Fussball FCN: Euphorie dank eines Oberpfälzers
Michael Köllner übernahm den Club, als dieser am Boden lag – nun kommen die Franken als Spitzenreiter nach Regensburg.

Nürnberg.Als die Partie gegen den 1. FC Kaiserslautern endlich beendet war, quittierten die treuen Anhänger des 1. FC Nürnberg die zuvor gebotene Leistung der Profikicker ihres Herzensvereins mit Pfiffen.
Es war weniger Wut, denn Enttäuschung, die bei den Fans lautstark raus musste. Zu tief saß der Frust nach einem abermals trostlosen Spiel, das ein ideen- und mutloser Club im Mai dieses Jahres auf dem Betzenberg 0:1 verlor – der abschließende Mollakkord am finalen Spieltag der Saison 2016/17, welche die Franken auf Platz zwölf der 2.Liga abschlossen.
„Wir fahren enttäuscht nach Hause, denn so stellt man sich ein Saisonende nicht vor“, resümierte Coach Michael Köllner. Die Stimmung rund um den fränkischen Traditionsverein im Frühjahr 2017 war mies. Knapp drei Monate später, nach dem Eröffnungsspiel der Saison 2017/18 im heimischen Max-Morlock-Stadion am Sonntag gegen eben jene Lauterer, hörte sich der euphorisierte Chor der Fans plötzlich so an: „Spitzenreiter! Spitzenreiter!“
Die Profikader des FCN 2017/18 in einer Bildergalerie:

Ein spiel- und lauffreudiger FCN hatte soeben den FCK mit 3:0 überrannt und war am ersten Spieltag dieser Zweitliga-Spielzeit an die Spitze gestürmt. Trainer Köllner bilanzierte zufrieden: „Es ist immer gut, überzeugend in einen Saison reinzukommen. Die Zuschauer haben wunderschöne Tore gesehen und einen verdienten Heimsieg.“ Anfang August 2017 kommen der Club und sein Umfeld auf einmal optimistisch daher.
Der FCN ist der stimmungsvolle Beweis dafür, dass auf der emotionalen Bühne des Fußballtheaters die Rollen aberwitzig schnell wechseln – gestern hässlicher Prügelknabe, heute strahlender Held. Dass sich die sportlichen Darbietungen des kickenden FCN-Ensembles innerhalb eines Vierteljahres dramatisch verbessert haben, liegt vor allem an der Regie des Oberpfälzers Köllner.
Das Team wiederbelebt
Der 47-jährige Coach aus Fuchsmühl (Landkreis Tirschenreuth) hat in den vergangenen Monaten ein siechendes Team wiederbelebt. Der Trainer setzt auf mutigen, laufintensiven Fußball, der von seinen Spielern enorme Puste abverlangt. Das Fundament des offensiven Spiels ist die Defensive, die zuletzt gegen Lautern, ebenso wie in der gesamten Vorbereitung, stabil stand.
Apropos Saisonvorbereitung: Sieben Testspiele absolvierten die Fußballer des FCN, sieben Siege feierten die Franken – darunter beachtliche Erfolge gegen Inter Mailand (2:1) und Borussia Mönchengladbach (2:1).

Die positiven Ergebnisse sowie das ansehnliche Spiel der Mannschaft weckten bei den Club-Fans bereits vor Saisonstart einen lange nicht mehr gekannten Optimismus.
Spätestens nach dem souveränen Sieg gegen den FCK ist daraus Euphorie geworden.
Beim SSV Jahn Regensburg wollen die favorisierten Franken im Spiel am Sonntag (13.30 Uhr) ihre Serie ausbauen. Doch während manch Fan bereits wieder vom Aufstieg träumt, gibt sich das Team zurückhaltend.
Team will auf dem Boden bleiben
Club-Kapitän Hanno Behrens, seit Wochen in bestechender Form, sagt zwar, dass „sich die Fans nun gerne der Euphorie hingeben dürfen“. Nach dem ersten von 34 Spieltagen wollten er und die Mannschaft aber bevorzugt „auf dem Boden bleiben“.
Dafür wird Coach Köllner gewiss sorgen. Der Oberpfälzer hat klare spieltaktische Vorstellungen und ist deutlich in seinen Aussagen. Verklausuliert geschwurbelte Worte sind dem Übungsleiter fremd. Mit seiner direkten Art ist Köllner, gerade zu Beginn seines Engagements in Nürnberg, mitunter angeeckt. Weil es momentan sportlich aber rund läuft, ist davon derzeit nichts zu spüren.
Als Köllner im März dieses Jahres Nachfolger des glück- und erfolglosen Alois Schwartz auf der Trainerbank der Profis wurde, war nicht abzusehen, dass sich die Mannschaft derart positiv entwickeln würde. Sein Engagement war zu Beginn von Skepsis begleitet. Nachdem Köllner im März 2016 zum Leiter des Nachwuchsleistungszentrums des Club berufen worden war, hatte er vier Monate später zunächst das Regionalliga-Team des FCN übernommen – mit überschaubarem Erfolg. Das Team spielte zwar im oberen Tabellendrittel mit, aber nie ernsthaft um die Spitze.
Ein Kommentar zur Lage beim FCN von MZ-Redakteur Thorsten Drenkard:
Und auch während seiner elf Spiele als Coach der Zweitliga-Mannschaft stimmten die Ergebnisse meist nicht. Sein Schnitt von 1,18 Punkten pro Spiel war gar schlechter als der des ungeliebten Alois Schwartz (1,28). Doch Köllner, der zwischen 2009 und 2012 die Jugendkicker des SSV Jahn trainierte, fand damals während der laufenden Saison eine ausgebrannte Mannschaft vor. Während der vergangenen intensiven Vorbereitungswochen gelang es ihm, den Spielern neues Feuer zu geben. Auch durch die sieben Neuzugänge sieht Köllner die Mannschaft „super verstärkt“.
Aktuell präsentiert sich der 1. FC Nürnberg als selbstbewusste, harmonierende Einheit – ein klares Verdienst des Trainers. Damit das auch so bleibt, will Köllner mit seinen Franken nun gegen den Jahn einen Sieg in seiner Oberpfälzer Heimat einfahren. Schließlich weiß er nur zu gut, wie schnell sich alles im überdrehten Fußballzirkus drehen kann.
Weitere Sportmeldungen aus der Region finden Sie hier.
Alles rund um den FCN können Sie hier nachlesen.
Weitere Artikel aus diesem Ressort finden Sie unter 1.FC Nürnberg.
Kommentar
Zauberhafter Anfang
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, hat Hermann Hesse einmal geschrieben. In seinem Gedicht „Stufen“ betrachtet der Schriftsteller das Leben und seine...