Wirtschaft
Sitzhersteller bleibt vorerst sesshaft

Die geplante Schließung der Wackersdorfer Lear-Niederlassung ist zunächst vom Tisch. Die Aufträge reichen länger als gedacht.

28.01.2017 | Stand 16.09.2023, 6:41 Uhr
Reinhold Willfurth
Im Lear-Werk Wackersdorf werden Autositze „just in sequence“ produziert, also zur rechten Zeit für das vorgesehene Modell. −Foto: Stefan HankeArchiv

Verlängerung für die Niederlassung der Lear Corporation im Innovationspark Wackersdorf: Nach Informationen unseres Medienhauses gehen dort doch nicht wie geplant Ende dieses Jahres die Lichter aus – sondern erst ein Jahr später. Die Geschäftsführung des Autozulieferbetriebs und die BMW-Standortleitung stehen demnach vor einer Einigung über eine Verlängerung des Mietvertrags. Das bestätigte BMW-Werksleiter Thomas Dose am Freitagabend auf Anfrage.

Der Grund dafür ist laut Eric Metzler, Sprecher des BMW-Werks in Wackersdorf, eine über den Erwartungen liegende Auslaufproduktion von Sitzsystemen für die Einser- und Dreier-Modelle von BMW. Lear habe den Auftrag für die künftigen Modelle verloren.

Eigentlich hatten sich die knapp 500 Mitarbeiter des in den Innovationspark eingegliederten Wackersdorfer Werks bereits damit anfreunden müssen, bis Ende des Jahres ihren Arbeitsplatz zu verlieren und sich anderweitig umzuschauen. Schon in den vergangenen Jahren war die Belegschaft in Wackersdorf Zug um Zug reduziert worden. Jetzt gibt es zumindest noch einmal ein Jahr Aufschub für die verbliebenen Angestellten.

IG Metall will erneut verhandeln

Und neuen Verhandlungsbedarf für die Arbeitnehmervertreter. Jürgen Scholz, Erster Bevollmächtigter des IG Metall-Bezirks Regensburg, gab gegenüber der MZ das Ziel vor, den bereits für das Produktionsende 2017 ausverhandelten Sozialplan ebenfalls um ein Jahr zu verlängern. Den „gut ausgestatteten“ (Scholz) Sozialplan inklusive Abfindung zu gleichen Konditionen in den neuen Vertrag zu überführen sei jetzt Aufgabe der Arbeitnehmervertreter. „Sonst hauen die Leute in dieser Zeit ja ab“, sagte Scholz. Es sei also auch im Unternehmerinteresse, an dem Sozialplan nichts zu ändern – außer dem Datum der Wirksamkeit. „Keine Stellungnahme zu haben“ war dagegen beim stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden des Lear-Werks Wackersdorf, Franz Schmidt.

„Ich kann das nur begrüßen“: Wackersdorfs Bürgermeister Thomas Falter reagierte erleichtert auf die gute Nachricht, zumal auch das benachbarte Werk des Schaumstoffherstellers Fehrer davon profitieren könne. Erste zarte positive Signale habe es schon vor einem halben Jahr gegeben, so Falter im Gespräch mit der MZ. Ziel sei „von Anfang an“ gewesen, „einen Großteil der Arbeitsplätze zu erhalten“. Auch die Standortleitung von BMW habe daran Interesse gehabt. Falter musste sich nicht zum ersten Mal Sorgen machen um den Fortbestand des Wackersdorfer Lear-Werks. Falter war noch nicht lange im Amt, als die damals noch gut 600 Mitarbeiter erstmals um ihren Job fürchten mussten. Im Gespräch war eine Verlagerung des BMW-Auftrag ins westböhmische Tachov (Tachau).Nach langen Verhandlungen und Zugeständnissen der Belegschaftgewährte Lear seinen Beschäftigten schließlich 2010 eine Bestandsgarantie des Wackersdorfer Werks bis 2019.

Sozialplan und Abfindungen

Doch der Ergänzungstarifvertrag mit der Beschäftigungsgarantie stand schon vier Jahre später wieder auf dem Prüfstand. Im März 2015 verhandelten IG Metall und Lear-Geschäftsführung erneut. Das Ergebnis war die geplante Einstellung der Produktion Ende 2017. Im Gegenzug wurde ein Sozialplan für die Mitarbeiter mit großzügigen Abfindungen herausgehandelt.

Nun haben sich Auftraggeber BMW und der Sitzhersteller aus dem US-Staat Michigan noch einmal auf eine Verlängerung geeinigt. Das Werk im tschechischen Tachov könne offenbar die hohen Auslaufzahlen für den Auftrag der weiß-blauen Automarke nicht alleine stemmen, vermutet Gewerkschafter Jürgen Scholz.

Die Lear Corporation liefert Sitzsysteme für die Einser- und Dreiermodelle von BMW nach dem „Just-in-sequence“-Verfahren, wie es oft in der Automobilindustrie eingesetzt wird, so zum Beispiel im BMW-Werk Regensburg. Der Zulieferer sorgt dafür, dass die benötigten Teile rechtzeitig und in der notwendigen Menge angeliefert werden. Außerdem muss die Reihenfolge (englisch „sequence“) der benötigten Teile stimmen. Die Vorlaufzeit beträgt je nach Produktionssystem mehrere Tage bis einige Minuten. Den Materialfluss steuern sogenannte Sequence-Inlining-Systeme, die die Zeit, in der das entsprechende Teil benötigt wird, genau berechnen.

Die Geschäftsführung von Lear Deutschland reagierte am Freitag nicht auf die Anfrage der MZ.