Menschen
Der einzige Kellermeister der Altstadt

Kaum zu glauben, dass in Regensburgs Mauern 3500 Flaschen abgefüllt wurden: Wein aus Winzer, aus dem Jahrhundert-Jahrgang.

09.06.2016 | Stand 16.09.2023, 6:43 Uhr
Helmut Wanner
Oswald Zitzelsberger: Winzer, Önologe, Weinbauer und Tausendsassa −Foto: altrofoto.de

Regensburg hat drei Brauereien, über 300 Restaurants und sogar eins mit Michelin-Stern ... Was noch in keinem Regensburg-Buch stand: Am Rande der Altstadt gibt es eine kleine Stiftungs-Weinkellerei, die immerhin groß genug ist, dass man darin jährlich einige Tausend Flaschen mit Original Regensburger Landwein keltert und abfüllt. Sie liegt 400 Meter vom Emmeramsplatz entfernt in der Tiefgarage des Hotel Central, Margaretenstraße. Freilich gibt es noch vier weitere in der Stadt, drei in Winzer und ein draußen am Weinweg beim Stadtgartenamt. Aber in der Altstadt hat „OZ“ (Oswald Zitzelsberger) keine Konkurrenz.

„Der Privatanbau von Weißwein in dieser Lage ist seit 1225 nachgewiesen“,Oswald Zitzelsberger.

Ein Wein in trockenen Tüchern

„Ein weiblicher Hotelgast wollte mal nicht aus dem Auto steigen, weil sie im Hintergrund einen Mann stehen sah. So echt hat mich der Oleg gemalt.“ Die perfekte Illusionsmalerei wird hinter der Tür fortgesetzt. Der Raum hat kaum 30 Quadratmeter, aber er weitet sich. Man blickt auf endlose Weinberge und einen Keller mit Eichenfässern. Oswald Zitzelsberger soll sich wohlfühlen hier unten - wie der Wein, der hier 8 Monate ausgebaut wurde.

Seit Freitag ist der Wein 2015 in trockenen Tüchern. 3500 Flaschen wurden abgefüllt und etikettiert. Auf den Etiketten, die auch sein Hauskünstler Oleg Kuzenko entworfen hat, sitzen das Bruckmandl und der Verkündigungsengel auf dem Rand eines Weinglases und lassen es sich gutgehen. Sie prosten sich zu. Im Glas spiegeln sich die Domtürme.

Für Oswald Zitzelsberger ist das, was hier im Raum abgefüllt auf die Genießer wartet ist, nichts weniger als „der beste Jahrgang Original Regensburger Wein, der in Regensburg-Winzer je geerntet wurde.“ Das Jahr 2015 sei fantastisch gewesen. So fantastisch, dass er plötzlich hochdeutsch spricht: Das schlage sich beim Weißen, dem Müller-Thurgau, in seiner Trockenheit, Mineralität und duftigen Frische nieder. „Eiskalt muss man ihn trinken.“ So stolz sah man Zitzelsberger nie. Nicht einmal nach der geglückten Sanierung des „Ratzenlochs“ Velodroms war er so glücklich.

Mit Oswald Zitzelsberger steht auch seine Frau Ursula an den Reben. Die in Hammelburg, der ältesten Weinstadt Deutschlands gebürtige Fränkin hat ihn ja erst auf den Geschmack gebracht. Zitzelsberger hat nicht Önologie studiert, auch nicht Speditionsaufmann, Architektur und Immobilienwirtschaft. Er kann’s halt. Er hat es sich in den Weinbergen der Verwandtschaft abgeschaut. Wer hat, dem wird gegeben. Mit Seminaren an der Bundesanstalt für Garten- und Weinbau in Veitshöchheim hält er sich auf dem aktuellen Stand.

Eine Weißwein-Tradition seit 1225

Mit seinen Weinbergen knüpft er bewusst an eine 800-jährige Tradition. „Der Privatanbau von Weißwein in dieser Lage ist seit 1225 nachgewiesen“, weiß Zitzelsberger. Der Winzer war damals dem Schottenkloster St. Jakob zehentpflichtig. Gleich gegenüber hat Zitzelsberger sein Hotel Jakob. Dass sich der Kreis schließt, freut ihn.

Der Weinberg ist seine Geliebte.Jeden Tag will sie ihn sehen. Gerade werden die Triebe aufgebunden. Mit Stolz zeigt er das Schwarze unter den Fingernägeln. Ärzte machen krank, er meidet sie. Arbeit und Freude halten ihn gesund. Manchmal ist er bis 20 Uhr draußen. Vom 1. Januar bis Ostersonntag ist er abstinent. Dann trinkt er keinen Tropfen.

Vier Tonnen Trauben hat er im Herbst geerntet und von Winzer im Jeep mit Anhänger in die Tiefgarage gefahren. Zehn Fuhren waren nötig. Er hat sie in der Maschine abgebeert. Die ersten Tage im Oktober waren in seinem Keller besonders arbeitsintensiv. Mehrmals am Tag muss man den Maischekuchen unterstoßen, damit sich die Farbe von der Beerenhaut löst. Der Mann vom Sinzinger Weinkontor hat während des Gärprozesses bei Zitzelsberger vorbei geschaut und „blind“ 500 Flaschen bestellt.