Menschen
Tieren mit Respekt begegnen

Jeanette Medack hat sich mit einem Bauernhof in Bodenwöhr einen Traum erfüllt und einen Gnadenhof für Tiere eingerichtet.

24.04.2018 | Stand 16.09.2023, 6:06 Uhr

Jeanette Medack kennt die Eigenarten aller Tiere.

Vergnügt knabbert Lotta an einer Karotte, hoppelt im Stroh umher und blickt die Besucher treuherzig und neugierig an. Gut genährt und flauschig ist das schwarz-weiße Kaninchen, wie alle der insgesamt 51 auf dem Gleixnerhof in Bodenwöhr lebenden Tiere: 41 Hasen und Kaninchen, sieben Meerschweinchen und drei Katzen.

In wenigen Wochen werden es vermutlich mehr sein. Denn etwa zwei Monate nach Ostern, so weiß Jeanette Medack, werden viele Kinder der Hasen überdrüssig, die sie zu Ostern geschenkt bekommen haben. „Eltern und Kindern wird dann bewusst, dass ein Tier jeden Abend und jeden Morgen Pflege braucht, und außerdem Kosten für Futter und Tierarzt verursacht.“ Dann finden viele der ausgesetzten oder ungeliebten Tiere den Weg zum „Gnadenhof“, wie der Bauernhof inzwischen genannt wird.

Mit zwei Katzen fing es an

Bekannt ist er kaum – Familie Medack engagiert sich im Stillen, ohne viel Aufhebens um ihre Tätigkeit zu machen. Angefangen hatte alles im Jahr 2013 mit den zwei Kätzchen Pünktchen und Anton, die niemand haben wollte. Zu dieser Zeit war bereits Wildkatze Melody auf dem Hof. Ein Jahr später konnte Jeanette Medacks Vater seine Zuchtkaninchen nicht mehr versorgen - er vergaß sie einfach zu füttern. Also unternahmen Klopfer und Flocke die weite Reise aus Sachsen nach Bodenwöhr. In ihrer früheren Heimat war Jeanette Medack zu DDR-Zeiten lange als Diplom-Landwirtin in einem Forschungslabor für Klontechnologie tätig.

Immer schon war es ihr Traum gewesen, auf einem Bauernhof mit vielen Tieren zu leben – endlich wurde sie in der Oberpfalz fündig und pachtete hier mit ihrem Ehemann den Hof. Schnell sprach es sich herum, wie gut die Landwirtin mit Tieren umgehen kann, wie liebevoll sie verlassene und kranke Hasen und Kaninchen versorgt und wie schön ihr Stall ist. Sogar einen eigenen „Wintergarten“ haben die Nager, hell und sonnig, mit Fensterplatz zum Hinausschauen und mit viel Auslauf.

Man müsse Tiere doch mit Respekt behandeln, sagt die 51-Jährige, streichelt Seppel und neckt Penny, die Schlafmütze, wie sie lachend erklärt. Schließlich bekäme sie auch viel zurück. Die Tiere würden ihr Kraft geben, denn Medack hat schwere Arthrose und künstliche Bandscheiben und Lähmungserscheinungen. „Statt im Rollstuhl zu sitzen, zwinge ich mich, die Tiere zu versorgen“, sagt die fröhliche Frau mit einem Lächeln. „Das war meine Methode, mein Leben nach der Diagnose neu auszurichten.“ Alle paar Meter steht ein Stuhl auf dem Hof, damit sie sich zwischendurch kurz ausruhen kann. „Das ist die beste Therapie. Und die Tiere danken es mir“, ist sie überzeugt. In dem etwa 100 Jahre alten Stadel haben die Tiere ein neues, gemütliches Zuhause gefunden. Doch erst als der Hof in „Gnadenhof“ umbenannt wurde, sei Jeanette Medack mit Anfragen überrollt worden, erinnert sie sich.

Oft holt sie Kaninchen, Meerschweinchen und Hasen ab – dort, wo sie ausgesetzt wurden und jemand ihr Bescheid gegeben hat, vor einem Abfallcontainer etwa oder im Wald. Manchmal rufen auch die Tierhalter selbst an. „Abgabetiere“ hätten sie, heiße es oft. „Das sind doch Lebewesen“, empört sich dann die Tierfreundin, die jedes einzelne Kaninchen genau kennt – seine Eigenarten, den Charakter, seine Geschichte.

Unterernährt und vernachlässigt

Schnuffi und Linni etwa wären in einer winzigen Abstellkammer in einer Regensburger Mietswohnung ohne Licht gehalten worden. Mühsam päppelte Medack die beiden unterernährten Hasen auf, heute sind sie putzmunter und ärgern gerade Ed, den Zwergwidderhasen. „Ed wurde nach dem Chef meines Mannes benannt, weil er uns Holz zum Bau vom Hasenstall gespendet hat“, sagt Medack und lacht. Auf Spenden ist die Familie angewiesen, jeden Abend holt ein Mitglied von einem Brucker Supermarkt Karotten und Salat, den man nicht mehr verkaufen kann. Aber sonst zahlen die Medacks alles aus ihrer Tasche. Sogar die Maus, die in der Wand im Stall lebt, bekommt Futter – übrigens das einzige Tier auf dem Hof ohne Namen, aber ebenso zutraulich. Meistens bleiben die Tiere hier bis zu ihrem „friedlichen Lebensabend“, wie Medack erklärt.

Doch Tina und Tobi, zwei weiße Zwergwidder, haben nun doch ein neues Zuhause gefunden. Vier Wochen lang hat Ilona Bielke aus Bodenwöhr mit ihren Töchtern Leni (10) und Viola (11) jeden Tag die Hasen besucht, sich mit ihnen vertraut gemacht und von Jeanette Medock alles über ihre Pflege gelernt. Als dann ihr Stall fertig war, durften Tina und Tobi einziehen und die Mädchen kümmern sich seitdem eifrig um sie. „Vorbildlich“ sei dieses Verhalten. „Die Kinder lernen, Verantwortung zu übernehmen.“ Doch leider seien nicht alle Menschen so. „Zum Glück gibt es uns. Es muss uns einfach geben, sonst gäbe es noch viel mehr Leid.