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Olympischer Watschnbaum

Über die erzieherische Wirkung von Judo und die moralischen Aspekte von Ohrfeigen

31.07.2021 | Stand 12.10.2023, 10:02 Uhr
Angelika Sauerer
−Foto: Uwe Moosburger

Ohrfeigen und Judo haben mehr gemeinsam, als man vermuten würde. Zum Beispiel wollen beide erziehen, was im Falle der Ohrfeigen zum Glück mittlerweile verboten ist. Im Judo geht es über den Kampfsport hinaus um die Persönlichkeitsentwicklung der Sportlerinnen und Sportler hin zum „gegenseitigen Helfen und Verstehen zum beiderseitigen Fortschritt und Wohlergehen“ sowie „zum bestmöglichen Einsatz von Körper und Geist“. Ferner arbeiten Backpfeifen wie Judogriffe mit dem kleinstmöglichen Einsatz bei größtmöglicher Wirkung. Im Falle der Ohrfeige reichte in früheren Zeiten bereits der Satz: „Fühlen Sie sich geohrfeigt“, um eine Revanche bis hin zum tödlichen Duell im Morgengrauen nach sich zu ziehen. Der metaphorische Schlag ins Gesicht ist ein psychologischer Wirkungstreffer, den es im Judo so freilich nicht gibt. Jedoch gilt es hier, die Kraft und den Schwung des Gegners für eigene Zwecke zu nutzen. Minimale Energie kann bei präziser Technik zum maximalen Erfolg führen. Am Ende schlägt sich der Gegner mit den eigenen Waffen. Das Prinzip Judo hat daher eine weitere Gemeinsamkeit mit dem Prinzip Ohrfeige: Siegen durch Nachgeben. In der Bergpredigt heißt es: „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin!“ Der Geschlagene darf sich als moralischer Sieger fühlen. Das sollte vielleicht mal jemand den um die Wette ohrfeigenden Frauen und Männern mitteilen, die sich regelmäßig zu Weltmeisterschaften treffen, vorwiegend in Russland.

Olympisch ist die Watschn noch nicht. Das hat sie also nicht mit Judo gemeinsam. Gleichwohl erreichte sie durch die Hintertür olympische Beachtung, als sich die deutsche Judoka Martyna Trajdos vor einem Kampf von ihrem Trainer Claudiu Pusa filmreif wach schütteln und ohrfeigen ließ. Pusa erhielt eine Rüge und Trajdos verlor den Kampf. Frei nach der Ohrfeigen-Philosophie darf sie sich nun trotzdem als Gewinnerin fühlen.