Sport
Sie gilt als nächste Bibiana Steinhaus

Schiedsrichterin Franzi Wildfeuer aus dem Bayerwald hat den Sprung auf die FIFA-Liste geschafft. In Lübeck wurde sie geehrt.

03.05.2021 | Stand 16.09.2023, 2:56 Uhr
Seit kurzem regelt Franziska Wildfeuer nicht nur im DFB-Leiberl, sondern auch als FIFA-Schiedsrichterin das Geschehen auf dem Fußballplatz. −Foto: EIBNER/Thomas Thienel/EIBNER/Thomas Thienel

Franziska Wildfeuer aus Ruhmannsfelden wird als „nächste Bibiana Steinhaus“ gehandelt. Auf der FIFA-Liste hat sie die bekannte Schiedsrichterin schon beerbt. Im Interview spricht die 27-Jährige, die mittlerweile in Lübeck lebt und den Chamern als Unparteiische von diversen Landesliga-Partien bekannt ist , über den Reiz der Schiedsrichterei, ihre Erfolge, das internationale Parkett und ihre Ziele.

Die Frage, wie das Gespräch denn laufen würde, war schnell beantwortet. Den Bayerwald-Zungenschlag hat Franziska Wildfeuer mitgenommen in den hohen Norden der Republik, zumindest, wenn sie mit Menschen aus ihrer Heimat spricht. Doch auch im nördlichsten Bundesland möchte die Niederbayerin ihre Herkunft nicht verleugnen. „Das Feedback ist total positiv, alle finden meinen Dialekt irgendwie charmant“, schmunzelt die 27-Jährige.

Seit fünfeinhalb Jahren ist der VfB Lübeck die neue sportliche Heimat der Ruhmannsfeldnerin, die als eine der größten Hoffnungen der deutschen Schiedsrichter-Zunft gilt. Jüngster Beleg: die Wahl zu Schleswig-Holsteins „Schiedsrichter des Jahres“. Wohlgemerkt zum „Schiedsrichter des Jahres“, nicht zur „Schiedsrichterin des Jahres“.

Ein kleiner, aber feiner Unterschied, der die Auszeichnung nochmals aufwertet, findet „Franzi“ Wildfeuer: „Weil die Konkurrenz größer war und ich mich auch gegen die Männer durchsetzen musste.“ Um den Vergleich der Geschlechter aber schnell zu relativieren: „Generell sehe ich mich nicht als Schiedsrichterin in einer Männerdomäne, sondern als Sportlerin und Teil des Spiels.“

Ein „Privileg“ in Corona-Zeiten

Das Spiel, der Fußball, ist längst zur Leidenschaft von Franziska Wildfeuer geworden, die als Zwölfjährige ihre Schiedsrichterprüfung abgelegt hat. Doch zunächst kickte sie noch ein paar Jahre bei der SpVgg Ruhmannsfelden zusammen mit den Jungs, ehe die Schiedsrichterkarriere mit 15, 16 Jahren so richtig Fahrt aufnahm. Und schnell ging es nach oben, sowohl auf der Karriereleiter als irgendwann auch geographisch mit dem Wechsel nach Lübeck. Vorläufiger Höhepunkt der Schiedsrichter-Karriere war die Berufung zur FIFA-Schiedsrichterin Ende des vorigen Jahres.

Ein Ziel, das durchaus auf der Agenda stand, sagt „Franzi“ Wildfeuer: „Ich habe mich Anfang 2020 gefragt: Wo möchte ich hin? Was sind die Perspektiven? Ein Punkt auf meiner Liste war schon, irgendwann auch international zu pfeifen. Dass es dann so schnell ging, war schon auch Glück.“ Schiedsrichter-Pionierin Bibiana Steinhaus-Webb, die erste Schiedsrichterin in der Männer-Bundesliga, hatte ihre Karriere beendet und den Platz auf der FIFA-Liste sozusagen freigemacht.

National sind die Frauen-Bundesliga und die Regionalliga der Herren die höchsten Ligen, in denen die 27-Jährige Spiele leiten darf. Etwas getrübt wird die Freude über die FIFA-Nominierung aktuell durch Corona, räumt die Ruhmannsfeldnerin ein: „Momentan sind international leider keine Spiele, aber man muss die Situation annehmen. Es ist auch eine neue Erfahrung, an einem FIFA-Lehrgang im eigenen Wohnzimmer teilzunehmen.“ Per Videokonferenz mit 50 anderen neuen FIFA-Referees aus aller Herren Länder.

Doch Franziska Wildfeuer hadert nicht, sondern sieht es als „Privileg“, in diesen Zeiten überhaupt ihr professionelles Hobby ausüben zu dürfen, immerhin sind die erste und zweite Frauen-Bundesliga im Spielbetrieb, nach dem strengen Hygienekonzept von DFB und DFL. Für sich selbst hat die selbstständige Physiotherapeutin frühzeitig die Weichen gestellt, um gerüstet und flexibel genug zu sein für internationale Einsätze, hat Beruf und Privatleben („Meine Frau hat selbst Fußball gespielt und hat deshalb viel Verständnis, wir teilen die Leidenschaft am Sport und am Fußball.“) entsprechend ausgerichtet.

Franziska Wildfeuer hofft auf eine baldige Zeit nach Corona, um „so viele internationale Einsätze wie möglich“ zu bekommen. „Denn so kann ich Erfahrungen sammeln und mich weiterentwickeln.“ Die „Waidlerin“ beschreibt sich als „sehr zielstrebig und fokussiert“ und möchte „step by step“ in den Profibereich aufsteigen, die dritte Liga wäre das nächste Etappenziel. Dass Franziska Wildfeuer das schafft, davon ist ihr Vorbild Bibiana Steinhaus-Webb überzeugt. Wildfeuers deutsche Vorgängerin auf der FIFA-Liste wird mit den Worten zitiert: „Ich bin mir ganz sicher, dass die Regionalliga nicht die letzte Stufe sein wird.“

Verein: Heimat:
Die 27-Jährige ist für den VfB Lübeck aktiv. Entsprechende Kontakte haben sich „durch die Schiedsrichterei“ ergeben.Begonnen hat alles bei der SpVgg Ruhmannsfelden. Nach wie vor verfolgt sie das sportliche Geschehen im Bayerwald und hält Kontakt vor allem zur Familie. (cjz)

Zeitlich lasse sich das schlecht definieren, wann es soweit sein soll, schließlich müssten viele Faktoren zusammenspielen. „Aber das A und O ist die Leistung auf dem Platz.“ Gibt es denn Unterschiede zwischen Frauen- und Männerspielen? Formal nicht, sagt „Franzi“ Wildfeuer: „Die Regeln sind gleich, und alle verfolgen dasselbe Ziel. Und ich sieze alle Spieler.“

Aber in Spielweise und Kommunikation ließen sich durchaus Unterschiede feststellen. „Ich finde, bei Männern kann man verbal mehr erreichen als bei Frauen, die oft so im Tunnel sind, dass sie 90 Minuten nicht ansprechbar sind. Bei Männern kann ich, abhängig von der Spielsituation, vielleicht auch mal einen Small Talk machen.“

Spiel mit 30 000 Zuschauern

Die klassische Reporterfrage nach dem bisherigen Höhepunkt darf natürlich nicht fehlen – gibt es den? „Jedes Spiel an sich ist ein Highlight. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir ein internationales Freundschaftsspiel zwischen England und Brasilien vor über 30 000 Zuschauern und in der Herren-Regionalliga ein Spiel zwischen St. Pauli II und HSV II“, sagt sie.

Was macht denn für Franziska Wildfeuer den Reiz an der Schiedsrichterei aus? „Es ist einfach ein geiles Gefühl, Schiedsrichterin zu sein. Das ist eine Schule fürs Leben, eine Persönlichkeitsschule. Du triffst Entscheidungen, musst dich dafür auch mal rechtfertigen und kritikfähig sein. Es macht wahnsinnig viel Spaß, verschiedene Menschen und Charaktere kennen zu lernen. Als Schiedsrichterin bin ich richtig aufgeblüht, wie eine Blume, der man das richtige Wasser gibt.“