MZ-Serie
„Ich hab’ mich hier sofort wohlgefühlt!“

Die ersten Mieter sind ins „Haus mit Zukunft“ in Burgweinting eingezogen. Es ist ein Anfang – und gleichzeitig das Ende eines besonderen Bauprojekts.

12.07.2014 | Stand 16.09.2023, 7:20 Uhr

Elisabeth Bergmann (l.) begrüßt Michael Kroll und Barbara Krause von der NaBau EG und Christl Bauer (r.) vor der Diakonie. Der Laubengang vor den Wohnungen ist nachbarschaftlicher Treffpunkt für die Bewohner der Anlage. Foto: Wiedamann

Cäcilia Gradl steht auf dem Laubengang vor ihrer Wohnungstüre und lächelt. „Ich bin heute erst eingezogen. Da drinnen stehen so viele Packerl, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.“ Sie schüttelt den Kopf, als könnte sie es noch gar nicht glauben: Sie ist angekommen. Sie gehört zu den ersten 13 Bewohnern, die seit 28. Juni im „Haus mit Zukunft“ im Burgweintinger Keltenring Quartier bezogen haben. „Ich bin jetzt 81 Jahre alt. Ich hatte ein Einfamilienhaus, aber das war viel zu groß, viel zu viele Fenster. 21 Jahre lang habe ich alles alleine gemacht, jetzt war es an der Zeit!“, sagt sie sehr bestimmt.

Sie hat sich bewusst für das „Haus mit Zukunft“ entschieden. Sie wollte eine kleine Wohnung, in einer Gegend, in der sie viel mit dem Rad fahren kann. Und sie wollte Gesellschaft, nicht mehr allein sein. „In der Straße, in der ich bisher gewohnt habe, können die meisten nicht mehr. Fast keiner kann einem anderen noch helfen. Da sind fast alle über 90.“ Nun freut sie sich auf die Kontakte, die in dem inklusiven Mehrgenerationenhaus möglich sind. „Ich habe 55 Jahre in meiner bisherigen Straße gewohnt. Aber ich bin gar nicht traurig weggegangen.“

Individuelle Wünsche umgesetzt

35 Wohneinheiten umfasst das aus drei Baukörpern und einem U-förmigen Innenhof bestehende „Haus mit Zukunft“. Alle Wohnungen sind bereits vergeben, sagt Michael Kroll, Vorstandsmitglied der NaBau eG, Genossenschaft für nachhaltiges Bauen und nachbarschaftliches Wohnen, die bereits das Mehrgenerationenwohnprojekt Allmeind in unmittelbarer Nachbarschaft erbaut hat. „13 Wohnungen sind schon bezogen“, sagt Kroll. Derzeit wird im und am Haus noch eifrig gebaut. Doch bald wird damit Schluss sein, denn übrigen Mieter folgen in den nächsten Wochen. „Die Arbeiten an den Außenanlagen können noch bis September dauern.“ Gearbeitet wird mit Hochdruck, denn am 26. September ist die offizielle Einweihung mit Politprominenz bis aus Berlin vorgesehen.

Das genossenschaftliche Bauen hat gewaltige Vorteile. Für die künftigen Bewohner und Genossenschaftler vor allem, dass sie bei der Planung und Ausgestaltung ihrer künftigen Wohnungen ein gehöriges Wort mitzureden hatten. Vieles wurde in den Genossenschaftsversammlungen gemeinsam für alle bestimmt, viele individuellen Lösungen nach den Wünschen der Bewohner wurden berücksichtigt. So hat fast jede Wohnung einen anderen Zuschnitt. „Von 30 bis etwa 100 Quadratmeter ist fast jede denkbare Größe dabei“, sagt Kroll. Schließlich sollten die Wohnungen für Familien, Einzelpersonen, Paare sowie Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen geeignet und attraktiv sein. Familien werden sich zu Beginn nicht unter den Mietern finden. „Es gibt sechs Paare und der Rest der Bewohner sind Einzelpersonen.“

Elisabeth Imm hat das Konzept überzeugt. „Mit hat es gefallen, dass man hier mehr Gemeinschaft hat. So ein Gemeinschaftsleben habe ich mir immer gewünscht,“ sagt die 34-Jährige, die bei City-Mail arbeitet. Sie zieht Ende August ein. Auch ein anderer Aspekt ist ihr wichtig. „Für mich ist es auch eine Absicherung für die Zukunft.“

Dass das „Haus mit Zukunft“ auch dann noch eine geeignete Bleibe sein wird, falls seine Bewohner durch Krankheit, Unfall oder Alter verstärkt auf Hilfen angewiesen sind, war für viele ein wichtiger Punkt. „Das ist für mich ein wichtiger Zukunftsaspekt, dass ich, auch wenn ich einen Pflegedienst benötigen würde, nicht aus der Wohnung raus muss“, sagt Nicole Giegold, die seit zehn Jahren auf den Rollstuhl angewiesen ist und sich besonders über ihr behindertengerechtes Bad freut. Da auch die Diakonie mit ihrer Individuellen Schwerstbehindertenbetreuung (ISB) in ein Büro in dem Komplex einzieht, gibt es sogar kompetenten Rat und Hilfe gleich vor Ort, erzählt die Leiterin der ISB-Einrichtung, Christl Bauer.

Bei Nicole Giegold in der Wohnung sieht es aus, als hätte sie nie anderswo gewohnt. Die Bilder hängen schon ordentlich an den Wänden, auf dem Klavier stehen Noten, in den Regalen sind schon Bücher und Geschirr eingeräumt. Die ganze Wohnung sieht fix und fertig aus. Dabei ist die Klinikseelsorgerin erst vor einer knappen Woche eingezogen.

Ein Haus fürs ganze Leben

Sie hatte von dem Projekt durch einen MZ-Artikel erfahren. Das ganze Konzept fand sie gut. Ein wenig schade findet sie nur, dass weniger junge Leute einziehen, als gedacht. „Ich weiß, dass ich Gemeinschaft brauche.“ Schließlich habe sie 30 Jahre in einer Großfamilie gewohnt. Dass das auch nervig sein könne und auch Schattenseiten habe, sei klar. Aber für sie ist es das Richtige: „Ich hab’ mich sofort wohlgefühlt. Ich bin hier schon richtig zu Hause!“, sagt Giegold.

Dass das Gebäude sehr hochwertig gebaut ist und durch ein alternatives Energiekonzept auch energiesparend, findet sie großartig. „Ich habe ein Drittel der Nebenkosten wie vorher. Es werden keine fossilen Brennstoffe verwandt. Alles läuft mit Wärmepumpe und Photovoltaik.“ Ein Viertel des Stroms wird auf dem eigenen Dach erzeugt, sagt Kroll. Tatsächlich belaufen sich die Kosten für Nebenkosten und Heizung auf 1,40 Euro pro Quadratmeter. Die Netto-Kaltmiete sei bei 8,90 Euro festgeschrieben und werde weder wegen des Mietpreisspiegels noch aufgrund der Marktlage angehoben. Sie orientierte sich an den Herstellungskosten. Außerdem werden Rücklagen für Instandsetzungen gebildet. Auch das bringe Sicherheit.

Elisabeth Bergmann ist auf der Lauer. Sie wartet auf ein Sofa, das geliefert werden soll. Gleichzeitig tauscht ein Sanitärfachmann gerade einen Wasserhahn in ihrem Bad aus. „Die Handwerker haben das Projekt mit gelebt,“ sagt NaBau-Vorstandsmitglied Barbara Krause, die vor Ort erste Ansprechpartnerin für alle Mieter ist. Dass das Haus so gelungen sei, sei auch den beteiligten Firmen zu danken. „Das war eine echte Herausforderung, aber wir haben’s geschafft!“

Stolz zeigt Elisabeth Bergmann ihre Wohnung her, die sie zusammen mit einer Freundin bewohnen wird. „Ich habs keine Minute bereut,“ sagt sie, und freut sich sichtlich über den Balkon auf der einen Seite der Wohnung und den Laubengang auf der anderen. Irgendwo ist immer Sonne. „Hier ist es kuschelig. Ich bin ganz glücklich.“