Menschen
Bodybuilder posiert nur noch für Jesus

Reinhard Heyd wollte der stärkste Mann der Welt werden, bis er eines Tages den Allerstärksten fand: Christus.

10.10.2015 | Stand 16.09.2023, 6:57 Uhr
Helmut Wanner
Reinhard Heyd am vergangenen Freitag um 18.30 Uhr auf dem Kassiansplatz: Er wollte sich nur kurz vom Predigen ausruhen und landete mitten im MZ-Interview. −Foto: Wanner

Nun hängen in der Brückstraße wieder Adventskalender im Schaufenster. Das zeigt uns an: Es ist nicht mehr sehr weit hin bis zur Eröffnung des Christkindlmarkts. Dann wird auch Reinhard Heyd wieder mit Bibel und durchgedrückter Brust rund um den Neupfarrplatz schreiten und mit stimmgewaltigen Zwischenrufen die weihnachtliche Konsumlaune stören: „Schaut nur hinein ins Krippelein. Da ist kein Leben drin. Geht in Euch.

Christus will in Euer Herz. Ohne ihn seid ihr verloren.“

Heyd ist der einzige ambulante Straßenprediger der Stadt. Seine Botschaft ist einfach. Er spricht sie ohne Mikrofon, aber so laut, dass man ihn schon um die Ecke hört. Der Dauereinsatz kostet Kraft. Und die hat er auch. Reinhard Heyd war leidenschaftlicher Bodybuilder. „Im Posen war ich gut“, sagt der gebürtige Tirschenreuther in Erinnerung an seinen größten Auftritt 1978 in Acapulco. Der gelernte Schriftsetzer (bei „Pustet“) hat es mit seinem Körper weit gebracht, bis zum fünften Platz des Wettbewerbs „Mister Universe“. Das bedeutet ihm nichts mehr. Er sagt: „Sprechen wir nicht über mich.“

„Ich bin Narr um Christi willen“

Heyd hat die Hantel abgesetzt und das Kreuz auf sich genommen. Abends geht der Rentner predigen. „Allen Bodybuildern fehlt es hernach an der Rente,“ sagt er selbstkritisch. „Ich muss dazuverdienen.“ Der mediale Total-Verweigerer arbeitet ausgerechnet beim „Media Markt“. „Kein TV, kein Internet. Den Radio im Kassettenrekorder hab ich ausgebaut.“ Darauf hört er nur Lobpreis-Lieder.

Heyd weiß, dass sich die meisten Passanten ans Hirn greifen: „Der Narrische scho wieder.“ Das kümmert ihn nicht. Das hätten schon größere als er erlitten. „Wir sind Narren um Christi willen“, zitiert er den Völkerapostel Paulus. Man hat ihm, dem „religiösen Fantasten“, auf dem Rathausplatz auch schon Schläge angedroht. Aber da konnte Gottes Modell-Athlet nur lächeln. Hatte er doch auch im Nahkampf Übung. In seinem früheren Leben. Das hat er sich wie einen Fetzen vom Leib gerissen und verbrannt.

Als Bierzelt-Catcher getourt

Als Catcher ist er zwei Jahre lang durch Deutschland gezogen. Er ist in Bierzelten und in Hallen aufgetreten. Nebenbei betrieb er am Beschlächt das erste Fitnessstudio der Stadt. Reinhard Heyd eilte der Ruf des Mister Universums voraus. Mit 25 Jahren wäre Heyd um ein Haar Mr. Germany geworden, als zweiter in der Juniorenklasse. Bei der Europameisterschaft in Brügge wurde er 1979 Dritter. „195 Kilo im Bankdrücken, 250 Kilo im Kniebeugen und 280 Kilo aus dem Kreuz“: Seine Best-Marken hat er alle noch im Kopf. Die Pokale, die Urkunden, die Zeitungsausschnitte hat er vernichtet. Alles Dreck. „Ich war Weltmeister im Schlucken von Anabolika“, bekennt er. Gekauft habe er sie in einer Apotheke in der Innenstadt, in der Nähe vom Bratwursteck. „Da gab es alles. Das war bekannt. Da kamen sie von überall her.“

Die Apotheke gibt’s schon lang nicht mehr. Die Leute, die damals bei ihm trainiert haben wie z. B. der Gandhi, sind jetzt alle um die 60. So wie er. Heyd lebt nun schon 33 Jahre in seinem neuen Leben als wiedergeborener Christ. Aber erst seit drei Jahren treibt ihn der Geist Gottes am Wochenende auf die Plätze der Altstadt.

Ihre freundliche 52-Quadratmeter-Wohnung in der Maria-Herbert-Straße 11 ist Tag und Nacht für jeden Bruder, jede Schwester geöffnet. Seine Frau Rosina und er bezeichnen sich schlicht als „ein Hauskreis der Gemeinde Regensburg“. Doch selten kommt mal einer. „Wir sind die schwarzen Schafe,“ sagt Heyd. Die Herde grenze sie aus.

Der Grund: Die Heyds haben eine spezielle Sendung. Die macht sie in Regensburg einzigartig und darum auch einsam. Es ist eine Stelle aus dem hohepriesterlichen Gebet des Herrn, Johannes-Evangelium, Kapitel 17. Jesus betete darin um die Einheit der Christen, „damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast.“ Ob „Kino-Kirche“, „Lifestream-Church“, „new hope“ … – jeder neue Name, jede neue Eintragung als Körperschaft öffentlichen Rechts sei im Sinne der Bibel eine große Sünde, die Sünde einer weiteren Spaltung des Leibes Christi, sagt Heyd: „Bevor Jesus ans Kreuz ging, betete er, dass sie alle eins seien. Was für Jesus so wichtig ist, das muss auch für mich wichtig sein. Die Einheit der Christen ist das Zeichen für die Welt.“

Als Reinhard Heyd das für sich erkannte, hat er seine Gemeinde verlassen, den Mitglieds-Ausweis zurückgegeben und die Zahlung des Zehnten eingestellt. In dieser Stadt gibt es für ihn nur noch eine Gemeinde – und das ist die Gemeinde aller wiedergeborenen Christen von Regensburg. Mit dieser Erkenntnis hat er sich erstmal aufgemacht, um alle Geschwister in den Regensburger Kirchen kennenzulernen. Die Erfahrungen seien schrecklich gewesen. Die Idee der Einheit hätten sie zwar für gut befunden. Ein Pastor habe ihm aber erklärt, warum das nicht funktionieren kann. „Wenn alle Christen eine Gemeinde bilden, wer soll dann der Älteste sein?“ Heyd: „Es geht nur um die Frage, wer schafft an.“

So geht Heyd weiter seinen Weg. Am Geibelplatz steigt er in den Bus der Linie 2, am Fischmarkt steigt er aus. Und wenn er abends nach fünf Stunden Predigtdienst wieder heimkommt zu seiner Rosina, dann fühlt er sich eigenartig erfrischt. „Wenn sie noch wach ist, setz ich mich zu ihr und berede mit ihr alles.“ Pause. In seinem Gesicht geht ein Lächeln auf wie die Sonne. „Und dann ist die Hoffnung…“