Geschichte
Sensation aus den New Yorker Archiven

Prof. Koschmal gelang es, den Film über das Camp Ganghofersiedlung nach Regensburg zu holen. Die MZ hat ihn schon gesehen.

20.06.2015 | Stand 16.09.2023, 7:09 Uhr
Helmut Wanner
Zeitdokument der „Göring-Siedlung“: Die Ganghofersiedlung hat eine wechselvolle Geschichte. Nun ist ein Film aus der Zeit zu sehen, als das Viertel das „Camp Ganghofersiedlung“ war. −Foto: Archiv

Malibu ist bekannt als Surf City USA, als Heimat von Filmstars. Aber nicht als Stadt, in der man öffentlich über Regensburg spricht.

Über den Strand von Malibu geht in den 80er-Jahren Bohdan Z. Malaniak (1930 bis 2013) mit seinem Sohn Joey und erzählt ihm von der schönsten Zeit seines Lebens. Es sind seine Jugendjahre von 1945 bis 1948 im Camp Ganghofersiedlung in Regensburg, als er ein Teenager, Gymnasiast und ukrainischer Pfadfinder war.

Regensburger Reden in Malibu

Eine sonore Stimme spricht feierlich aus dem „Off“, es ist die des am 12. Juni 1930 in Boyshkivtski, Ukraine geborenen Bohdan Malaniak. Der Mann hat was zu erzählen. Ausgerechnet am Traumort der Schönen und Reichen in Malibu erinnert Bohdan Z. Malaniak seinen Sohn an die Provinzstadt in Mittelbayern, an das mystische „Oselia“ am Fuße des Ziegetsbergs, Heimat für 5000 Ukrainer. Malaniak war Präsident der kalifornischen Hilfsorganisation für die Ukraine (CAAU) und ein geschichtsinteressierter Mensch. Unddas ist der Beginn seines halbstündigen Kurzfilms. Er gab ihm den Titel „Striving for dignity“ – nach Würde streben.

Das Film-Material ist hauptsächlich mithilfe des Direktors des Unrra-Lagers 515, Mr. Carl W. Hiltz, entstanden. Es dokumentiert einen Lagerrundgang, berichtet über alle handwerklichen, sportliche und kulturelle Aktivitäten im Camp am Ziegetsberg. Es wird Fußball gespielt, gelernt, gesungen, getanzt, gearbeitet. Die Bilder gelten als Sensation. Prof. Dr. Walter Koschmal hat den Film Ende 2014 im Ukrainischen Museum in New York ausgegraben und nun ist es ihm gelungen, den Film heimzuholen.

Trotz einiger Flimmerpassagen ist der Streifen „Striving for dignity“ die überraschende Fortsetzung einer bislang unbekannten Geschichte. Das Europaeum hatte den Erinnerungsprozess mit seiner Jahresgabe 2014 über „die kleine Ukraine“ in der Ganghofersiedlung angestoßen.

Bislang waren diese ersten drei Jahre nach Kriegsende in der Erinnerung der Regensburger ein „schwarzer Fleck“. Für die Einheimischen war das ja auch nicht sonderlich angenehm. 1945 wurde die damalige Hermann Göring Siedlung für Messerschmitt-Mitarbeiter von heute auf morgen von den Amis geräumt, um dort das „Displaced Persons Center Ganghofersiedlung“ zu eröffnen.

18jährig war Malaniak 1948 nach USA ausgewandert, um dort sechs Jahre im Koreakrieg zu dienen und bei der Army bis zum höchsten Unteroffiziersgrad Command Sergeant Major aufzusteigen. Er starb im Juli vor zwei Jahren, hochdekoriert. Der Autor des Films hat in den USA Karriere gemacht, aber dachte immer an Regensburg zurück. Als Erinnerungsarbeit hat er den Streifen aus Doku-Material zusammengestellt und in einer amerikanischen und ukrainischen Version veröffentlicht. Er wurde 1983 in den USA gezeigt und verschwand dann in den Archiven des ukrainischen Museums in New York.

Gedenktreffen in den USA

Der Film wird am kommenden Donnerstag um 19 Uhr in der Filmgalerie im Leeren Beutel erstmals gezeigt. Malaniak widmet die Bilder den Menschen im Lager Ganghofersiedlung. Wie er im Film erzählt, waren nach dem Krieg acht Millionen Menschen aus der Ukraine „Displaced People“ (DP). Eine Million kam nach Deutschland. Davon mussten 200 000 nach dem Jalta-Vertrag Ted Roosevelts mit Josef Stalin zurück in die Sowjetunion. Manche entzogen sich Stalin durch Selbstmord. Der Familie Malaniak gelang es, der Rückführung zu entkommen – nach den Vereinigten Staaten von Amerika.

Dort lebt die kleine Ukraine in Regensburg bis heute weiter, wie die Geschäftsführerin des Europaeums, Lisa Unger-Fischer weiß. In USA und Kanada treffen sich seit Jahrzehnten Hunderte von Ukrainer und gedenken voll Nostalgie ihrer Zeit in Regensburg. Zum fünften Treffen 1985 der „Regensburger Familie“ kamen 270 Ehemalige zusammen. Die Regensburger wussten bis vor kurzem nichts davon.