Gesundheit
Sitz der Chirurgie bleibt in Neunburg

Der Zulassungsausschuss hat entschieden: Die Stadt behält den Arztsitz. Ein MVZ kommt aber vorerst nicht.

27.11.2019 | Stand 16.09.2023, 5:11 Uhr
Roland Thäder
Noch im Laufe des Jahres 2020 könnte hier Bayerns erstes Medizinisches Versorgungszentrum in kommunaler Hand entstehen. −Foto: Roland Thäder

Bürgermeister Martin Birner ist überglücklich. Als die Mittelbayerische ihn am späten Mittwochnachmittag am Handy erreicht, hat er gerade die Nachricht erhalten, auf die er und sein Team im Rathaus fieberhaft hingearbeitet hatten. Der sogenannte Zulassungsausschuss Ärzte/Psychotherapeuten Oberpfalz hat zugunsten der Stadt entschieden: Neunburg behält den chirurgischen Arztsitz. Allerdings beginnt jetzt noch eine vierwöchige Widerspruchsfrist gegen die Entscheidung des Ausschusses.

Stadt ging mit drei Bewerbungen ins Rennen

Öffentlich hatte Birner immer nur von einemMedizinischen Versorgungszentrum (MVZ) gesprochen, das die Stadt selbst im ehemaligen Krankenhaus aufbauen würdeund das den Facharztsitz von Dr. Heinz Graf, der Ende des Jahres in den Ruhestand geht, gerne übernommen hätte. Hinter den Rathauskulissen waren aber auch zwei weitere Strategien ausgearbeitet worden: Auch Dr. Richard Wagner, CSU-Stadtrat und Neunburgs Internist, hätte bei einer Zusage den Chirurgie-Sitz gekauft und einen Chirurgen bei sich angestellt. Am Ende entschied sich der Zulassungsausschuss allerdings für die dritte Bewerbung: Walter Heigenhauser, Notarzt und Facharzt für Chirurgie und zuletzt am MVZ in Furth im Wald tätig, übernimmt den Arztsitz zum 1. Januar, sofern niemand Rechtsmittel einlegt und diese nicht Erfolg haben.

Die Konkurrenz aus Schwandorf

Birner zufolge war der Stadt von vornherein klar gewesen, dass eine sogenannte Einzelarztbewerbung erfolgsversprechender wäre als die des noch zu gründenden MVZs. Allein mit der MVZ-Bewerbung hätte er nicht an den Start gehen wollen. Denn schon früh war bekannt geworden, dass auch eine Schwandorfer Chirurgin eine Einzelarztbewerbung einreichen würde. Die Frau hatte MZ-Informationen zufolge bereits intensive Gespräche mit Dr. Heinz Graf geführt. Der Facharztsitz wäre in deren Erfolgsfall nach Schwandorf verlegt worden. Doch das kommt jetzt anders.

Heigenhauser weiß: Er tritt ein schweres Erbe an

Heigenhauser ist Allgemeinchirurg, hat als solcher aber auch etliche Jahre am Klinikum in Deggendorf in der Unfallchirurgie gearbeitet, unter anderem im OP. Die Region Neunburg kennt der 54-Jährige gut. Mit seiner Frau Daniela hat der gebürtige Regensburger in deren Heimatdorf in Oberlangau bei Oberviechtach ein Haus gebaut. Als Notarzt ist er im Raum Nabburg und Oberviechtach im Einsatz. Auch Teile der Neunburger BRK-Bereitschaft kennt er schon. „Mich freut es sehr, dass ich den Zuschlag bekommen habe“, sagt Heigenhauser der Mittelbayerischen.

„Niemand wird abgewiesen. Die Erstversorgung übernehme ich.“Walter Heigenhauser

Allerdings trete er ein „schweres Erbe an“. Dr. Heinz Graf habe einen „sehr guten Ruf“. Lediglich die Qualifikation des sogenannten Durchgangsarzts (D-Arzt), den die Träger von Berufsgenossenschaften, Unfallkassen und Gemeindeunfallversicherungsverbänden für die Behandlung von Betriebs- und Schulunfällen fordern, hat Heigenhauser nicht. Sorgen müsse sich deshalb aber kein Patient machen. „Niemand wird abgewiesen. Die Erstversorgung übernehme ich“, sagt er.

MVZ-Gründung ist das nächste Ziel

Dr. Richard Wagner erklärt gegenüber der Mittelbayerischen: „Für Neunburg ist das heute ein wichtiger Tag.“ Auf den chirurgischen Facharztsitz, der nun wohl gehalten werden kann, könne die Stadt aufbauen. „Erst einmal beugen wir uns aber dem Entschluss der Kassenärztlichen Vereinigung“, so Wagner. Ein MVZ in Neunburg werde aber folgen. Dies sei „die nachhaltigste Lösung“, um die medizinische Versorgung in der Stadt aufrecht zu erhalten. Schon im Laufe des Jahres 2020 könnte dieser Schritt gegangen werden. Der Facharztsitz von Walter Heigenhauser und der von Dr. Richard Wagner sollen dann unter diesem neuen Dach gefürt werden.

Dr. Wagner, seit kurzem 60 Jahre alt, wehrt sich unterdessen gegen Gerüchte, dass er demnächst aufhören wolle. Im Gegenteil: „Wenn man eine Praxis in ein MVZ einbringt, verpflichtet man sich, noch drei Jahre weiterzuarbeiten.“ Dies sei gesetzlich vorgeschrieben.

Freude in der Bevölkerung

In Neunburg löste die Nachricht, dass die Stadt ihren Chirurgensitz behält, Euphorie aus.Patrick Wolf, neuer BRK-Bereitschaftsleiter,sagt, die Entscheidung sei gut für die gesamte Bevölkerung. Auch sein VorgängerMaximilian Langist erleichtert: „Wir können Arbeitsunfälle, die sich ambulant behandeln lassen, nun weiterhin zu einem Neunburger Chirurgen fahren.“ Auch bei Pflegepatienten, die beispielsweise eine Röntgenuntersuchung benötigen, wäre die Fahrt in eine entfernte Klinik aufwendiger gewesen. „Der Verlust des chirurgischen Arztsitzes wäre schon ein großer Einschnitt gewesen“, sagt Lang.

Mariele Klonner-Pirzl, die einst mit für eine Zukunft für das Neunburger Krankenhauses gekämpft hatte, quittiert die Nachricht vom Erhalt des Arztsitzes mit einem „wunderbar“: „Das ist eine große Sache. Da ist Herr Birner aber sehr, sehr tüchtig gewesen.“

Gründung: Schließung: Belegung:
Die Stadt Neunburg erhielt 1905 ein neues Krankenhaus. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es mehrfach erweitert und modernisiert, zuletzt um die Jahrtausendwende.Am 24. November 2003 beschloss der Kreistag die Herausnahme des Kreiskrankenhauses Neunburg aus der stationären Versorgung. Ein halbes Jahr später, am 30. April 2004, ging die hundertjährige Krankenhaus-Tradition zu Ende.Heute beherbergt das frühere Krankenhausgebäude zwei Facharztpraxen, eine Praxis für Kinder- und Jugend-Psychotherapie, ein Physiotherapiezentrum und die Pflegeeinrichtung Refugium.

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