Zelt- und Kulturfestival
Haindling begeistern das Publikum in Schwandorf

04.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:48 Uhr
Einfach grandios: Hans-Jürgen Buchner begeisterte mit seiner Kultband Haindling das Publikum in der Schwandorfer Oberpfalzhalle. −Foto: Martin Kellermeier

40 Jahre ist es her, dass Hans-Jürgen Buchner mit seiner Kultband Haindling das erste Mal auf der Bühne stand. Und daran mag es liegen, dass sich die vielleicht 1000 Zuhörer am Freitag in der Oberpfalzhalle, erst einmal schwer tun mit der Stimmung.

Die Erklärung liefert Buchner gleich selbst: „Früher sind alle gestanden. Aber die Fans der ersten Stunde sind eben auch 40 Jahre älter geworden“. Man sitzt beimZelt- und Kulturfestival Schwandorfgesittet im Parkett, und manch einer aus der Menge lagert wohl auch ein paar teure Flaschen Wein im Keller, worüber sich Buchner in einer seiner vielen Anekdoten später lustig machen wird. Die Fans haben keine „roten Haar’“, sondern graue.

Daumen-Yoga und anderes

Aber die Zurückhaltung dauert nicht allzu lang. Spätestens nach dem „Daumen-Yoga“ und anderen Lockerungsübungen hat die Band das Publikum im Griff. „Ganz sauber. Ihr macht’s das wunderbar“, lobt der Frontmann. Der freundliche Beifall vom Anfang wird lauter, und irgendwann erheben sich die von Buchner einmal so benannten „sehr geehrten Damen und Herren“.

Zu hören bekommen sie ein grandioses musikalisches Medley aus 40 Jahren Bandgeschichte, und die ist bekanntlich durchaus einzigartig. Wer sonst, wenn nicht Buchner, wählt als Intro ein Instrumentalstück mit abgesägten Antilopenhörnern und erklärt am Ende, wie eine vietnamesische Maultrommel funktioniert? Der Reihe nach werden auf der nicht eben kleinen Bühne Raritäten wie Carbon-Alphörner und Didgeridoos aufgebaut, oder ein riesiges Rundholz-Xylofon für das Stück „Noch in der Umlaufbahn“. Das Glöckchen klingelt, aus dem Hintergrund ertönt der Gong, über allem Piano- oder Synthesizer-Klänge. Die Auswahl für die Bläsersätze ist ist dann gar nicht mehr überschaubar.

Hans-Jürgen Buchner und seine Mitstreiter beherrschen ihre Instrumente meisterhaft. Aber sie sind nicht nur virtuos, sondern vor allem kreativ und zimmern mit ihrem Werkzeug einen ganz eigenen musikalischen Kosmos. Das Projekt Haindling ist bayerisch geprägt, durch die Sprache und Anleihen aus der Volksmusik. Doch Hans-Jürgen Buchner ist offen für viele Einflüsse, bedient sich bei allen möglichen Stilrichtungen. Wenn dann bayerisches Selbstverständnis auf die musikalische Weltseele trifft, entsteht etwas Neues.

Musikalische Vielfalt von Funk bis Walzer

Vielfalt vielleicht. Beim Konzert in Schwandorf folgt der „Holzscheidl-Rap“ auf Jazz-Einlagen, da gibt es harte Bässe und vertrackte Rhythmen zwischen Funk, Zwiefachem und Walzerklängen. Hans-Jürgen Buchner kann sich in Liedermacher-Manier ans Klavier setzen. Aber er beherrscht auch die Klaviatur der Filmmusik und rührt seine Zuhörer mit leichter Hand zu Tränen. Das funktioniert auch in Schwandorf – irgendwie und sowieso.

Seine Filmmusik hat Buchner populär gemacht – so populär, dass sogar die Versicherungskammer Bayern darauf zurückgreift. Aber vielleicht beruht das Ganze ja auf einem Missverständnis. Denn in der Schwandorfer Oberpfalzhalle präsentiert Buchner in seinen Texten eine klare Botschaft. Auf der Bühne steht ein zorniger junger Mann von 77 Jahren, der mit dem Konsumwahn abrechnet, dem Flächenfraß („Industriegebiet“) oder der menschlichen Selbstüberschätzung („Kleiner Mensch“), die alles für machbar und erreichbar hält – ohne das Ende zu bedenken.

Bei all dem klingt viel Pessimismus durch, auch wenn Buchner in einem Lied verspricht: „Die Träume sind nicht tot“. Aber er besingt eben auch seine Suche nach einer „Insel ohne Traurigkeit und Hass“. Und: „Ich habe Sehnsucht nach der Stille und dem Schweigen.“ Daraus spricht nicht nur die Melancholie des Älterwerdens, sondern auch eine politische Haltung.

Smartphones statt Feuerzeug

Zum Schluss gibt es für beides, Musik und Politik, stehende Ovationen. Längst hält es das Publikum nicht mehr auf den Sitzen. Die Zuhörer schwenken begeistert ihre Smartphones – fast so wie vor 40 Jahren das Feuerzeug. Nach zweieinhalb Stunden und fünf, sechs Zugaben ist einer der Höhepunkte des Zelt- und Kulturfestivals in Schwandorf vorbei. Spielfreude und „eine ganz wunderbare, glückliche Stimmung“ hat Hans-Jürgen Buchnerin einem Interview vor seinem Auftrittangekündigt. Der Musiker hat nicht zu viel versprochen.