Kirche
Ein kreativer und kritischer Ordensmann

Priester Leo Feichtmeier sei seiner Zeit voraus, sagt Albert Faltermeier vom Pfarrgemeinderat. Ihm hörten die Menschen zu.

01.09.2018 | Stand 16.09.2023, 6:03 Uhr
Renate Ahrens

Leo Feichtmeiers Predigten sind kritisch und spannend. Foto: Ahrens

Oberstudienrat a. D. Leo Feichtmeier wurde am 28. Juli 85 Jahre alt. Bekannt und beliebt wurde „der WAA-Pfarrer“ unter anderem durch seinen guten Draht zur Jugend. „Viel mehr Mitspracherecht der Basis“ fordert er in der Kirche. Dazu müssten auch Frauen „aufgewertet“ werden. So spannend wie seine Predigten ist der Blick in seine Lebensgeschichte.

Wann und wie wurde in Ihnen der Wunsch geweckt, Priester zu werden?

Ein Schulfreund gab mir den eigentlichen Impuls. Er hatte zu Hause einen kleinen Altar. Meine zwei Brüder wurden auch Priester. Mit zwölf Jahren, am Tag des Luftangriffs 1945, kam ich ins Priesterseminar Regensburg. Meine Mutter war allerdings keine Frömmlerin, sie war kirchenkritisch.

Sie gelten ebenfalls als kritisch. Was gab den Ausschlag?

Meine Erziehung und meine Ausbildung bei den Jesuiten. Ich kam viel herum. Nie vergesse ich den konservativ wirkenden Erzbischof von Papua-Neuguinea, wo ich zweimal war. Er unterschied zwischen den Kirchen von Europa, Rom und der von Jesus Christus. Er war ein Häuptlingssohn, der während der Bischofskonferenz abends die Arbeiter der Plantage zum Tanz aufgefordert und getrommelt hat. Er hat wohl die Engstirnigkeit der Missionare erlebt. Diese Impulse bekommt man nicht, wenn man dauernd daheim sitzt.

Wollten Sie denn nie eine Pfarrerstelle übernehmen?

Es wäre schon interessant gewesen. Im Nachhinein bin ich fast froh, denn in der Schule hatte ich mehr Einfluss auf junge Menschen. Ich versuchte, den Unterricht lebendig zu gestalten, und habe zum Beispiel Dias von Israel gezeigt.

Was würden Sie in der Kirche gerne ändern?

Die Kirche müsste zum Beispiel anders mit dem Priestermangel umgehen.

Papst Franziskus zeigte sich erst kürzlich darüber besorgt. Italiens Kirche müsse kreativer sein, um das Problem zu lösen, sagte er. Wie würden Sie es angehen?

Man müsste auf die Vorschläge maßgeblicher Theologen eingehen und bewährte verheiratete Männer weihen und auch Männer ohne Abitur zur Priesterweihe zulassen. Heuer sind für die Diözese fast nur Inder geweiht worden.

Wie ist Ihre Haltung zum Zölibat?

Man sollte jedem diese Entscheidung freistellen. Denn der derzeitige Zustand ist unhaltbar. Die Bischöfe machen sich zum Teil Illusionen, wenn sie eine Pfarrei besuchen. Sie werden hofiert und die Schwierigkeiten sehen sie nur von der Ferne.

Ein Problem ist sicher der Rückgang der Gottesdienstbesucher. Das sehen doch auch die Bischöfe?

Ja, aber sie haben sich damit mehr oder weniger abgefunden. Wahrscheinlich wird das erst akut, wenn die Kirchensteuer zurückgeht. Pekunia nervus rerum – das Geld ist der Nerv aller Dinge. Leider Gottes. Ich hatte meine Schwierigkeiten mit dem damaligen Bischof Müller. Er wollte kritische Gruppierungen ausschalten. Ich wurde dreimal zu ihm zitiert.

Welche Gruppierungen?

Zum Beispiel bin ich im Aktionskreis Regensburg oder „Wir sind Kirche“ und andere. Wir laden zudem Redner ein, etwa Kirchenrechtler. Wichtig sind Vernetzungen von Leuten, die wollen, dass die Reformen weitergehen. Sonst dümpelt die Kirche weiter vor sich hin.

Wie meinen Sie das?

Die Kirche versucht, Probleme zu verdrängen, indem sie Pfarreien zusammenlegt. Pfarreien müssen erhalten bleiben, und sie müssen selbst für sich sorgen. Das heißt: Wir müssen zur Mündigkeit erziehen – auch in der Demokratie bräuchte man mehr mündige Bürger.

Papst Franziskus rüttelt bereits an den Dogmen der katholischen Kirche. Was würden Sie im Gottesdienst ändern?

Sie müssen lebendiger werden und mehr für die Jugend bieten. Wir sind eine langsam dahinsiechende Kirche mit vielen älteren Leuten. Durch die Missbrauchsfälle steht die Kirche in einem schlechten Licht, obwohl es diese woanders auch gibt. Aber dass es soweit gekommen ist, zeigt, dass die Kirche ein Feudalsystem ist. Hier schluckt man vieles und fügt sich.

Sie haben sich nie gefügt - auch nicht zur Zeit der WAA.

Das Geschehen um Wackersdorf war Demokratie von unten - im Grunde auch der Kampf um Demokratie. Viele Menschen haben sich hier sehr mündig gezeigt. Ich habe vor allem die Andachten gehalten, aber auch demonstriert. Ich bekam zwei Disziplinarverfahren.

In der Kirche wünschen Sie sich mehr Transparenz?

Ja, man zeigt in der Kirche nur heile Welt. Wenn die Menschen mündig reagieren sollen, muss man sie auch informieren, was schief läuft in der Kirche. Bischöfe sollten von der Basis gewählt werden.

Sollen Frauen Priester werden?

Ja. Viele, die von Rom abhängig sind, trauen sich allerdings nicht, dazu etwas zu sagen. Das wird kommen, aber vielleicht muss es der Kirche zunächst noch schlechter gehen. Unter dem derzeitigen Papst wird sich viel ändern.

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