Tiere
Die Pferdeflüsterin von Neunburg

Auf dem Hammerhof fühlen sich 15 zottige Zwerge pudelwohl. Bianca Kuhbandner trainiert die schlauen Shettys mit viel Geduld.

07.09.2017 | Stand 16.09.2023, 6:25 Uhr
Marion Lanzl

Starlight Boy setzt sich zu Bianca Kuhbandner auf den Reifenschlauch – obwohl die instabile Sitzgelegenheit eigentlich nicht sein Fall ist. Foto: Lanzl

Neugierig kommen sie an die Boxen-Tür. Ein strubbeliger Kopf nach dem anderen begrüßt den Besucher, wenn man in den Stall der Kuhbandners am Hammerhof kommt. Alle Pferde sind kurz geschoren, sozusagen ihre Sommerfrisur. Das Fell ist im Sommer kein dicker Pelzmantel, sondern mehr wie ein samtiger Teppich. Man möchte sie sofort mit nach Hause nehmen, allerdings: „In Haltung und Pflege verlangen die Kleinen genau so viel wie ihre großen Verwandten“, erklärt Thomas Kuhbandner.

Das erste Pony kam im Winter 2001 auf den Hammerhof, heute haben 15 der zottigen Zwerge auf dem idyllischen Hof ihren Platz gefunden. Bianca, die Tochter des Hauses, versteht es, die Temperamentsbündel zu führen. Die 15-Jährige ist mit den Mini-Pferden aufgewachsen, die ihr Vater züchtet. Auf Veranstaltungen macht er im Elfspänner am Jagdwagen klassische Fahrten mit der Kutsche.

Täglich trainiert Bianca bis zu vier Stunden mit den schlauen Pferdchen. Ihr Vorbild ist Kenzie Dysli, die Lusitano Hengst Atila, den Star der Kino-Trilogie „Ostwind“, trainierte. Kenzie plädiert für die Freiheitsdressur. In diesem Sinne lehrt auch Bianca ihre Mini-Shettys Figuren und Kommandos.

Wie ein unsichtbares Band

Freiheitsdressur ist eine Frage der richtigen Sprache. Man braucht Geduld und Einfühlungsvermögen, dann hören die Pferde auf das, was man ihnen sagt. Wenn man den richtigen Ton trifft – wie Bianca. Die Kommunikation findet ausschließlich über Körpersprache statt. Die Gerte ist zarte Verlängerung von Arm und Stimme. Bianca beobachtet das Verhalten der Tiere untereinander: Was macht die Stute, um ihr Fohlen auf sich aufmerksam zu machen, wenn etwa Gefahr droht? Sie tippt ihr Fohlen mit dem Schweif an und geht los; genau dasselbe Verhalten wendet auch die Freiheitsdressur an. Wenn Bianca das Pony kurz mit der Gerte berührt, hat das dunkelblonde Mädchen seine Aufmerksamkeit und das Pferdchen folgt ihm ganz instinktiv, fast als wären sie verbunden durch ein unsichtbares Band. Bianca hat diesen Dialog von klein auf studiert und spricht die Pferde-Sprache fließend.

„Das Pferd zeigt genau, ob es etwas machen will, ob es ängstlich ist oder noch Überzeugung braucht“, weiß die junge Trainerin. Doch die kuscheligen Ponys sind bei Bianca schnell bei der Sache. „Sie wissen genau, dass sie sich auf mich verlassen können und ich nie etwas verlangen würde, was sie in Gefahr bringt“, erklärt sie überzeugend. Wie zur Bestätigung setzt sich Starlight Star bei ihren Worten auf einen Bulldog-Reifenschlauch. Eine wackelige Sache, vor der Pferde sonst eher zurückschrecken. Aber auf Biancas Bitte hin nimmt der braune Wallach anstandslos neben ihr Platz.

Die Ponys sind gern beschäftigt

Die Shettys tanzen nicht nach Biancas Pfeife, sie lauschen aber auf jedes Wort ihrer Chefin. Die Kleinen verstehen schnell. Ein neuer Trick, eine neue Einlage – dazu brauchen die schlauen Pferdchen gerade mal zwei Wochen. Natürlich muss Bianca in dieser Zeit intensiv mit den zottigen Vierbeinern trainieren. Aber das ist keine harte Arbeit, weder für den Teenager, noch für die aufgeweckten Miniponys. Im Gegenteil, die Tiere freuen sich offensichtlich über Beschäftigung. Allerdings: Die kleinen Hengste wollen schon gerne zeigen, wer der Herr ist.

Neugierig beäugt Impossible, ein grau gefleckter vierjähriger Appalooser, die Kamera. Er ist der Halbstarke des Dressur-Trios und kaum zu bremsen. Rocky dagegen ist mit seinen 16 Jahren der ruhende Pol und der neunjährige Starlight Boy würde für Bianca „einfach alles tun“, wie die Trainerin sagt. Sie hatte ihn als Fohlen bekommen. Nur ein kleiner Wink mit der Gerte und der braune Wallach stellt sich elegant auf die Hinterbeine, ohne Druck und ohne Drill.

Auf der Koppel sind die kleinen Hengste Rivalen, aber wenn sie im Training stehen oder eine Vorführung haben, sind die kleinen Energiebündel perfekte Kollegen und bieten eine tolle Show. „Sie genießen es total, wenn sie dann gelobt und manchmal auch mit Leckerlis belohnt werden. Sie verstehen inzwischen auch, dass der Applaus der Zuschauer ihnen gilt und da werden die Kleinen plötzlich ganz groß“, freut sich Bianca. Die Übungen scheinen den kraftstrotzenden Zwergen Spaß zu machen. Manche Tricks bieten sie förmlich ihrer Lehrerin an.

Im Streitwagen über das Gelände

Das Glück der Erde liegt für Bianca nicht nur auf dem Rücken der Pferde, sondern vor allem in der Arbeit mit den Tieren. Sie kommuniziert mit leisen Tönen und sanften Gesten mit ihren vierbeinigen Freunden; das Zusammenspiel von Mensch und Tier wirkt frei und spielerisch. Die Zeit und die Geduld, die in jede der eleganten, fließenden Bewegungen investiert wurden, ahnt man nicht.

Am Sonntag ist Bianca mit den drolligen Minis beim jährlichen Neusather Rosstag im Freilandmuseum Neusath Perschen zu sehen. Besonderen Eindruck macht dabei auch sicher wieder, wenn die Shettys mit dem siebenspännigen römischen Streitwagen samt Gladiator rasant durch das Gelände sausen. Dann sind die Kleinen vom Hammerhof wieder große Stars.

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