Neunburg
Leben und Arbeiten in alten Mauern

Die Öffentlichkeit durfte in Neunburg einen ersten Blick auf die Baustelle der „Alten Canzley“ werfen. Das Interesse: groß!

15.05.2022 | Stand 15.09.2023, 5:07 Uhr
Ralf Gohlke
Der große Bereich im Untergeschoss beherbergte einst acht Gefängniszellen, die mit bis zu vier Arrestanten belegt werden konnten. −Foto: Ralf Gohlke

Der Gebäudekomplex „Im Berg 15“ hat eine lange Geschichte. In der jüngeren Vergangenheit, noch zu Zeiten des Landkreises Neunburg vorm Wald, war dort das Gesundheitsamt untergebracht. Nach der Gebietsreform zog 1980 die Verwaltungsgemeinschaft Neunburg dort ein. Aber das alte Gemäuer hatte seine Tücken. Aus Kostengründen verzichteten die Verantwortlichen auf den Erwerb von der Stadt und die gleichsam kostspielige wie dringend erforderliche Sanierung und bauten lieber neu. So stand das Gebäude, das vor über 20 Jahren in das Eigentum der Architektenfamilie Steidl übergegangen ist, seit 1998 leer.

Balkendecke aus dem 16. Jahrhundert

Alte Baukunst und -substanz hat Johannes Steidl schon immer fasziniert, sodass er intensive Untersuchungen darin vorgenommen hat. Sie brachten unter anderem zu Tage, dass der Grundstock schon rund 200 Jahre älter ist als ursprünglich angenommen. Auch über die Nutzung fand er in den einschlägigen Archiven viel lesenswertes, ebenso wie historische Bauzeichnungen. Das Highlight war der Fund einer Bohlenbalkendecke aus dem 16. Jahrhundert, die er unter der abgehängten Deckenverkleidung entdeckte. Für ihn und seine Ehefrau Sarah Fleischmann, ebenfalls Architektin, bestand kein Zweifel daran, das Projekt Leben und Arbeiten in historischen Mauern sobald als möglich dort in Angriff nehmen zu wollen.

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Im Herbst 2021 begannen, nach entsprechender Planung und Abstimmung mit den Fachstellen, die umfangreichen Arbeiten. Den Schwerpunkt bildete zunächst der Rückbau aller Veränderungen und Einbauten aus den 60er Jahren. Inzwischen sind die Arbeiten soweit fortgeschritten, das auf beiden Etagen die neuen Grundplatten verlegt sind. Damit wurden auch die Voraussetzungen für eine Besichtigung geschaffen. Der „Tag der Städtebauförderung“ am Sonntag bot einen idealen Hintergrund, um der Öffentlichkeit das Vorhaben zu präsentieren.

Nur mit Städtebauförderung

Zum Einstieg wies Bürgermeister Martin Birner auf die Bedeutung der Städtebauförderung gerade für kleinerem Städte und Kommunen. Die Fronfeste, in unmittelbarer Nachbarschaft, war mit deren Unterstützung bereits 2019 erfolgreich saniert worden und konnte im Anschluss ebenfalls besichtigt werden. Birner würdigte ausdrücklich die private Initiative, mit der hier ein weiteres Schmuckstück in der Altstadt entstehen werde.

„Das Ganze ist nur mit sehr hoher Eigenleistung zu stemmen.“Johannes Steidl, Bauherr und Architekt

Beim anschließenden Rundgang verwies Johannes Steidl noch einmal auf die Geschichte, die bei dem Turm rund 900 Jahre zurückreichte. Die Burg Girnitz ließe sich um das Jahr 1400 datieren. Zu Stabilisierung des Mauerwerkes seien rund 6000 Kilogramm Bindemörtel in Risse verpresst worden. Deutlich kamen die Gewölbe wieder zum Vorschein, in denen künftig die Büroräume ihren Platz finden sollen.Einige Anekdoten gab der Bauherr zur Nutzung des Gebäudes als Stadtgefängnis zum Besten. Besonders wichtig waren ihm und seiner Frau der Hinweis, dass die alten Ziegel und Granitsteine wieder verbaut werden. Aus alten Metallteilen sollen sogar Lampen entstehen. Kaffee und Kuchen wurden gegen eine Spende abgegeben. Den Betrag rundete das Architekturbüro auf 200 Euro zugunsten der Bundesstiftung Baukultur auf.