Recht
Die 10-Jahresfrist beim Erben erklärt

Unser Experte klärt über das Erbrecht auf: Was kommt, nachdem ein Erblasser eine Immobilie verschenkt?

14.11.2020 | Stand 16.09.2023, 4:28 Uhr
Andreas Weindler
Das Erbrecht ist nicht immer leicht zu durchschauen. Es lohnt sich oft, einen Experten zurate zu ziehen. −Foto: Christin Klose/picture alliance/dpa

Wenn eine Schenkung 10 Jahre oder länger vor dem Erbfall getätigt wurde, zählt sie nicht zum Erbe, was sich bei der Berechnung unter anderem der Pflichtteilsansprüche auswirkt. Wann diese 10-Jahresfrist jedoch zu laufen beginnt, wenn der Erblasser eine Immobilie verschenkt, sich aber ein lebenslanges Nutzungs- und Wohnrecht einräumen lässt, entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken mit Urteil vom 1.09.2020.

Hat der Erblasser vor seinem Tode noch eine Schenkung getätigt, stellt sich die Frage, ob diese dem Nachlass zuzurechnen ist. Üblicherweise gilt hier der Grundsatz, dass eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall in vollem Umfang, anschließend nur noch anteilig, zu berücksichtigen ist. Ist die Schenkung 10 Jahre vor dem Tod des Erblassers erfolgt, bleibt sie gänzlich unberücksichtigt. Im oben erwähnten Verfahren musste nun die Frage geklärt werden, ab wann eine Schenkung als erfolgt gilt und damit die 10-Jahresfrist zu laufen beginnt.

Im zur Entscheidung stehenden Fall hatten sowohl der Sohn, als auch der Enkel, der Erblasserin Erbansprüche. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits war dann die Frage umstritten, ob auch das Haus der Erblasserin bei der Bemessung der Erbansprüche mit heranzuziehen ist oder nicht.

Die Erblasserin hatte die gegenständliche Immobilie nämlich bereits 12 Jahre vor ihrem Tod auf ihren Sohn übertragen, sich jedoch notariell ein Wohnrecht, ein Nutzungsrecht und eine Rückübertragungsverpflichtung vorbehalten. Der Enkel der Erblasserin nahm diesen Umstand zum Anlass, um den Beginn der 10-Jahresfrist anzuzweifeln. Da seine Großmutter immer noch in dem Haus gewohnt habe, hätte die Frist nie zu laufen begonnen bzw. frühestens mit ihrem Tod. Aus dieser Argumentation folgerte der Enkel, dass das Haus dem Nachlass hinzuzurechnen sei.

Seine Klage blieb dennoch sowohl vor dem erstinstanzlichen Landgericht, als auch im Berufungsverfahren vor dem OLG Zweibrücken, ohne Erfolg, da nach Ansicht des zur Entscheidung berufenen Senats die 10- Jahresfrist bereits abgelaufen gewesen sei. Vorliegend sollte diesem Ergebnis das vorbehaltene Wohn- und Nutzungsrecht sowie das Rückforderungsrecht nicht entgegenstehen, was vom Gericht damit begründet wurde, dass sich die Erblasserin das Wohn- bzw. Nutzungsrecht lediglich auf das Erdgeschoss des gegenständlichen Hauses gesichert habe. Nach Ansicht der Richter war der beschenkte Sohn somit der eigentliche „Herr im Haus“.

Ähnlich sahen die Richter das eingeräumte Rückforderungsrecht der Erblasserin, das ebenfalls nicht den Fristablauf hindere. Dies begründete das Gericht damit, dass die Rückforderung nach der vereinbarten Regelung nicht ausschließlich vom Willen der Erblasserin abhängig gewesen ist, sondern an ein zuvor festgelegtes Verhalten des Sohnes geknüpft war. Somit hatte dieser auch darüber die Kontrolle, ob die Schenkung von Dauer sein würde. Eine Anpassung der jeweiligen Klauseln an den Einzelfall wird die Herausforderung der Praxis sein.

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