Gastrotipp
Bittenbinders weltoffene Küche

Der Gastrotipp der Woche: Im Regensburger „Sticky Fingers“ stehen nun Orient und Okzident auf der Karte.

06.08.2021 | Stand 12.10.2023, 10:02 Uhr
Angelika Sauerer
Gastrotest Gastrokritik Sticky Fingers Regensburg Küchenchef Philipp Bittenbinder Untere Bachgasse Foto: altrofoto.de −Foto: Uwe Moosburger

Immer noch dunkel, samtig und verwegen empfängt das Innere des „Sticky Fingers“, diese urbane Insel in der Regensburger Bachgasse. Nach dezenter Überarbeitung sind Bar und Restaurant nun besser getrennt, das Essen nimmt mehr Raum ein. Der Laden könnte gerade so gut in Melbourne, L. A. oder Berlin sein, sagt Philipp Bittenbinder, der neue Küchenchef. Der 33-Jährige bringt die ganze Welt mit.

Seine letzte Station war ein türkisches Sternelokal in Melbourne, gelernt hat er im Gourmettempel Bareiss in Baiersbronn, was schon mal seine Bandbreite andeutet. „Die Basis ist immer die französische Küche“, sagt er. Darauf entwickelt er Ideen aus dem Orient, lässt das Mittelmeer anklingen mischt asiatische Töne dazu. Er kocht, wie er denkt: „Wir sind alle Menschen.“ So weltoffen wie er sind seine Menüs.

Das wird außergewöhnlich

Es beginnt mit „Babylon Leeks“, einer Skyline aus geschmortem Lauch mit Dörrpflaume. Säuerliche Frucht wird von süß-zwiebeligem Lauch eingebettet, Karotten geben Biss und frittierter Reis sorgt für Crunch. Die Richtung ist vorgegeben: Das wird außergewöhnlich. „Surfing Chick“ heißt der nächste Gang. Sollte ihn Bittenbinder je von der Karte nehmen, werde ich ihn vermissen.

Das Onsen-Ei ist eine japanische Spezialität, dabei wird das Ei 45 Minuten bei 64 Grad im Wasser gegart, Eiweiß und Dotter gerinnen cremig. Bittenbinder bettet das Ei auf mit der Smoke-Gun befeuertem Joghurt, garniert mit in Butter gecrumbeltem Milchpulver und setzt mit pergamentdünn-krosser Hühnerhaut die Segel. Inspiriert hat ihn dazu das türkische Frühstück Cilbir, bei dem pochiertes Ei mit Joghurt serviert wird. Der Salzzitronensaibling steht dem Zwischengericht nicht nach: auf den Punkt gegart, ebenso der grüne Spargel. Sumach verleiht der sonst gern langweiligen Hollandaise Spannung.

Chapeau zum Rinderbraten

Der Hauptgang ist eine Hommage an Mutter Bittenbinders Rinderbraten – das 14 Stunden geschmorte Bugblatt zergeht auf der Zunge – in Kombination mit rosazartem Filet. Chapeau! Den Abschluss bildet das Dillsorbet mit Baiser, säuerlich zitronigem Joghurt und weißer Schoko – ein cooles Ausrufezeichen am Ende eines ebenso coolen Abends, für den der aufmerksame und unaufdringliche Service den Rahmen schuf. Und die Cocktails probieren wir dann nächstes Mal.