Demo in Schwandorf
Schweigende Mehrheit meldet sich zu Wort

Die „Schwandorfer Erklärung“ verbreitet sich rasant. Bürger wollen gegen ultrarechte Einflüsse bei Corona-Demos vorgehen.

10.01.2022 | Stand 15.09.2023, 22:07 Uhr
Vertreter des „Schwandorfer Bündnissses gegen Rechtsextremismus“ stellten die Online-Petition vor (v. li.): Elisabeth Hirzinger, Franz Schindler, Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion, stellvertretende CSU-Ortsvorsitzende Sonja Dietl, der evangelische Pfarrer Arne Langbein, Dekan Hans Amman, 3. Bürgermeisterin Marion Juniec-Möller und Bündnissprecher Frank Möller. −Foto: Hubert Heinzl

Die Stadtgesellschaft nimmt Stellung gegen die von der AfD angemeldeten Corona-Demos auf dem Marktplatz. Die „Schwandorfer Erklärung“, die das Bündnis gegen Rechtsextremismus am Freitagvormittag online stellte, wurde bis Montag schon über 3400 Mal unterschrieben. Geplant ist auch, Unterschriftenlisten in einzelnen Geschäften in der Schwandorfer Innenstadt auszulegen.

Das Schwandorfer Bündnis gegen Rechtsextremismus versteht sich als überparteilich und interkonfessionell und wendet sich gegen alle Formen von Rechtsextremismus in und um die Stadt. Dem Zusammenschluss gehören Vertreter demokratischer Parteien von der CSU bis zur Linken an, aber auch engagierte Einzelpersonen und die beiden großen Kirchen. Verbreitet wurde die„Schwandorfer Erklärung“als „Aufruf zu Demokratie und Zusammenhalt“ über die Internet-Plattform „change.org“.

Freiheit findet ihre Grenze in der Solidarität

In der „Schwandorfer Erklärung“ bringen die Initiatoren ihre „wachsende Sorge“ über die wöchentlich von AfD-Funktionären angemeldeten Demonstrationen gegen staatliche Corona-Maßnahmen auf dem Schwandorfer Marktplatz zum Ausdruck. Man habe Verständnis für Protestaktionen, jeder dürfe seine Meinung äußern und müsse gehört werden, heißt es in dem Papier. Das Recht auf individuelle Freiheit finde aber „seine Grenze an der Notwendigkeit des Schutzes der Mitbürgerinnen und Mitbürger, besonders der verwundbaren alten, kranken und pflegebedürftigen“. Kritisch sieht das Aktionsbündnis, dass viele Demonstranten am Marktplatz die angeordneten Schutzregeln gegen die Pandemie missachteten „und einige sogar zum Widerstand aufrufen“. Man erwarte von den Behörden, dass sie die auf gesetzlicher Grundlage beschlossenen Regeln auch durchsetzen.

Online-Unterschrift: Homepage: Bündnis gegen Rechtsextremismus:
Wer die Petition unterschreiben will, kann dies auf www.change.org/schwandorfer_erklaerung tun.Auf der Homepage www-schwandorfer-erklaerung.de findet sich nicht nur der Text, sondern auch eine Liste der Erstunterzeichner der Online-Petition.Das „Schwandorfer Bündnis gegen Rechtsextremismus“ versteht sich nach eigenen Angaben als „überparteiliches und interreligiöses Netzwerk aus Kirchen, Parteien, Vereinen, Organisationen und Einzelpersonen in der Stadt Schwandorf, die Rechtsextremismus in allen Lebensbereichen entgegentreten“.

Besorgt sei man „um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und um die Solidarität zwischen Jungen und Alten, zwischen Gesunden und Kranken“, wenn bei Kundgebungen und Demonstrationen auch in Schwandorf von Verschwörungserzählern und Demokratiefeinden Tatsachen und Fakten verdreht und bewusst missachtet würden und wenn„alte und neue Nazis“versuchten, den Protest für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. „Wir möchten nicht, dass unsere Stadt ein Sammelpunkt von Corona-Leugnern, Verschwörungserzählern, Demokratiefeinden und Neonazis wird“, heißt es abschließend.

Vertreter des Bündnisses gegen Rechtsextremismus erläuterten bei einer Pressekonferenz am Samstag die Zielsetzung der Initiative. Die Online-Petition sei ausdrücklich nicht gegen die Demonstrationsfreiheit gerichtet, hob Bündnissprecher Frank Möller hervor. „Aber wenn sich die Teilnehmer vollkommen kritiklosunter dem Schirm der AfDversammeln, dann kann das nicht einfach hingenommen werden“, sagte er. Selbst an einem Umzug durch die Innenstadt, dessen Organisatoren der Nordoberpfälzer Naziszene nahe stünden, hätten sich noch Hunderte beteiligt. Die Schwandorfer Erklärung dagegen wolle „der schweigenden Mehrheit, die sich an die Maßnahmen hält, eine Stimme geben“. Angesprochen sind nach den Worten von 3. Bürgermeisterin Marion Juniec-Möller (Grüne) nicht nur die Schwandorfer, sondern alle Landkreisbürger.

Bündnis will „Kampf um die Köpfe“ aufnehmen

Für Franz Schindler, den SPD-Fraktionsvorsitzenden im Schwandorfer Stadtrat und ehemaligen Landtagsabgeordneten, ist die „Schwandorfer Erklärung“ ein Versuch, den „Kampf um die Köpfe“ aufzunehmen. „Wir wollen in die Köpfe der Menschen reinbringen, dass es um Grundwerte geht. Einer dieser Grundwerte ist Solidarität mit den Schwachen. Der Appell, sich impfen zu lassen, ist Ausdruck von Solidarität und Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Ganzen“, sagte er. Die stellvertretende CSU-Ortsvorsitzende Sonja Dietl erklärte, dass ihre Partei die Aktion „vollumfänglich und ohne Ausnahme“ unterstütze, „im Sinne der Demokratie und des Ansehens der Stadt“.

Auch Dekan Hans Amann beschwor den Wert der Solidarität oder, wie er es ausdrückte, „Nächstenliebe“. Der Schutz des Nächsten durch die Impfung sei möglich. „Ich ermutige alle dazu, ohne ihnen etwas vorzuschreiben“, sagte er. Die Demonstranten sollten „genau hinsehen, mit wem sie laufen“. Amtskollege Arne Langbein von der evangelisch-lutherischen Kirche zeigte sich „sprachlos“ angesichts der Corona-Demos. Die Äußerungen der AfD hätten „keine Substanz“.

Landrat, OB und Abgeordnete haben unterschrieben

Zu den Erstunterzeichnern der „Schwandorfer Erklärung“ gehören nicht nur Mitglieder des Bündnisses, sondern auch bekannte Kommunalpolitiker – unter anderem Landrat Thomas Ebeling,OB Andreas Feller(beide CSU), die drei Bundestagsabgeordneten aus der Region, die beiden Altlandräte Hans Schuierer und Volker Liedtke (beide SPD), Schwandorfs Alt-OB Helmut Hey (SPD), Dr. Martin Baumann, der Geschäftsführer des Krankenhauses St. Barbara, und die beiden Vorsitzenden des Schwandorfer Stadtmarketings.