Wissenschaft
Kollektive im Fokus der Forschung

Die Hansen-Stiftung richtet an der Universität Regensburg eine Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft ein. Diese fördert auch Doktoranden.

29.01.2014 | Stand 16.09.2023, 7:12 Uhr
Louisa Knobloch

Präsident Prof. Dr. Udo Hebel, Prof. Dr. Klaus P. Hansen, Dekan Prof. Dr. Jochen Mecke und Dr. Jan-Christoph Marschelke (v.l.) Foto: Knobloch

Mit einem Festakt wurde am Mittwochabend die neue Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft an der Fakultät für Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften der Universität Regensburg eröffnet. Sie geht auf eine Kooperation mit der Hansen-Stiftung zurück, die sich seit 2003 dem noch jungen Forschungsgebiet der menschlichen Kollektivität widmet. Der Stifter Prof. Dr. Klaus P. Hansen wird die Forschungsstelle als Direktor leiten, die Geschäftsführung übernimmt der Rechtsphilosoph Dr. Jan-Christoph Marschelke.

In seiner Festrede gab Hansen zunächst einen Überblick über die Entwicklung des traditionellen Kulturbegriffs. Diesem zufolge sei die Identität des Individuums zuerst durch die ethnische Herkunft geprägt. Hansens Kollektiv-Begriff verweist dagegen auf eine übergeordnete Vernetzung: Jeder Mensch gehört verschiedenen Kollektiven an. Manche wie das Geschlecht oder die Nationalität sind vorgegeben, andere kann man dagegen frei wählen. Eine Person kann also beispielsweise dem Kollektiv der Männer, dem Kollektiv der Bayern und dem Kollektiv der Kaffeetrinker angehören. Hansen spricht hier von der „Multikollektivität des Individuums“. Es sind nicht die Personen, sondern die von ihnen abstrahierten Eigenschaften – etwa das Kaffeetrinken –, die das Kollektiv ausmachen. Zwischen den Kollektiven, denen sie angehören, ziehen Personen Verbindungsfäden, die je nach Situation Auswirkungen haben können.

Jedes Kollektiv habe gewisse Gewohnheiten, eine eigene Kultur – etwa Jäger oder Golfspieler. „Auch ohne Zuwanderung von außen ist jede Gesellschaft immer multikulturell“, sagt Hansen. Wie Kollektive entstehen, was sich in ihnen abspielt und was die Multikollektivität der Individuen bewirkt, sind einige der Fragen, mit denen sich die Forschungsrichtung befasst. Damit will die Hansen-Stiftung einen „notwendigen Beitrag zur Lösung praktischer Probleme menschlichen Zusammenlebens leisten“.

Der Präsident der Uni Regensburg, Prof. Dr. Udo Hebel, hob das Engagement der Stiftung in der Doktorandenförderung hervor. Durch Graduiertenstipendien werden bundesweit Dissertationsprojekte im Bereich der Kollektivwissenschaft gefördert. Dafür sucht Hansen noch Zustifter, die bereit sind, Doktorandenpatenschaften zu übernehmen. Laufende Dissertationsprojekte befassen sich etwa mit dem „Selbstbild und städtischer Identität der Griechen in der Kyrenaika“ oder dem „Online-Kult ,Beste Freundin‘“. Die Forschungsstelle wird auch das universitäre Lehrangebot erweitern. Für das Sommersemester sind vier Lehrveranstaltungen geplant, darunter Seminare zum Thema „Recht und Kultur“ sowie „Kulturelle Traditionen auf dem gesellschaftlichen Prüfstand“. Darin geht es etwa um Stierkampf, Fuchsjagd und die Waffenkultur in den USA. Zweimal im Jahr soll zudem die Zeitschrift „Kultur und Kollektiv“ erscheinen, in der Forschungsbeiträge aus dem Gebiet der Kollektivwissenschaft veröffentlicht werden. „Ich hoffe, dass wir dadurch stärker wahrgenommen werden“, so Hansen.

Von 2002 bis 2012 betrieb die Stiftung eine Forschungsstelle „Grundlagen Kulturwissenschaft“ an der Universität Passau, wo Hansen 23 Jahre lang als Professor Amerikanistik und Kulturtheorie lehrte. Nachdem Kooperationsverhandlungen mit der Passauer Universitätsleitung 2013 gescheitert waren, richtete die Stiftung die neue Forschungsstelle an der Universität Regensburg ein. Der Kooperationsvertrag hat eine Laufzeit von zehn Jahren.