Wackersdorf
Ukraine-Hilfe: Kirche wird zum Lager

Im Landkreis Schwandorf wollen viele Bürger Ukrainer in Not unterstützen. Am Freitag startet ein Konvoi in Wackersdorf.

28.02.2022 | Stand 15.09.2023, 21:01 Uhr
Die Pfarrkirche St. Stephanus in Wackersdorf sammelt Spenden und Hilfsgüter für Geflüchtete aus der Ukraine. Mira Schwägerl, Claudia Wagner und Pfarrer Christoph Melzl (v.l.) organisieren die Aktion. −Foto: Isabel Pogner

Russlands Präsident Wladimir Putin führt Krieg gegen die Ukraine, viele Menschen fliehen. Laut UN sind es Dienstagmittag bereits 500.000 Geflüchtete. Viele Menschen im Landkreis Schwandorf wollen helfen: Sie sammeln Spenden, stellen Wohnraum zur Verfügung oder bieten sich als Fahrer für Hilfskonvois an. In Wackersdorf zieht der ganze Ort an einem Strang.

In der St.-Stephanus-Kirche in Wackersdorf türmen sich Kisten mit Decken und Babynahrung. Im Minutentakt betreten Spender die Kirche und stapeln Kartons und vollgepackte Tüten zwischen den Kirchenbänken. In der Mitte stehen Mira Schwägerl, Mesnerin Claudia Wagner und Pfarrer Christoph Melzl. Sie koordinieren die Aktion.

Wackersdorfer Engel für die Ukraine

Der Hilfstrupp hat Erfahrung mit Spendensammlungen. Unter dem Titel „Der Engel mit der leeren Laterne“ organisieren die drei in der Adventszeit regelmäßig Spendenaktionen. „Am Freitag habe ich zu Claudia gesagt: Der Engel muss wieder raus“, sagt Schwägerl. Am selben Abend ging es los: Das Team verbreitete die Sammelaktion über soziale Medien und die Homepage der Pfarrei. „Dann ging alles wahnsinnig schnell“, erzählt Pfarrer Melzl.

Samstagmorgen war der Tisch, der für Spenden bereit steht, unter Tüten und Kartons schon nicht mehr zu sehen. „Und wir gehen davon aus, dass es bis Freitag nochmal genau so viel wird, wie bislang“, sagt Wagner. Melzl ergänzt: „Gott sei Dank ist die Kirche so groß.“

Spenden kommen aus ganz Deutschland

Die Spenden stammen, entgegen aller Erwartungen, nicht bloß aus dem Wackersdorfer Gebiet. Längst gehe die Hilfe über die Grenzen der Oberpfalz hinaus. „Wir hatten Menschen, die aus Ingolstadt hergefahren sind“, sagt der Pfarrer. Auch aus Berlin seien inzwischen Hilfsgüter gekommen. Wagner sagt: „Es spenden Familien, Vereine, Rettungskräfte, Ärzte, der Drogeriemarkt dm hat etwas gespendet und auch die Tierheime unterstützen mit Futter.“

Was wird benötigt?:Wo:
Hygieneartikel aller Art für Kinder, Babys und Erwachsene; Windeln; Baby- und Kindernahrung; Babyfläschchen, Sauger und Schnuller; Warme Baby- und Kinderkleidung sowie Schuhe; Kleidung und Wäsche für Erwachsene; Warme Decken; Schokolade und Kekse; Haltbare Lebensmittel wie Konservendosen; Tiernahrung für Hunde und Katzen.Abgegeben werden können die Spenden bis Freitag, 4. März, in der Pfarrkirche St. Stephanus in Wackersdorf.

Am Freitag ist Deadline. Dann wollen Schwägerl und Wagner die Güter in Lkw packen und in die Slowakei fahren. Genauer gesagt nach Vysne Nemecke, einem kleinen Ort direkt an der Grenze zur Ukraine. „Dort sind wir mit der Kirche in Verbindung, die helfen bei der Organisation“, sagt Mira Schwägerl. Sie und Claudia Wagner begleiten den Konvoi und kümmern sich persönlich um die Verteilung der Güter.

Wackersdorf zeigt sich solidarisch: in Gesten und Taten

In Wackersdorf ist die Solidarität nicht nur spürbar, sondern auch sichtbar. Seit Sonntag leuchtet das Rathaus in den Farben Gelb und Blau. „Das ist natürlich jetzt noch keine Hilfe an sich. Wir möchten aber trotzdem signalisieren, dass wir mit unseren Gedanken bei den Menschen im Kriegsgebiet sind“, sagt Bürgermeister Thomas Falter.

Er möchte auch beim Transport helfen: „Wir planen, diese tolle Aktion finanziell zu unterstützen. Außerdem bin ich mit Firmen in Kontakt und frage wegen möglicher verfügbarer Lkw nach.“ Einige Fahrzeuge und sieben Fahrer stehen dem Team bereits zur Verfügung. Doch der Spendenstrom reißt nicht ab, vermutlich braucht das Team noch mehr.

Einzelne Helfer aus dem Landkreis

Viktor Rudnikovhat sich direkt als Fahrer angeboten. Der Schwandorfer ist Notarzt und hat sich zwei Monate unbezahlt Urlaub genommen, um zu helfen. Denn „wir können nicht nichts tun“. Falls er und Schwester Oleksandra nicht im Rahmen einer Hilfsaktion aktiv werden können, wollen die Geschwister auf eigene Faust mit ihren zwei Autos Hilfsgüter in die Ukraine und Geflüchtete zurück nach Deutschland bringen.

Auch Natascha Kodisch aus Schwarzenfeld bietet Hilfe an. Die Bilder der leidenden Familien hätten Kodisch sehr mitgenommen. Deshalb will sie nun geflüchtete Familien bei sich zu Hause aufnehmen, „um ihnen etwas Geborgenheit und seelische Unterstützung zu geben“. Noch steht sie mit keiner ukrainischen Familie in Kontakt, doch Kodisch bietet ihre Hilfe in den Sozialen Medien an.

Humanitäre Katastrophe im ukrainischen Grenzgebiet

Auch die Wackersdorfer Spender nehmen ihre Mission ernst. Kaputtes komme in der Kirche nicht an, die meisten Dinge sind originalverpackt. Pfarrer Melzl erzählt: „Ein betagtes Ehepaar kam mit einer riesigen Ladung Windeln und Hygieneartikel. Sie meinten, sie konnten selbst keine Kinder bekommen, aber wollen anderen Kindern helfen. Der Frau ging das alles so nahe, dass sie geweint hat.“

Solche Bilder bewegen den Pfarrer. „Die Leute sind voller Mitgefühl und Hilfsbereitschaft“, sagt er, „das ist aktive Nächstenliebe.“ Und auch durch die Predigt will er ein Zeichen setzen. Seine Überlegung: Er wolle den Gottesdienst am Aschermittwoch in der vollgestellten Kirche halten. „Zum Beginn der Fastenzeit sollte jeder den Blick über sich selbst hinaus auf andere richten. Die Solidarität der Gemeinde hier zu sehen ist doch ein schönes Zeichen.“