Justiz
VW-Kunde kämpft um ein Urteil

Der Regensburger Christian Wiedenmann hat wegen des Abgasskandals geklagt. Seit 2016 wartet er auf einen Gerichtstermin.

12.02.2018 | Stand 16.09.2023, 6:09 Uhr

Christian Wiedenmann fährt seinen VW Tiguan nicht mehr, solange er seinetwegen im Streit mit VW ist. Fotos: Lex

Seit Dezember 2016 steht der VW Tiguan von Christian Wiedenmann in der Garage. Seitdem ist das weiße Auto für den 59-Jährigen aus Stadtamhof kein fahrbarer Untersatz mehr, sondern ein Streitobjekt. Damals hat der Regensburger Klage eingereicht gegen den Händler, der ihm das Auto mit den erhöhten Abgaswerten verkauft hat – inzwischen hat er auch VW direkt „den Streit verkündet“. Ein Urteil hat er allerdings immer noch nicht – und auch noch keinen Termin für eine mündliche Verhandlung am Landgericht Regensburg. Wiedenmann schimpft: „Der Richter verweigert mir einen Prozess.“

Wiedenmann, selbst Kfz-Sachverständiger, sagt: „Ich bin von VW betrogen worden. Und ich seh nicht ein, warum ich die Suppe allein auslöffeln soll.“ Dabei schien eine Verhandlung über seine Sache schon in Sichtweite: Als die Mittelbayerische im August 2017 über Wiedenmanns Klage berichtete, erläuterte Landgerichtssprecher Thomas Polnik, der Richter warte noch auf ein obergerichtliches Urteil aus Nürnberg oder München, rechne aber „demnächst“ mit einer solchen Entscheidung. Die solle ihm „bessere Orientierung“ verschaffen.

Kläger: VW zahlt lieber

Inzwischen ist mehr als ein halbes Jahr vergangen – und der zuständige Richter nach wie vor der Ansicht, „dass er die in Frage stehende Rechtslage derzeit noch als obergerichtlich nicht ausreichend geklärt ansieht und ein weiteres Zuwarten für angebracht hält“, übermittelt Polnik. Er sagt: „Wie ein Richter bei der Prozessleitung auf eine derartige Situation reagiert, hängt von seiner grundsätzlich unabhängigen und keinerlei Weisungen unterworfenen rechtlichen Bewertung ab.“

Wiedenmann findet: „Das darf nicht sein, dass man einem Betrüger auch noch die Stange hält.“ Schon mehrmals hat er den Richter um einen baldigen Verhandlungstermin gebeten. Denn seiner Meinung nach verhindert VW bewusst obergerichtliche Urteile – während sein Richter darauf wartet. Die Dauer von Wiedenmanns Verfahren liegt schon jetzt über dem Durchschnitt im Bezirk des Oberlandesgerichts Nürnberg, zu dem Regensburg gehört. 2016 dauerten dort einer Auflistung des Statistischen Bundesamts zufolge in erster Instanz erledigte Zivilsachen 8,6 Monate.

Dabei stehen Wiedenmanns Chancen vor dem Landgericht eigentlich gut. Die Tendenz bei den VW-Urteilen gehe „Richtung Verbraucherfreundlichkeit“, heißt es vom Automobilclub ADAC. Seine Rechtsprechungsübersicht belegt dies. 85-mal bejahten Landgerichte ihr zufolge einen Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller, 140-mal ein Rückgaberecht des Kunden –auch sechs Urteile pro Kunde aus Regensburg sind verzeichnet. Doch auch am Landgericht Regensburg wurden Klagen von Verbrauchern abgewiesen, sagt Polnik. Oberlandesgerichte als nächsthöhere Instanz haben über wesentliche Fragen wie über die, ob betroffene Fahrzeuge einen erheblichen Mangel haben oder der Käufer zurücktreten kann, allerdings noch nicht entschieden, sagt ein ADAC-Sprecher. Es sei „ganz klar zu erkennen, dass alle Termine, die in der Sache interessant wären, kurz vorher abgesagt werden, weil sich die Parteien außergerichtlich geeinigt haben“.

Wiedenmann beschreibt die Strategie von VW so: „In der ersten Instanz verlieren sie, dann gehen sie in Berufung und dann schließen sie einen Vergleich.“ Wie zwei vom Abgasskandal Betroffene der Mittelbayerischen bestätigten, kommt VW den Klägern dann entgegen. Wie weit, darüber wird Stillschweigen vereinbart.

Zulassungsstellen drohen

Während der VW-Konzern vor einem US-Gericht bereits Anfang 2017 einen Betrug bei Abgaswerten eingestanden hat, bestreitet er in Wiedenmanns Fall den Vorwurf. Der Tenor des 80-seitigen Schriftsatzes, den Wiedenmann bekommen hat: Die beim Tiguan verwendete Technik sei hierzulande im Rahmen des Erlaubten. „Von einer Abschalteinrichtung ist gar nicht die Rede“, empört sich Wiedenmann. Dabei hat das Kraftfahrbundesamt auch seinen VW wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung zurückgerufen. Halter, die sich dem Software-Update verweigern, meldet das Bundesamt den Zulassungsstellen: auf dass diese den Betrieb der Fahrzeuge verbieten. Akut droht dies drei Regensburgern.

Wiedenmann lässt seinen VW nicht nachrüsten, zumindest nicht solange er für dessen Rücknahme streitet.Der Kfz-Experte fürchtet auch Langzeitschäden am Auto durch das Update. Er habe einen langen Atem, auch weil er auf den VW nicht angewiesen sei, betont er: „Ich will nur mein Recht.“

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