Rechtskolumne
Persönliche Nähebezieung entscheidet

Bei Eigenbedarfskündigung darf der Nutzungswunsch nicht rechtsmissbräuchlich sein. Formale Anforderungen sind zu beachten.

14.03.2022 | Stand 15.09.2023, 6:51 Uhr
Maria Köstlmeier
Das BGB bestimmt, wer „familienangehörig“ ist. Unproblematisch sind demnach beispielsweise Eltern, Kinder, Geschwister, Großeltern, Neffen und Nichten als familienangehörig anzusehen – nicht aber der Schwager oder das Stiefkind. −Foto: Markus Scholz nm/picture alliance / dpa-tmn mzred

Die Kündigung wegen Eigenbedarfs ist ein klassischer Fall in der rechtlichen Praxis. Aber wann liegt ein solch berechtigtes Kündigungsinteresse in Form von Eigenbedarf im Sinn des Paragraphen 573 II Nr. 2 BGB vor? Die gesetzliche Regelung verlangt, dass der Vermieter die Räume für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts als Wohnraum benötigt. Dies bringt nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) mit sich, dass auch bei Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (GbR) oder einfachen Vermietermehrheiten (Miteigentümer- oder Erbengemeinschaften) Eigenbedarf vorliegen kann, wohingegen dies Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) und juristischen Personen (zum Beispiel GmbH, AG) weiter verwehrt bleibt, informiert Rechtsanwältin Maria Köstlmeier.

Um nun zu bestimmen, wer „familienangehörig“ im Sinn des Paragraphen 573 II Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist, ist nach der Rechtsprechung auf die persönliche Nähebeziehung abzustellen. Unproblematisch sind beispielsweise Eltern, Kinder, Geschwister, Großeltern, Neffen und Nichten als familienangehörig anzusehen – nicht aber der Schwager oder das Stiefkind. Bei diesen oder weiter entfernter Verwandtschaft kann die enge persönliche oder soziale Nähebeziehung aber dennoch durch die jeweiligen Umstände des Einzelfalls begründet werden. Hierbei gilt, dass die individuelle Nähebeziehung desto enger sein muss, je weiter entfernt die Verwandt- oder Schwägerschaft ist. „Angehörige des Haushalts“ sind klassischerweise der im gemeinsamen Hausstand lebende Lebensgefährte, dessen (Pflege-)Kinder und Hilfspersonen.

Sodann stellt sich auch die Frage, was denn „benötigen“ meint. Unter Berücksichtigung der verfassungs-rechtlich verankerten Eigentumsgarantie des Art. 14 Grundgesetz (GG) ist der Eigennutzungswunsch des Vermieters stets beachtlich, wobei zu respektieren ist, welchen Wohnbedarf dieser selbst für angemessen hält. Grenzen werden von der Rechtsprechung nur dahingehend gesetzt, dass dieser Nutzungswunsch hinreichend bestimmt und konkret sein und ernsthaft verfolgt werden und von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen sein muss, und nicht rechtsmissbräuchlich sein darf. Dabei muss stets eine genaue Prüfung erfolgen, in welcher eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen ist und sämtliche Umstände des Einzelfalls konkret zu würdigen sind.

Nach aktueller Rechtsprechung kann beispielsweise im Einzelfall auch der Nutzungswunsch als Zweit- oder Ferienwohnung oder zur WG-Gründung des studierenden Sohnes mit einem langjährigen Freund in 100 Quadratmeter großer Wohnung ebenso wie persönliche Veränderungen (zum Beispiel Heirat, Kinderwunsch, Getrenntleben, Arbeitsplatzwechsel, Ruhestand oder der der Wunsch nach einem kleineren Wohnraum wegen geringerem Wohnbedarfs) Eigenbedarf begründen. Denkbar ist Eigenbedarf selbst dann, wenn er zeitlich (ggf. sogar unter einem Jahr) begrenzt ist. Wichtig ist aber, dass dieser erst nach Abschluss des Mietvertrages entstanden sein darf und zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung und noch bei Ablauf der Kündigungsfrist vorliegt. Sofern eine Kündigung wegen Eigenbedarfs bereits bei Abschluss des Mietvertrages erwogen wird, muss der Vermieter den Mieter hierüber bereits zu diesem Zeitpunkt aufklären und darf keine vorsätzlich unrichtigen Angaben auf Rückfragen des Mieters machen.

Wie stets sind bei der Kündigung wegen Eigenbedarfs zudem die formalen Anforderungen zu beachten. Neben den allgemeinen Formalien (insbesondere Schriftform, nachweisbarer Zugang, Angabe des Kündigungsgrundes und Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen, Hinweis auf das Wider-spruchsrecht des Mieters gem. Paragraphen 568 II BGB) sind bei der Eigenbedarfskündigung die Umstände, die zum Eigenbedarf führen, darzustellen. Jedenfalls sind die sogenannten Kerntatsachen zu nennen. Dabei genügt es nach der Rechtsprechung, den Namen der eigenbedarfsberechtigten Person (nicht nötig dessen Lebensgefährten, der den Wohnraum mitbewohnen soll), die Eigenschaft als Angehöriger und das Interesse (unter Umständen auch unter Schilderung der aktuellen Lebensumstände) anzugeben.

Insgesamt zeigt sich in der Rechtsprechung, dass diese die Möglichkeit der Eigenbedarfskündigung als Ausfluss der Eigentumsgarantie aus Artikel 14 Grundgesetz weit fasst, allerdings rechtsmissbräuchliches Vorschieben eines angeblichen Eigenbedarfs nicht toleriert. Auch hier lohnt sich einmal mehr eine genaue Einzelfallbetrachtung – sowohl auf Seiten des Mieters als auch des Vermieters.