Menschen
Gefunden, verloren und wiedergefunden

„Regensburg meets Buenos Aires“: Der Mythos Tango Argentino bekommt durch diese transatlantische Lovestory neue Nahrung.

04.03.2016 | Stand 16.09.2023, 6:56 Uhr
Helmut Wanner
Dem Tango verfallen: Die Regensburgerin Susanne Scharnitzky und die Liebe ihres Lebens, Luis Virah −Foto: Wanner

Der spanische Name Milonga für Tanzveranstaltung klingt nach Sehnsucht. Bei der Milonga im Club „El Beso“ (der Kuss) in der Riobamba 416 in Buenos Aires saß einer am Rande – ein Mann mit Kirschaugen und einem Lächeln wie Harry Belafonte. Die Regensburgerin Susanne Scharnitzky saß ihm gegenüber und dachte, „hoffentlich fordert der Typ mich bald auf“. Ihre Augen trafen sich. Er tat es. Es war Samstagnacht, der 21. März 2015. Drei oder viermal tanzten sie in dieser Nacht miteinander, was eigentlich wider die Regel bei Milongas ist. Man tanzt nur einmal mit derselben Partnerin. Die beiden verabredeten sich früh am Morgen für die Nacht in der Tango-Location „Club Gricel“. Die Telefonnummern tauschten sie nicht aus…

„Ich war ein Hippie-Mädchen. Tanzkurse fand ich furchtbar spießig“Susanne Scharnitzky

Aus dem Himmel der Leidenschaft in die Hölle der Trauer - und das im 2/4- und 4/4-Takt: Das ist Tango Argentino. Die beiden haben ihn ausgekostet. Susanne Scharnitzky war am anderen Abend pünktlich vor Ort, aber ihr Tanzpartner kam nicht. „Typisch Argentinier“, dachte sie sich. „Typisch Touristin“, dachte sich ihr Tangopartner, Luis Virah. Er wartete am vereinbarten Ort vergeblich. Sie waren Opfer einer babylonischen Sprachverwirrung geworden. Er hatte in seinem französisch eingefärbten Englisch „Monday“ gesagt, sie hatte „Sunday“ verstanden.

Schicksalsstunde im „El Beso“

Die nächsten 14 Tage waren wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen: Wie findet man in einer 12 Millionen-Metropole, die von 150 000 Tango-Schülern, die Mehrheit Studentinnen aus Europa, geflutet wird, den wieder, den einen, den man sucht? Tango ist in Buenos Aires ein 500 Millionen-Dollar-Geschäft. 300 Milongas finden pro Woche statt. Sie werden von 35 000 Tango-Tänzern besucht. Vier Tage vor der Abreise ging Susanne Scharnitzky wieder in den Club „El Beso“ - und er war da…

Die Liebe zum Tanz kam spät zu ihr. Susanne Scharnitzky war ein Hippie-Mädchen. „Tanzkurse fand ich furchtbar spießig“, gesteht die Post-68-er-Frau. Damals verabredete man sich zum Sit-In. Erst 2010 ist sie „dem Tango verfallen“, so sagen die Insider. Denn Tango ist wie das Schicksal, wie eine Person, die nimmt und gibt. Auf dem Weg zu „ihrem“ Tango hat die gebürtige Ambergerin die Liebe ihres Lebens doppelt erfahren: Als Tanz der Herzen und als Luis Virah-Sawmy.

Der in La Réunion geborene Sohn einer Französin und eines Inders war 2008 von Paris nach Buenos Aires ausgewandert, um dort sieben Jahre lang den Tango zu entdecken, seinen Tango, die Poesie, die Musik, den Lebensstil, alles. Er definiert Tango so: „You’re in love for 3 Minutes.“ Für ihn geschieht in einem einzigen Tanz Verschmelzung, ohne die Persönlichkeit aufzugeben. Beim Tango sind Atem, Körper und Geist eins. Tango ist ein körperliches Medium für schlummernde, unausgesprochene Emotionen, ein Spüren und Fühlen: „Du kannst es immer haben, jederzeit, an jedem Ort und in jedem Alter.“

„Naranjo en Flor ist unser Kind“

Luis Virah fand seine Meisterin in keiner geringeren als Mimi Lertora Santapa, seit 2009 die Unesco-Botschafterin für Tango. Nach 1386 Stunden wurde er von der Tango-Universität (ja, sowas gibt's) mit dem Diplom „Instructor de Tango Danza“ ausgezeichnet. Mit Susanne tanzt Luis jetzt durchs Leben.

Das letzte Jahr führten die beiden „Milongueros“ eine Fernbeziehung, „eine sehr ferne Fernbeziehung. Ich war dreimal drüben, Luis war einmal hier.“ Im Sommer dann träumten sie den Traum von einer kleinen Tangoschule und einem kleinen Café. Sie nannten es Orangenblüte, „Naranjo en Flor“ und ließen sich den Namen im Fileteado-Stil auf ein Metallschild malen. „Die Tangoschule ist unser Kind“, sagt Scharnitzky. Sie strahlt.

Am 17. Februar ist Luis gelandet. „Naranjo en Flor“ steht neben anderen Milonga-Schildern im Haus in der Fidelgasse. Das Wohnzimmer trägt Züge eines Tango-Cafés: Schwarzes Klavier, großer Spiegel, die Musik von Carlos Di Sarli liegt in der Luft.An der Tür klebt der Stadtplan von Buenos Aires und ein Plakat ihrer berühmtesten Cafés. Im Mai fliegen sie wieder rüber. Die Hauptstadt des Tango ist der Geburtsort ihrer Liebe.

Übrigens: Luis Virah und Susanne Scharnitzky haben ihre Tangoschule nach einem Lied von Virgilio Exposito genannt. Informationen zum Kursstart gibt es unter der Facebookadresse „Naranjo en Flor – Escuela de Tango Argentino“.

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