Wohnen
Mysteriöses Haus aus der Gründerzeit

Hinter der pompejanisch roten Fassade der Eckert-Villa ruhen Geheimnisse: Darunter ein Turmzimmer, das dort nicht hingehört.

19.05.2018 | Stand 16.09.2023, 6:13 Uhr
Helmut Wanner

Bewahrer eines Regensburger Denkmals: Dr. Achim Hubel im Festzimmer der Eckert-Villa Foto: Wanner

Die alten, noch originalen Kastenfenster von 1895 halten im Festzimmer den Lärm der Prüfeninger Straße ab. Doch aus 4,30 Meter Höhe kommt unvermittelt ein kräftiges Geräusch, ein Knacken, als wenn jetzt gleich ein Ast bricht. Aber keine Angst: Das zweifach gebrochene Tonnengewölbe aus massiver Eiche über Dr. Achim Hubel kann nicht herunterkommen. „Es hängt frei an Eisenketten, die sind unheimlich stark und mit den Dachbalken verbunden“, sagt der emeritierte Hochschullehrer. „Ich habe die Aufhängung gesehen, als ich die Decke öffnen musste, um den Kronleuchter anzuschließen.“

Es knackt und knarzt hier ständig. Da gibt es kein geräuschloses nach Hause Kommen über die Freitreppe, über die ein roter Teppich bis in den zweiten Stock läuft. Dr. Hubel muss damit leben, dass sein Haus lebt. Und der 1945 in Sünching geborene Kunsthistoriker lebt schon berufsbedingt gerne damit. Zusammen mit seiner Frau und der Familie seiner Schwester besitzt er eine der schönsten Gründerzeit-Villen der Stadt, gebaut vom Architekten der Weinschenk-Villa, Joseph Koch.

Dem Charme des Hauses erlegen

Das Eckerthaus begleitet Dr. Achim Hubel mehr als die Hälfte seines Lebens. Früh ist er dem warmen Glanz, den die Außenfassade aus pompejanisch Rot ausstrahlt, erlegen. Der Mann hat das Domschatzmuseum eingerichtet und im Rahmen eines Forschungsprojektes seiner Uni die Denkmaltopographie Bayerns geleitet. 30 Jahre stand er vor Studentinnen und Studenten. Mit seiner einschmeichelnden, fast schon singenden Stimme könnte Dr. Hubel alles vortragen, auch die Busstationen der Linie 1 oder die Packungsbeilage eines Medikaments. Aber es ist hier die Lebensgeschichte eines Hauses, entstanden in Deutschlands Glanz und Glorie und bewahrt bis heute.

„Des Hauses Ehr ist Gastlichkeit. Des Hauses Segen Einigkeit.“Hausspruch

Er war gerade 33 Jahre alt und im vierten Jahr Diözesankonservator unter Dr. Paul Mai, als er eines der Objekte erwarb, die er später im Regensburg-Band 1997 beschrieb. Gretl Eckert hat es ihm verkauft. Er war 33 Jahre alt und kannte Frau Eckert bereits. „Sie war meine Vermieterin in der Dänzergasse. Gretl Eckert wohnte am Wiesmeierweg 3, im Erdgeschoß dieses großen roten Gebäudes, mit Blick in die Allee hinein. Sie war eine der Sponsorinnen des Museums. Dr. Walter Boll kam immer mal wieder zu ihr, wenn er ein für Regensburg wichtiges Bild erwerben wollte. Sie hat selten nein gesagt.“ Dr. Hubel beschreibt sie als sensibel, äußerst scheu und sehr klein, bereits 80 Jahre alt. Die alleinstehende Frau war die einzige Erbin, nachdem ihr Bruder im Jünglingsalter verstorben war. Nach dem Tode ihres Vaters 1944 hatte sie das Elternhaus nie mehr betreten. Sie hatte es vermietet mit der Maßgabe, dass nichts verändert wird. Im Erdgeschoß hatte die Kinderärztin Dr. Teschemacher ihre Praxis. Der prominenteste Mieter war der erste Regensburger Oberbürgermeister nach dem Krieg, Gerhard Titze (1945 bis 1946).

Ein Rundgang durch das malerische Eckerthaus:

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Die kurze Straße, in der das Eckerthaus steht, ist heute nach dem Besitzer des Hauses, Ludwig Eckert, benannt. Sie hatte früher Frühlingsstraße geheißen, nach der Wirtschaft „Frühlingsgarten“ an ihrem Ende. Ludwig Eckert (1874 bis 1944) hatte sich mit der Produktion von Getränkemaschinen und Getränketechnik ein großes Vermögen erworben. Er galt als Mäzen der Stadt, für die er das Kinderhilfswerk gründete, das arme Kinder zu Weihnachten beschenkte und ihnen im Sommer eine Freizeit im Grünen bescherte. Ludwig Eckert war ein eigenwilliger Bürger der Stadt. Wie es heißt, wollte er in einem Zinnsarg beerdigt werden, deswegen hatte er wegen der Materialknappheit in Kriegszeiten vorgesorgt und im Speicher einen Zinnsarg stehen für den Fall der Fälle, der 1944 auch eintrat. Erbaut hatte das Eckhaus am Stadtpark allerdings ein anderer: Carl Wild. Er war um 1895 der führende Schreiner der Stadt. In seiner Referenzliste steht der Südflügel des Schlosses St. Emmeram, den er komplett mit Möbel und Wandverkleidungen ausgestattet hatte. Er hatte auch Schiffe ausgebaut. Fürst Albert von Thurn und Taxis (1885 bis 1952) erteilte seinem Hoflieferanten den Auftrag, für das niedergebrannte Schloss Donaustauf ein Turmzimmer einzurichten. Die Pläne hatte der Architekt Max Schultze gezeichnet.

Das Zimmer wurde bei der Gewerbeausstellung in Nürnberg prämiert, wurde aber nie an dem vorgesehenen Ort eingebaut. So verwendete es Carl Wild als neogotisches Element in seiner Villa. Löwen trugen die Wappen des bayerischen Königs, des preussischen Kaisers und die gekreuzten Schlüssel der Ratisbona. Der romantische Mensch, Mitglied des sagenhaften Ritterbundes Schlaraffia Ratisbona, liebte das Spiel mit den Stilen. Die vertäfelte Diele, die Atlanten trugen, war neoklassizistisch, das Treppenhaus und die Erdgeschoßwohnung in Neurennaissance-Stil. Im neuromantisch-barocken Badezimmer schauten ihm Konsolköpfe von Fröschen und Wassermännern beim Baden zu. Die Liebe zum Detail ging bis zu den Türgriffen aus gedrehten Metallstäben.

Ein Haus für Romantiker

Sein Sohn Carl Wild, Schlaraffe wie sein Vater, hat das Haus an seinen Schlaraffenfreund Ludwig Eckert verkauft. Der Bühnenbildner trennte sich von der Immobilie, als er nach Essen ans ans Theater ging. Im Grunde ist die Eckert-Villa bis heute eine Schlaraffen-Heimburg. „Salve 1898“ steht noch immer eingraviert über der Tür zum Festzimmer im ersten Stock der Eckert-Villa. Die Einrichtung ist weitgehend im Original erhalten geblieben. Die schlaraffischen Vorbesitzer haben sich mit ihren Wappen verewigt, deren Sinn nur Schlaraffen deuten können. Im Esstisch war derselbe Spruch eingraviert, der die Weinschenk-Villa schmückte. Er lautet: „Des Hauses Ehr ist Gastlichkeit. Des Hauses Segen Einigkeit.“

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