Eigentlich ist es in Dietldorf traditioneller Brauch, sich zum Jahresende im Pankratiushaus zu treffen und dort in enger dörflicher Gemeinschaft das Jahr ausklingen zu lassen. Mit zunehmender Intensität des Pandemiegeschehens musste aber irgendwann die Reißleine gezogen werden, um am Ende nicht als Coronahotspot zu traurigem Ruhm zu gelangen.
Lange haben die Menschen im Ort überlegt, wie man dennoch auf ungefährliche Art und Weise die Gemeinsamkeit pflegen könnte. Es war letztlich der musikalische Leiter der Blaskapelle Dietldorf, Volker Schmidt, der die zündende Idee hatte: Er schlug einen abendlichen Spaziergang durch das beschauliche, weihnachtlich geschmückte Dorf vor – und gleichzeitig sollten die Menschen eine Weihnachtsserenade genießen können, präsentiert durch die Dietldorfer Blaskapelle. Strategisch geschickt platziert, stellte sich die Kapelle auf dem hoch über dem Dorf liegenden Vorplatz der Pfarrkirche St. Pankratius auf und war somit tatsächlich im gesamten Ort hörbar. Selbst auf der gegenüberliegenden Vilsseite kamen die Töne noch an.
Die Bevölkerung nahm das einzigartige Ambiente ganz unterschiedlich auf. Die einen drängten zum Quellpunkt der Musik, andere verharrten in einer gewissen Melancholie in den engen Dorfgassen und andere nutzten die Abendstunde zu einem kleinen Nachbarschaftspläuschchen. Besonders bemerkenswert war die Ruhe im Ort: Kein Auto war zu hören, nur Musik.
Nach den einzelnen Liedern erschallte aus jeder Ecke irgendwoher Applaus, aber kaum jemand war dabei zu sehen. Danach folgte wieder Stille. Diese vorher noch nie gekannten einstündigen Gefühlswallungen ließen keinen Zuhörer kalt. Die eigentlich aus der Not heraus entstandene Weihnachtsserenade schreit nach Wiederholung.
