartier jeweils mindestens fünf Kilo der weichen Drogen gebunkert zu haben. In einem Teilgeständnis räumte der Angeklagte „sieben bis zehn Fälle“ ein, bei denen ihm Drogen in einem Rucksack vorbeigebracht worden seien. Hier folgte das Gericht den Angaben des 23-Jährigen.

Weiter wurde dem Angeklagten zur Last gelegt, im Sommer 2017 beim Transport von 20 Kilo Marihuana aus Hannover nach Hainsacker im Auto dabei gewesen zu sein und den Stoff bei sich zwischengelagert zu haben. In ihrem Urteil ging die Kammer zwar davon aus, dass er die große Menge Rauschgift bei sich, hinter einem Brett vor der Heizung, versteckte. Ob er bei der Beschaffungsfahrt mit dabei war, war ihm aber nicht sicher nachzuweisen.

22 Kilo Marihuana aus Stuttgart

Das größte Drogenpaket – 22 Kilo Marihuana aus Stuttgart – brachten die Kuriere dem 23-Jährigen laut Anklage im Oktober 2017 zur Aufbewahrung vorbei. Hierzu hatte der Angeklagte vor Gericht über seine Anwältin erklärt, er sei von der Menge regelrecht geschockt gewesen. Er habe sofort den „Chef“ der Gruppierung angerufen und sich geweigert, so viel bei sich zu deponieren. Daraufhin sei der Stoff bei ihm wieder abgeholt worden.

Dies hielt das Gericht indes für eine Schutzbehauptung. Bereits verurteilte Mittäter hatten im Zeugenstand nichts von einer solchen Weigerung berichtet. Vielmehr habe der Angeklagte, wie auch in den anderen Fällen, bereitwillig beim Umverpacken der heißen Ware von einem sehr hohen Wirkstoffgehalt mitgeholfen.

Beim Transport eines Teils dieser Drogen nach Oberbayern waren die Kuriere in Kumpfmühl in eine Polizeikontrolle geraten. Nach einer Verfolgungsjagd gab der Fahrer in Pentling die Flucht auf. Auf mehreren Drogenpäckchen im Kofferraum des Autos fanden sich Fingerabdrücke des 23-jährigen Friseurs.

Die Staatsanwältin hatte in ihrem Plädoyer für den Angeklagten fünf Jahre Haft wegen Beihilfe zum unerlaubten Drogenhandel in 17 Fällen gefordert. Sie sprach sich mangels ausreichender Deutschkenntnisse des Flüchtlings gegen eine Unterbringung in Therapie aus.

Traumatische Fluchterlebnisse

Verteidigerin Narine Schulz beantragte zwei Jahre und neun Monate Haft und Unterbringung. Ihr Mandant habe trotz Drohungen seines Auftraggebers vor Gericht ausgesagt. Er leide infolge der Flucht, bei der er durch Schüsse am Bein verletzt wurde, an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Nach seiner Ankunft 2016 in Deutschland habe er von Dealern Drogen zunächst kostenlos erhalten. Dann sei er gezwungen gewesen, seine Schulden bei ihnen abzuarbeiten. „Es tut mir leid. Ich hab Sch... gebaut“, sagte der Angeklage in seinem letzten Wort.

Das Gericht sah die vorhandenen Deutschkenntnisse des Angeklagten als ausreichend für eine erfolgreiche Therapie in einer Entziehungsanstalt an. Kimmerl verwies in seiner Urteilsbegründung auf eine Entscheidung des ersten Strafsenats des Bundesgerichtshofes. Danach genügten „Grundkenntnisse“ der deutschen Sprache zur erfolgversprechenden Durchführung des Maßregelvollzugs. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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