Interview
Die „Pampe“ dient als Treibstoff

Die Kelheimer Apothekerin Caroline Rauscher (56) coacht prominente Sportler wie Eric Frenzel in Ernährungsfragen.

28.10.2017 | Stand 16.09.2023, 6:26 Uhr

Die Wände der Rats-Apotheke in Kelheim sind vollgepflastert mit signierten Plakaten, Trikots und Fotos: Ernährungscoach Caroline Rauscher posiert mit Eric Frenzel. Foto: Rauscher

Frau Rauscher, Sie betreiben in Kelheim eine Apotheke, sind aber auch als Ernährungscoach tätig – für prominente Spitzensportler wie die Olympiasieger Eric Frenzel und Viktoria Rebensburg sowie seit kurzem auch beim Zweitliga-Team des SSV Jahn Regensburg. Wie kam’s?

Diese Leidenschaft hat sich schon während meines Pharmazie-Studiums entwickelt. Biochemie hat mir immer Spaß gemacht. Also habe ich mich speziell mit gesunder Ernährung befasst. Was mit der Nahrung im Körper passiert, ist nämlich reine Biochemie. Durch Zufall bin ich auf die australische Ernährungswissenschaftlerin Louise Burke gestoßen. Wir lernten uns kennen, tauschen uns aus. Louise ist weltweit mit Koryphäen vernetzt, weil sie selbst eine ist. Dieses internationale Netzwerk ist sozusagen mein Betriebskapital.

Und wie knüpften Sie ihre Kontakte in die Spitzensportszene?

Ich habe mich in die Sportphysiologie eingearbeitet und mich mit den Auswirkungen von Mikronährstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen befasst. Für den Sportsektor haben neben den Mikronährstoffen auch Proteine und Kohlenhydrate quasi als Treibstoff und Baustoff eine große Bedeutung. Aus diesem Wissen heraus habe ich Sportgetränke u.a. mit Kohlenhydraten und Eiweißen zusammengemischt. Testpersonen für diese Mixturen waren zu Beginn Familie und enge Freunde. Was sich so einfach anhört, war jedoch unendlich langes wissenschaftliches Recherchieren. Ich dachte mir nach den familiären Erfolgen: Ist ja alles keine Hexerei! Wenn das im Familien- und engen Freundeskreis prima funktioniert, warum nicht auch im Leistungssport und bei Weltklassetathleten? Also war ich ziemlich wagemutig und habe diverse Bundestrainer direkt angeschrieben.

Und die Reaktion?

War anfangs fast gleich null. (lacht) Ist ja auch nachvollziehbar, wenn da jemand kommt, den niemand in der Szene kennt. Nur Jochen Behle, der seinerzeit Langlauf-Bundestrainer war, hat sich gemeldet. Wir haben uns getroffen. Er fand mein Konzept – na ja, ehrlich gesagt war es damals vor knapp 15 Jahren mehr eine Idee – vielversprechend, und er hat mich seinen Athleten empfohlen. Außer Tobias Angerer (zweimaliger Gesamtweltcup-Sieger/d. Red.) hatte aber keiner Interesse. Als ich mich mit Tobi zusammengesetzt habe, war uns im Gespräch nach drei Sätzen klar: Wir passen zueinander. Für mich war er sozusagen der Ferrari-Motor, an dem ich mein Ernährungskonzept mal ausprobieren konnte. Und für ihn war ich der Tüftler, der das letzte Prozent an Leistung aus seinem Körper herausholen kann.

Wie ging es weiter?

Biathleten kamen dazu, zuerst Andrea Henkel, später das österreichische Team. Damals war ich primär im Wintersport verwurzelt, heute sind’s 15 Sportarten.

Alles über Mundpropaganda?

Nein, so einfach darf man sich das nicht vorstellen. Manche Sportler sind durch Werbepartner vertraglich gebunden und dürfen die Zusammenarbeit mit mir nicht publik machen. Andere wiederum hüten wie ein Geheimnis, dass sie sich von mir beraten lassen, weil sie darin einen Wettbewerbsvorteil sehen. Also musste ich früher viel offensive Kundenakquise betreiben. Mittlerweile kommen fast alle von sich aus zu mir, weil mich Athleten empfohlen haben.

Wie viele Spitzensportler beraten Sie?

Aktuell sind’s rund 35.

Und worin besteht Ihr Part genau?

Im ersten Gespräch höre ich von den Athleten oft: Ich habe eigentlich keine Defizite, bei mir passt alles! Dann sprechen wir das Training und den Wettkampf detailliert durch. Natürlich gibt es ein normales Maß an Ermüdung. Unser Körper ist ja kein Perpetuum mobile. Aber wenn man tiefer gräbt, dann stößt man doch auf Defizite. Warum läuft es im letzten Drittel der Trainingseinheiten so zäh? Ist es wirklich normal, wenn der Körper drei Tage nach der Wettkampfbelastung immer noch schmerzt? Ich höre dann oft solche Sätze wie: „Oh, da hab’ ich noch nie drauf geachtet.“

Wie kommen Sie zu den Einschätzungen?

Ich glaube, ich habe über die Jahre ein sehr gutes Gespür oder sogar einen Instinkt dafür entwickelt, wie ein Athlet tickt und welche körperlichen Defizite er haben könnte. Das ist bestimmt eine Stärke von mir. Wenn ein Spitzensportler seine Leistungen nicht abruft, kann das ja tausend Gründe haben. Vielleicht hat er ein orthopädisches Problem, vielleicht stimmt die Trainingssteuerung nicht. Dann sind Ärzte oder Trainer gefragt, dann bin ich als Ernährungscoach überflüssig. Ganz generell kann man sagen: Meine Arbeit ist nur ein Mosaikstein im Kontext der individuellen Leistungsfähigkeit. Sie ergänzt das, was der Sportler an Talent mitbringt, und ermöglicht ihm seine Trainingsstunden maximal in Leistungssteigerung zu übersetzen.

Sie nennen eines Ihrer Produkte salopp „Pampe“. Wie kamen Sie auf diese Bezeichnung?

(lacht) Ich hatte all meine Energie in die Produktentwicklung gesteckt und zunächst keinen Gedanken an einen passenden Namen verschwendet. Irgendwann hat mich eine Mitarbeiterin gefragt, was sie eigentlich für einen Ausdruck für dieses spezielle Produkt verwenden soll. Ich hab’ gefragt: „Wie sieht’s denn aus?“ Und sie hat geantwortet: „Pampig!“ Damit war der Namen gefunden, er ist mittlerweile so etwas wie ein Markenzeichen. Aber offiziell und für den nicht-deutschsprachigen Bereich benutzen wir natürlich einen anderen Begriff: „Race Fuel.“

Treibstoff für den Athletenkörper also. Sie nennen Ihr Konzept „Nutritional Finetuning“. Das klingt sehr mechanisch. Kann man am Sportlerkörper herumschrauben?

Ja, das kann man durchaus. Zumindest kann man an den richtigen Rädchen drehen, um die Leistung zu optimieren. In gewissen Grenzen kann man seinen Körper tunen.

Und was ist nun Spezielles drin in Ihren Produkten?

Das ist kein Geheimnis. Unterschiedliche Kohlenhydrate, verschiedene Eiweiße und natürlich Elektrolyte. Nur die puren Wirkstoffe, sonst gar nix – keine Zusatzstoffe wie Geschmacksverstärker oder Farbstoffe. Das Besondere sind die individualisierte, maßgeschneiderte Zusammensetzung – angepasst an Athlet, Sportart, Training, Wettkampf, Außenbedingungen – und die bestmögliche Qualität der Ausgangsstoffe.

... und nichts, was als Doping gewertet werden könnte?

Natürlich. Sämtliche Ausgangsstoffe sind 100 Prozent unbedenklich und von höchster kontrollierter Qualität. Darauf achten wir äußerst streng.

Was antworten Sie Sportlern, die der Überzeugung sind, dass ihre tägliche Ernährung völlig ausreichend ist?

Dass dagegen erst mal überhaupt nichts einzuwenden ist. Meine Herangehensweise ist die: Ich analysiere – auch anhand der Blutwerte –, ob die Basisernährung passt. Sie steckt den Rahmen ab. Was der Körper braucht und über die Basisernährung bekommt, decke ich am besten auch über diese Basisernährung ab. Wichtig ist, dass das Grundgerüst stimmt. Denn es heißt ja Nahrungsergänzungsmittel – und nicht Nahrungsersatzmittel.

Und was bedeutet das konkret?

Was ich mit der Saftschorle, mit Kakao, mit Müsliriegeln und Bananen machen kann, erledige ich damit. Ich habe null Interesse, jemandem 50 verschiedene Pulver zu verkaufen.

Wann kommen Ihre Produkte ins Spiel?

Wenn trotz einer optimalen Basisernährung noch Lücken oder Defizite da sind, beispielsweise um Bereich der Mikronährstoffe, muss ich über die Lebensmittel hinaus Produkte einsetzen, die meine Leistung unterstützen oder Stoffwechselprozesse anstoßen. Oder in Situationen, wo es wichtig ist, dass die zugeführte Energie sehr schnell und für den Körper äußerst verträglich ankommt, also während der sportlichen Belastung oder in der Regeneration. Hier spielt der Faktor Zeit die entscheidende Rolle. Normale Lebensmittel würden viel zu lange brauchen, bis sie verdaut sind und die Nährstoffe ans Blut abgegeben haben.

Frau Rauscher, Sind Sie jemand, der zum Beispiel Fastfood verteufelt

Nein. Ich halte nichts davon, sich von der Ernährung versklaven zu lassen. Ausgewogen, saisonal, regional, das ist das Rezept. Dann kann auch mal ein Burger oder eine Tiefkühlpizza dabei sein. Aber bitte nicht täglich!

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