Menschen
Schindlers Liste: Etwas Ruhm für Emilie

Jetzt redet auch seine Frau: Die Stadt hat die Tafel optimiert, die an die Regensburger Jahre des Judenretters erinnert.

15.04.2016 | Stand 16.09.2023, 6:46 Uhr
Helmut Wanner
Die Witwe von Oskar Schindler, Emilie, liest inmitten von Schülern der Berliner Oskar-Schindler-Schule in ihren Erinnerungen. −Foto: dpa-Archiv

Die Tafel, die am Haus am Watmarkt 5 an Oskar Schindler erinnerte, wurde ausgetauscht. 1995, also zwei Jahre nachdem der Spielberg-Welterfolg „Schindlers Liste“ in die Kinos kam, hatte Regensburg damit an den Mann erinnert, der während des nationalsozialistischen Terrors über 1200 Juden vor dem sicheren Tod rettete.

„Die Wohnung war mit ihren fünf Zimmer, einer schönen Küche und einem riesengroßen Bad ziemlich groß und ging weit über unsere Bedürfnisse und Wünsche hinaus.“Emilie Schindler

Der Slawistik-Professor Prof. Dr. Walter Koschmal und der verstorbene Prof. Eberhard Dünninger hatten schon früh auf Fehler im Text der Inschrift hingewiesen. Dort steht: „Vom November 1945 bis Mai 1950 lebte er in Regensburg, zuerst in diesem Anwesen, später im Haus Alte Nürnberger Straße 25.“

Vorgänger-Tafel jetzt im Museum

Jahreszahl und Hausnummer stimmten nicht. „Vor allen Dingen wurde die Frau vergessen, ohne deren Rückhalt er die Menschen nicht hätte retten können, Emilie Schindler“, sagt der ausführende Künstler, Stefan Reichmann. Den Text sprach er mit Kulturdezernent Klemens Unger ab. Die Tafel wurde von ihm in Steinätztechnik gefertigt. „Damit der Stein spricht“ wählte Reichmann eine spezielle Antiqua-Schrift, die in den Jahren 1945 bis 1955 aktuell war. Die noch von Richard Triebe stammende Vorgänger-Tafel wanderte in das städtische Museum.

In ihren Erinnerungen, die 1997 im Verlag Kiepenheuer&Witsch unter dem Titel „In Schindlers Schatten“ erschienen sind, erzählte Emilie Schindler ihre Geschichte. Einige Sätze ihrer Erinnerungen sind Regensburg gewidmet, der ersten Station von Schindlers Nachkriegsgeschichte. „Die jüdische Organisation Joint, die an der Aufstellung der Liste mitgewirkt hatte, verhalf uns in Regensburg zu einer Wohnung. Sie war mit ihren fünf Zimmer, einer schönen Küche und einem riesengroßen Bad ziemlich groß und ging weit über unsere Bedürfnisse und Wünsche hinaus.“ Im November 1945 zogen die Schindlers ein.

Nach dem Regensburger Melderegister lebten sie nur bis September 1946 im sogenannten Goliathhaus. Danach zogen sie über die Donau nach Steinweg, wie sie schreibt „in die Nürnberger Straße 24 auf der Ostseite der Donau, von wo aus man nur mit dem Boot auf die andere Seite kam, da die Brücke wegen der Schäden durch Bombenangriffe einsturzgefährdet war.“ Dort wohnten die Schindlers die meiste Zeit ihres Regensburger Aufenthalts. Ende 1949 ergatterte Oskar Schindler in München von der Joint zwei Überfahrten für das letzte Schiff, das jüdische Flüchtlinge nach Südamerika bringen sollte.

Trotz der monatlichen Verpflegungspakete der Joint mit Tee, Kaffee, Zucker, Mehl und Zigaretten, die sie einen Steinwurf entfernt auf dem Schwarzmarkt in der Pfauengasse zu Geld machten, empfand die Sudetendeutsche Emilie Schindler das Leben in Regensburg „wahrhaftig nicht als Zuckerschlecken“, schreibt sie. Die Schindlers galten als Flüchtlinge (im Stadtjargon: „Flichtling“). „Die Einheimischen sahen nicht gerne, dass Zugereiste wie wir über Nahrungsmittel verfügten, die sie in vielen Fällen nicht bekommen konnten.“ Einmal ging ein Fenster auf und Emilie Schindler wurde von stinkender Flüssigkeit aus einem Eimer getroffen.

Emilie Schindler hatte gehofft, nach dem Krieg in „würde das Glück wieder in unsere Ehe zurückkehren“. In den ersten Regensburger Nächten sei Oskar wieder „der leidenschaftliche und hingebungsvolle Liebhaber gewesen, der die Partnerin seiner Anfänge wiederentdeckte“, schreibt sie. Ihren Oskar hat sie geliebt, gehasst und zu vergessen gesucht. Sie habe in seinem Schatten gelebt. Im Vorwort zu ihren Erinnerungen findet sie es nicht ganz gerecht, „dass auf ihren Mann nur das Licht fiel, das die Geschichte für ihn vorgesehen hatte“. Sie wurde in Regensburg schwanger. Aber ihr Kind starb noch im Mutterleib. Eine Not-Operation musste Emilie Schindler retten. Schrecklich, was sie beim Aufwachen aus der Narkose erlebte. Oskar Schindler trat lächelnd ans Krankenbett im städtischen Krankenhaus. „Zu meiner Überraschung war er nicht allein. Seine Freundin Gisa war bei ihm, die er später nach Argentinien mitschleppte.“

Mit einem Dollar konnte man alles kaufen. Die 15 000 Dollar, die ihm die jüdische Organisation Joint noch in seiner Regensburger Zeit zugesteckt hatte, waren eine unvorstellbar hohe Summe. Emilie Schindler sah davon keinen einzigen Cent. Er verjuxte das Geld mit Geliebten. Seine Frau durchschaute den notorischen Fremdgeher. „Trotz der schweren Zeiten folgte er seinen Launen wie ein Kind und klammerte sich bei wichtigen Entscheidungen verzweifelt an mich. Ich war seine Zuflucht, wenn Unheil drohte.“ Nicht nur wegen ihrer religiösen Überzeugungen trennte sich Emilie Schindler, die Katholikin, nie von Schindler. „Außerdem hatte ich alles verloren: Heim, Vaterland, Familie. Ich hatte keine Wahl.“ Sie vergoss viele, bittere Tränen wegen ihm, wurde aber mit der Zeit härter. „Ich hörte auf zu weinen und stürzte mich in die Arbeit.“

Die Strahlkraft seines Namens

Auch Mimi Reinhard, die Sekretärin, die im Krieg Schindlers Liste getippt hatte, kannte beide Seiten des Mannes,den in Israel als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt wurde. „Er war kein Engel“, sagte sie in einem Zeitungsinterview. Aber er muss dennoch ein Herz aus Gold gehabt haben.

Welche Strahlkraft der Name Oskar Schindler noch heute bei den Touristen im Welterbe hat, merkt Hausbesitzer Michael Stark. „Ich sehe, wie viele Menschen täglich vor dieser Tafel stehen.“