Triathlon
Der besondere Ort der Julia Viellehner

Die Challenge-Siegerin 2016 verunglückte im Frühjahr tödlich. Ihr Lebensgefährte gedenkt ihr zusammen mit Sonja Tajsich.

09.08.2017 | Stand 16.09.2023, 6:19 Uhr

Ein Bild der Innigkeit, aufgenommen beim Tristar-Triathlon in Regensburg vor einem Jahr: Tom Stecher und Julia Viellehner Foto: Brüssel

Julia Viellehner ist im Triathlon gerade überall. Am Sonntag ist sie wieder in Regensburg, obwohl sie nicht mehr lebt. Beim Radtraining in Italien hatte sie im Mai ein LKW-Fahrer übersehen und angefahren. Sie lag im Koma und starb eine Woche später mit nur 31 Jahren im Krankenhaus in Cesena. Ihr Lebensgefährte Tom Stecher war Augenzeuge des Unfalls – und überlegt dieser Tage sehr genau, wo er hinfährt und wo nicht. Seine Lebensgefährtin hat an so vielen, bald zu vielen Orten Spuren hinterlassen. „Es gibt sehr viele Stellen, die mit mir reden möchten, berichten wollen, Anteilnahme zeigen wollen, gedenken wollen.“ Für Sonntag hat sich der 48-Jährige eine ganz spezielle Art des Gedenkens vorgenommen. Gemeinsam mit Organisatorin Sonja Tajsich – wie Viellehner eine stets strahlende Athletin (deren gerade ein Jahr altes Töchterchen obendrein noch Julia heißt) – teilt sich Stecher eine Langdistanz im neu angebotenen Format der „Challenge for two“.

Regensburg – das war fürJulia Viellehnerschon immer ein besonderer Ort. Sie, die leidenschaftliche Läuferin, war nach mehreren schweren Verletzungen vor geplanten Marathon-Starts nicht ganz freiwillig auf Triathlon umgeschwenkt – und feierte nah zu ihrer oberbayerischen Heimat die ersten Erfolge in der Oberpfalz. „Julia hatte hier schon viele Laufwettkämpfe absolviert“, sagt Tom Stecher. „Sie hat ihren ersten Triathlon hier gemacht und in Regensburg auch ihren ersten Triathlon gewonnen.“ 2016 gelang sogar der Doppelsieg: Julia Viellehner gewann auf dem Dultplatz den Tristar-Triathlon, eine Woche später die Challenge-Premiere. „Ich weiß, dass sie sich darauf gefreut hat. Auch für dieses Jahr hatten wir überlegt, ob sie wieder startet“, sagt Tom Stecher.

„Wir sehen uns an der Ziellinie“

Der Triathlon-Trainer, der seine Julia bei seiner nebenberuflichen Dozententätigkeit an der Universität kennen, coachen und lieben lernte, weiß genau, was auf ihn zukommt. „Wir sehen uns an der Ziellinie“, hatte Julia Viellehner in Anlehnung die deutsche Übersetzung des englischen Triathlon-Spruchs „See you at the finishline“ traditionell als Worte der Verabschiedung vor dem Wettkampf gewählt. „Ich verliere ja jetzt schon die Fassung“, sagt Tom Stecher, stockt kurz und erklärt später: „Wenn ich über die Ziellinie laufe am Sonntag, dann wird das so ein Moment sein, wo Julia relativ nah bei mir sein wird. Wir haben viele Bilder und Videos vom Zieleinlauf – und die werden mit Sicherheit im Kopf auch da sein.“

In Regensburg ist auch eine Gruppe Südafrikaner am Start: Ihre Geschichte finden Sie hier.

Dass Tom Stecher und Sonja Tajsich gemeinsam starten werden, ist alles andere als von langer Hand geplant. Die 41-Jährige wollte den Wettkampf zunächst mit einer südafrikanischen Freundin bestreiten, die aber absagen musste. Im offiziellen Race-Guide gibt es zwar eine Gedenkseite für Julia Viellehner, aber mehr sollte es ursprünglich nicht werden. Den Gedanken, ihr zu Ehren einen Startplatz frei zu halten, verwarfen die veranstaltenden Tajsichs schnell. „Tom fand das zu bedrückend“, erzählt Stecher, der seinerseits die Idee, dass er gemeinsam mit Julia und doch allein die „Challenge for two“ in Angriff nimmt, schon wegen seiner orthopädischen Probleme beim Laufen auf den zweiten Blick nicht für realisierbar befand.

Als Sonja Tajsich die vakante Position auf Facebook schließlich öffentlich ausschrieb und auch eine dritte Variante („Ich dachte, Sonja und Julia könnten das gemeinsam machen“) nicht zum Tragen kam, wurde Tom Stecher zum Streckenpartner von Sonja Tajsich. „Als Tom Tajsich gesagt hat: ‚Mach doch du‘, habe ich erst geschluckt. Schwimmen und Laufen sind ja kein Problem – aber wenn ich es bis dahin verletzungsfrei schaffe, komme ich auch die 21 Laufkilometer durch“, sagt Tom Stecher jetzt. „Das hat wieder eine andere Note: Die Öffentlichkeit bekommt es mit, es ist nochmal ein Highlight. Und alles in allem gibt es mir mehr Motivation.“

Einen Strich zu machen, einen Abschluss zu finden, dazu ist Tom Stecher für sich noch nicht gekommen. „Abschied nehmen geht wohl auch in den nächsten Monaten nicht“, sagt er. „Ich will das auch nicht ändern. Bei jemandem mit einem Bekanntheitsgrad wie bei Julia ist so ein Todesfall anders. Überall, wo sie an der Startlinie stand, vielleicht auch gewonnen hat, fühlt man sich fast verpflichtet, etwas zu machen. Jedes Wochenende war irgendwo irgendwas. Vielleicht komme ich erst nach dem Jahrestag ein bisschen zur Ruhe.“ Zurückziehen wollte sich Tom Stecher nie. „Das ist nicht meine Art. Und Julia hätte es auch nicht gewollt. Ich muss mir nur auch Freiräume schaffen, wo ich nicht an sie erinnert werde. Ich will nicht jedes Wochenende wieder dieselbe Situation erleben: Du stehst an der Startlinie, dann kommt die Gedenkminute und jeder guckt dich an.“

Unfall, nicht Rücksichtslosigkeit

Tom Stecher macht niemandem einen Vorwurf, nicht einmal dem LKW-Fahrer. Der Unfall habe nichts mit der in Radfahrerkreisen viel diskutierten rücksichtslosen Fahrweise auf den Straßen zu tun. „Der Mensch ist ausgestiegen und war fertig mit der Welt. Es war bergauf und er hat sie nicht gesehen. Das kann passieren – und mir macht es das einfacher zu akzeptieren.“ Auch alles in Frage zu stellen, weil 2015 Vater und Bruder nicht aus den Bergen in Neuseeland zurückkamen, und Julia Viellehners Tod diese Familientragödie ins Unermessliche steigerte, helfe wenig weiter. „Da bin ich zu rational. Auch Julias Mutter denkt nicht so. Es gibt kein Warum, keinen Grund. Es ist passiert und jetzt muss man mit den Konsequenzen leben. Alles andere bringt nicht weiter.“

Auch Einsteiger können auf der Originalstrecke ihre Erfahrungen sammeln: Informationen dazu finden Sie hier.

Mit Freude zum Ausdruck gebrachte Trauer: Das könnte das Motto sein, das Tom Stecher bei der Verarbeitung weiterbringt. Schließlich wird in keiner anderen Sportart jeder Teilnehmer unabhängig von Zeit und Platzierung so gefeiert wie auf der Langdistanz. „Ich wollte ursprünglich vor allem auf die Strecke, um den Helfern danke zu sagen, weil ich vor einem Jahr so kurz nach der Geburt meiner Tochter Julia nicht die Gelegenheit hatte“, sagt Sonja Tajsich. „Für mich ist die Wertigkeit des Mitmachens jetzt noch höher. Es berührt mich sehr: Und man kann auch lachen, wenn man trauert, wenn man es im Herzen hat.“

Und so könnten am Ende auch die Zuschauer am Sonntag die stets strahlende Julia Viellehner noch einmal genauso vor Augen haben oder geführt bekommen. „Es gibt kaum ein Bild, wo sie nicht gelacht hat. Ich hoffe, da wo sie ist, ist sie auch fröhlich – und ich versuche einfach das Gleiche hier“, sagt Tom Stecher.

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