Kultur
Schüler denken sich eigenes Stück aus

Für die Aufführung der Theatergruppe des JAS-Gymnasiums aus Nabburg gibt es kein Drehbuch. Trotzdem war sie ein Erfolg.

24.02.2018 | Stand 16.09.2023, 6:06 Uhr
Julia Weidner

Die Theatergruppe stellte die Wiedervereinigung sehr überspitzt dar. Foto: Weidner

Das deutsche Sommermärchen, die Protestbewegung gegen die WAA und die aktuelle Regierungsbildung: 50 Jahre deutsche Geschichte packte die Theatergruppe des Johann-Andreas-Schmeller Gymnasiums in 50 Minuten. In der Eigenproduktion des Oberstufentheaters namens „Heimat“ wurden politische und gesellschaftliche Themen der letzten fünf Jahrzehnte überspitzt und kritisch, nicht aber moralisierend dargestellt.

Seit September feilten die 23 Schüler an ihrem Stück. „Der Titel Heimat zeigt, dass jede Szene einen Bezug zum Landkreis Schwandorf, zur Oberpfalz, zu Bayern oder zu Deutschland hat“, erklärt Lehrerin und Regisseurin Maresa Hottner. Sie habe oft eine Vorauswahl an Texten getroffen, die die Schüler dann weiterverarbeitet haben. Wie sie die Szenen umsetzten, durften die Oberstufenschüler selbst in Gruppen entscheiden. Schulleiter Christian Schwab lobte die Gruppe anfangs als mutig und experimentierfreudig. „Das Stück ist auch mit Risiko verbunden, denn die Schüler können bei keinen Vorbildern spicken“, sagte Schwab.

Das Stück springt in der Zeit

Mit einer Hommage an die Heimat begann das Theaterstück. Musikant Tobias Gschrey spielte mit seiner Quetschen den Einmarsch für die Schüler, die danach den Oberpfälzer in all seinen Einzelheiten beschrieben: In jungen Jahren stark und hochgewachsen, später untersetzt und grantig.

In der nächsten Szene probte ein Chor den WM-Song „Schland o Schland“. Dabei stand weniger die Freude am Fußball im Vordergrund, als die typisch deutschen Tugenden Disziplin und Pünktlichkeit.

Dann wurde in der Zeit zurück gesprungen: Drei Schülerinnen erzählten Erlebnisse von Bekannten oder Verwandten nach, die in die Proteste gegen die WAA verwickelt waren. Dazwischen wurden passende Szenen aus Nachrichtensendungen eingespielt. Die zuvor heitere Stimmung im Publikum wich dabei der Betroffenheit.

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Noch ernster wurde es in der nächsten Szene: In einem Sprechtheater beschimpften die Schüler das Publikum. Zwar warnten sie die Zuschauer vor, trotzdem wusste kaum jemand, wie einem geschah. Zuerst griffen die Schüler das Publikum mit veralteten Schimpfwörtern, dann mit moderneren Verunglimpfungen an. Ganz aktuell Bezug nahmen die Schauspieler, als sie AfD-Wähler im Publikum aufforderten, den Saal zu verlassen. Danach wieder ein Zeitsprung, diesmal in die 90er Jahre: Wiedervereinigung. Auf ironische Weise spielten die Schüler unbedarfte „Ossis“ nach, die in den aufgeklärten, reichen Westen kamen und sich kaum mehr zurecht fanden.

Nächster Sprung, noch einmal fast 20 Jahre zurück: RAF. In dieser Szene erzählten zwei Schülerinnen die Zeit nach, in der die Rote Armee Fraktion auf dem Höhepunkt war. Zusätzlich lief eine Dokumentation ab, die die zuvor heitere Stimmung schlagartig verdunkelte.

Zirkus mit Union und SPD

Die Schlussszene spielte in der Gegenwart. In einem Zirkus wurde das Hin und Her der Regierungsbildung seit vergangenem Herbst dargestellt. Die Seiltänzerinnen von Union und SPD wurden durch brisante Themen wie innere Sicherheit und Obergrenze ins Wackeln gebracht. Zum Finale trat ein Clown mit drei Gesichtern auf: In Form von Christian Lindner, Martin Schulz und Alexander Dobrindt.

Am Ende wurde die Theatergruppe für ihr Risiko belohnt. Mit viel Applaus zollte das Publikum den Schülern Respekt, sie alle überzeugten mit ihren schauspielerischen Leistungen. Den Anstoß zum Nachdenken gaben sie mit nach Hause, das sei auch das Ziel gewesen, sagte Maresa Hottner.

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