Heiligabendessen
Weihnachtsritual Krabbencocktail

Angelika Sauerer isst Krabbencocktail nur am Heiligen Abend. Da darf er aber auf keinen Fall fehlen.

15.12.2021 | Stand 12.10.2023, 10:03 Uhr
Angelika Sauerer

Ein Kind der 70er: der Krabbencocktail mit Ananas, Sellerie und Zitrone Foto: Ritter

Wenn ich jetzt verrate, dass es bei uns zu Hause an Weihnachten immer Krabbencocktail gibt, weiß jeder Bescheid: Aha, die Siebziger zeichnen sich ab, als neben dem Garnelensalat auch Mettigel, Käsespieße, Russeneier und Fliegenpilze die kalten Büffets eroberten. Und in der Tat beschloss um 1970 herum meine sonst so bodenständig wie auch ausgezeichnet kochende Mutter in einem Anflug von Extravaganz, der Familie am Heiligen Abend einen Krabbencocktail zu kredenzen.

Ein Salat, der einfach nur zusammengemischt werden muss – und dennoch mords was hermacht – war ein gefundenes Essen.

Seit ich denken kann, gab es fortan dieses wunderbare Gericht, in dem sich Süße, Säure, Salz und Schärfe in traumhaft sahniger Harmonie am Gaumen treffen, ausschließlich am Heiligen Abend. Es wäre mir wie ein Frevel vorgekommen, irgendwann und ohne Anlass einfach so Krabbencocktail zu essen. Er wurde mir als etwas ganz Besonderes angekündigt, und als solchen habe ich ihn auch andächtig gelöffelt.

Seine Herstellung ist denkbar einfach, was seinen Siegeszug auf unserem weihnachtlichen Speiseplan stark begünstigte. Denn mindestens bis zur Hälfte und oft darüber hinaus war der Tag der Bescherung auch immer ein Putztag, an dem das Unterste zuoberst gekehrt wurde, bevor das Christkind seinen zarten Fuß über die Schwelle setzen durfte. Ein Salat, der einfach nur zusammengemischt werden muss – und dennoch mords was hermacht – war ein gefundenes Essen.

Freilich mussten sich die Großeltern, die zum Essen immer zu uns kamen, erst daran gewöhnen. Ich kann mich zwar an keine Kritik erinnern, aber in der Rückschau könnte das hartnäckige Bestehen meines Opas auf seinen Mettenwürsten darauf hindeuten, dass er sich vorher nicht ganz satt gegessen hatte. Jedenfalls kamen um Mitternacht Weißwürste mit süßem Senf und Brezen auf den Tisch, als geerdetes Gegengewicht zu den Garnelen. Und nie versäumte der Großvater zu mahnen: „Aba fei net siadn“, was so viel hieß wie, die Würste auf keinen Fall zu sieden, damit sie nicht platzen. Einmal sind uns die schönen Weißen nämlich im Kochwasser explodiert. Mir war das eigentlich wurst, ich hatte eh keinen Hunger mehr.

Die Würste haben nicht nur diesen Abend, sondern auch die Jahre nicht überlebt, der Krabbencocktail schon. Und so geht dieser Ananas-Sellerie-Krabbensalat, ohne den ich mir definitiv kein Weihnachten vorstellen kann: Alle Zutaten miteinander vermischen, salzen, pfeffern und mit Zitrone abschmecken. Wer mag, kann auch ein gekochtes und klein gehacktes Ei dazutun.

Auch bei Isolde Stöcker-Gietl und Christian Kucznierz gibt es Heiligabendessen-Rituale. Welche das sind, lesen Sie hier: DieBrotsuppewar ein Festessen in der kargen Kriegs- und Nachkriegszeit sie weckt heute noch Erinnerungen. Und derKartoffelsalatschmeckt nicht bayerisch, sondern wie „von der Küste“.

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