Fussball-WM
Klaus Eders Wettlauf mit der Zeit

Nach einer Rücken-OP hofft der Star-Physiotherapeut aus Donaustauf, rechtzeitig zu seiner achten Fußball-WM fit zu sein.

29.05.2018 | Stand 16.09.2023, 6:11 Uhr

Der Dank gilt dem „Doc“ und dem „Physio“: Jerome Boateng nach seinem Treffer im EM-Achtelfinale 2016 in Lille mit Klaus Eder (l.) und Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt (r.) Foto: Peter Kneffel/dpa

Lille in Nordfrankreich, 26. Juni 2016, Stadion Pierre Mauroy: Im Achtelfinale der Fußball-Europameisterschaft zwischen der Slowakei und Deutschland sind gerade mal acht Minuten gespielt, als Jerome Boateng aus rund 20 Metern abzieht – und zum 1:0 trifft! Der Innenverteidiger der DFB-Elf weiß, wem er dieses Tor zu widmen hat. Der 1,92 Meter große und 90 Kilo schwere Abwehrrecke nimmt Anlauf zu einem gewaltigen Jubelsprung, er landet in den Armen von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und Klaus Eder, die er mit seiner ungestümen Aktion fast von den Beinen holt. Boateng litt vor dem Spiel an hartnäckigen Wadenproblemen, sein Einsatz stand auf des Messers Schneide. Sein Dank gilt der medizinischen Abteilung des Deutschen Fußball-Bundes, allen voran dem Teamarzt Müller-Wohlfahrt und dem Physiotherapeuten Klaus Eder.

Spektakuläre Szenen wie diese haben sich ins kollektive Fußball-Gedächtnis eingebrannt. Unzählige Fotos zeigen Klaus Eder, wie er 2014 im WM-Finale von Rio de Janeiro den nach einem Cut unter dem Auge stark blutenden Bastian Schweinsteiger zur Behandlung vom Platz geleitet. Ob auch die bevorstehende WM in Russland solche Bilder produzieren wird, steht indes noch dahin. Star-Physiotherapeut Eder, dessen „heilende Hände“ weltweit sprichwörtlich sind, ist derzeit selbst Patient.

Abflug am 12. Juni

Der 64-Jährige aus Donaustauf (Kreis Regensburg) hatte jüngst im Gespräch mit der Mittelbayerischen angekündigt, nach dem Turnier in Russland einen Schlussstrich zu ziehen. Bei sieben Fußball-Weltmeisterschaften und acht Europameisterschaften war Eder seit der EM 1988 für den DFB im Einsatz, dazu bei zehn Olympischen Spielen. Nun droht ihm der eigene Körper einen Strich durch die Rechnung zu machen, die Gesundung wird zum Wettlauf mit der Zeit. Am 12. Juni reist die Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw nach Moskau, um im Vorort Watutinki ihr WM-Quartier zu beziehen.

Ob Eder dabei sein wird? Wegen unerträglicher Schmerzen hat sich der 64-Jährige am 20. Mai einer Rücken-Operation im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Regensburg unterziehen müssen. Klaus Eder leidet seit längerem unter Bandscheibenbeschwerden, ein Gleitwirbel macht ihm zu schaffen. Zudem hatte er Anfang März beim Skifahren in Saalbach-Hinterglemm eine Beckenringfraktur erlitten, die ihn vier Wochen aufs Krankenbett zwang und an deren Folgen er lange laborierte.

„Ich freu’ mich darauf, dass es bald mehr den privaten Klaus Eder geben wird.“Klaus Eder, DFB-Physiotherapeut

Fürs derzeit laufende WM-Vorbereitungscamp in der Südtiroler Gemeinde Eppan fällt Eder aus. Bleibt die Hoffnung, dass er bis zur Abreise am 12. Juni wieder fit und einsatzbereit sein wird. „Die Ärzte machen mir Mut“, sagt er. Mit DFB-Teammanager Oliver Bierhoff ist der Ablauf bereits detailliert abgesprochen. Für Eder bleibt die Tür bis zum Abflug offen. „Es geht mir nicht um persönliche Eitelkeiten. Ich muss mich nicht vor einem Millionenpublikum in Szene setzen, wenn ich mit dem Koffer auf den Platz renne“, versichert er und fügt hinzu: „Wenn ich das Gefühl habe, dass ich der Mannschaft helfen kann, helfe ich gerne. Wenn nicht, bleibe ich eben zu Hause – auch wenn es natürlich schwerfällt.“

In Eppan wird Eder von Peter Fischer vertreten, einem jungen Kollegen aus dem „Eden Reha“. Ansonsten ist die bewährte Crew der DFB-Physiotherapeuten im Einsatz, die Nationalelf ist in diesem Bereich wieder mal fest in Regensburger Hand. Christian Müller ist Eders Partner in der Praxis „Eder, Müller, Kerler“ in der Regensburger Königstraße. Der 55-Jährige ist seit der WM 1998 in Frankreich dabei. Christian Huhn erlernte das Handwerk in Donaustauf. Heute arbeitet der 42-Jährige als Physiotherapeut beim FC Bayern, bei der Nationalelf hatte er seine Feuertaufe 2010 in Südafrika. Komplettiert wird der Tross der „Physios“ von Wolfgang Bunz aus Ulm, der sich wie Christian Müller seit der WM in Frankreich 1998 der Muskeln und Sehnen – und manchmal auch des Gemütszustands – der deutschen Kicker-Elite annimmt.

Eder ist eine Institution, nicht nur im deutschen Sport. Schon 1984 bei Olympia in Los Angeles war er dabei, der damalige Teamchef Franz Beckenbauer holte ihn 1988 zum DFB-Team. Auch Hollywood-Stars und sonstige Prominente vertrauen auf seine Kompetenz und begeben sich bei ihm in Behandlung – oder lassen ihn wie U2-Sänger Bono schnell mal nach New York einfliegen, wenn’s im Kreuz zwickt.

„Dümple bei Handicap 20“

Egal, ob es fürs Turnier in Russland noch reicht oder nicht: Danach wird Klaus Eder definitiv kürzer treten. „Natürlich hält einen der tägliche Umgang mit jungen Sportlern fit und dynamisch. Aber ich habe jetzt jahrzehntelang keinen Sommer mehr für mich genossen“, sagt er: „Ich freue mich darauf, dass es bald mehr den privaten Klaus Eder geben wird.“ Neben Reisen mit seiner Ehefrau Urs, ebenfalls eine prominente Physiotherapeutin, steht ein Ziel in der persönlichen Lebensplanung ganz oben: „Ich spiele seit fast 20 Jahren Golf, dümple aber noch bei Handicap 20 herum“, sagt Eder schmunzelnd: „Da ist auf jeden Fall viel Luft nach oben.“ Den Patienten im Donaustaufer „Eden Reha“ und an der Regensburger Königstraße bleibt er erhalten.

Für Russland hofft Eder „vor allem auf eine friedliche WM“. Und er baut natürlich darauf, dass die DFB-Elf ihrer Rolle als Mitfavorit vollauf gerecht wird. „Natürlich wollen wir wieder Weltmeister werden, sonst bräuchten wir ja gar nicht hinfahren“, sagt er. Optimismus ist ein Markenzeichen von Klaus Eder. Im Fall des Titelgewinns würden ihm Jogi Löw & Co. ein „grandioses Geschenk“ machen. Am Tag nach dem Finale, am 16. Juli, feiert Eder seinen 65. Geburtstag – womöglich auf dem Rückflug nach Deutschland und mit dem WM-Pokal in Händen, zum dritten Mal nach 1990 und 2014.

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