Wirtschaft
Kult-Imbiss „Würstl-Toni“ sperrt zu

Keine Knacker mehr am Kornmarkt: Jahrzehntelang versorgte Erika Schmidl in ihrer Wurstbraterei Handwerker und Nachtschwärmer.

28.11.2016 | Stand 16.09.2023, 6:39 Uhr
Der „Würstl-Toni“ schließt zum 1. Januar. Jahrzehntelang versorgte Erika Schmidl in der Wurstbraterei Handwerker, Touristen, Taxifahrer, Nachtschwärmer und allerlei „bunte Vögel“ mit Knackern und Currywürsten. −Foto: mt

Schon in den frühen Morgenstunden brutzeln die Würste auf dem Grill. Unzählige davon hat Erika Schmidl in ihrem Leben schon gewendet. Jahrzehntelang versorgte die Regensburgerin Handwerker, Touristen, Taxifahrer, Nachtschwärmer und allerlei „bunte Vögel“ mit Knackern und Currywürsten. Jetzt wird das Geschäft immer schwieriger und sie will aufhören. Die Wurstbraterei Erika Schmidl, die alle Regensburger eigentlich nach wie vor nur als „Würstl-Toni“ bezeichnen, schließt zum 1. Januar.

Normalerweise ist natürlich die Knacker-Semmel der Verkaufsschlager. Wenn Schmidl aber am Wochenende um 5 Uhr aufsperrt, verkauft sie vor allem erst einmal Currywürste und Schnitzelsemmeln an die Spätheimkehrer aus dem Regensburger Nachtleben.

In der Regel hat die Besitzerin heute bis sechs Uhr am Abend geöffnet. „Früher habe ich zum Teil auch bis um elf Uhr nachts gearbeitet“, erzählt sie. „Da kamen dann wirklich alle zu uns: Bunte Vögel, Nachtschwärmer aus den Diskotheken und Striptease-Lokalen. Aber das ist mir dann irgendwann zu viel geworden“, sagt die Mutter von zwei Söhnen. Ihre Jungs wollen das Geschäft nicht weiterführen. Schmidl versteht das: „Knacker-Semmeln sind ein Fünferl-Gschäft“, sagt sie. „Was bleibt einem da pro Semmel? Vielleicht 40 Cent?“

Im Wurstbrat-Geschäft seit 1911

Damit sperrt ein kleines, aber fast jedem Regensburger bekanntes Traditions-Unternehmen am Alten Kornmarkt zu. Seit mehr als hundert Jahren ist die Familie von Schmidl in diesem Geschäft tätig. Und sie ist stolz auf diese Familiengeschichte. An der gefliesten Wand der kleinen Imbissbude hängt ein historisches Bild, das den Kornmarkt mit der Wurstbraterei ihrer Großeltern im Jahr 1911 zeigt. Insgesamt stand Erika Schmidl 47 Jahre lang hinter dem Grill. Schon als Kind half sie ihren Eltern im Geschäft. Tische abräumen, Semmeln schneiden: „Meine erste Wurstsemmel hab ich mit 12 Jahren verkauft. Da hatte ich noch so kleine Hände, dass sie mir zunächst erst einmal runtergefallen ist.“ Später übernahm dann ihr Mann Anton „Toni“ Erl für 18 Jahre das Geschäft. Schließlich war Schmidl selbst 22 Jahre lang Chefin.

Ungefähr 100 Semmeln verkaufe sie momentan noch pro Tag, sagt die Besitzerin. Vornehmlich an Straßenkehrer oder Kanalarbeiter. „Viele sind aber gleich wieder weg, sobald sie mit ihrem Bau fertig sind. Und wenn es mal einen schlechten Winter gibt, bleiben sie alle daheim.“ Auch die Verkehrssituation sei unterdessen sehr schlecht fürs Geschäft, ergänzt ihr Ex-Mann. Das ehemalige Paar versteht sich noch gut. Erl geht Schmidl oft zur Hand. Nur noch wenige Kunden holten sich heute eine Brotzeit mit dem Auto ab. „Sie können nicht mehr richtig in die Stadt reinfahren“, sagt Erl. „Es gibt immer weniger Parkplätze. Alle Geschäfte haben sich zum Neupfarrplatz hin verlagert.“ Insgesamt sei der Umsatz in den vergangenen Jahren dadurch um rund 60 Prozent eingebrochen.

Alle Imbissstuben in Regensburg finden Sie auf Mittelbayerische Maps:

Stadt entscheidet über den Stand

Davon, dass es sich nicht mehr rentiert, will Schmidl aber trotzdem nicht sprechen. „Wenn eine Familie den Betrieb übernehmen würde, könnte sie sicher ein Geschäft machen. Allein mit Angestellten funktioniert es aber nicht.“ Die Braterei ist unterdessen schon zum 1. Januar abgemeldet. Der Stand gehört Schmidl, über den Platz entscheidet aber die Stadt. Wenn jemand die Wurstbraterei übernehmen will, muss er sich theoretisch bei der Kämmerei bewerben. Die Stadt könnte allerdings auch noch beschließen, dass der Stand nicht mehr zum Stadtbild passt. Jetzt wartet Schmidl auf den Brief von den Behörden. Der Gedanke, die Braterei eventuell abreißen zu müssen, schmerzt die Besitzerin.

Schmidl wird im März 64 Jahre alt. Als ihr „Lebenswerk“ bezeichnet sie die Wurstbraterei am Kornmarkt. Sie habe mehr Zeit ihres Lebens in diesen wenigen Quadratmertern Schnellküche verbracht als zu Hause. Sie beschreibt ihre Arbeit als erfüllend, aber nicht immer einfach. Neider, Ärger mit Angestellten: „Manchmal hab ich Rotz und Wasser geheult. So allein wie ich oft war, war keiner.“ Zuletzt wurde ihr die Arbeit dann doch zu viel. Schmidl möchte nun in Rente gehen. Aber das Aufgeben fällt ihr schwer. Eine Abschiedsfeier werde es nicht geben. „Ich muss das erst mal alles verkraften“, sagt sie. „Das geht nicht von heute auf morgen. Jetzt bin ich ja noch da. Aber wenn ich dann daheim hocke, fang ich wahrscheinlich zu spinnen an. Nach mehr als 40 Jahren ist das alles nicht so einfach.“

Vor zwei Jahren machte eine andere Regensburger Institution zu:Unseren Text zur Arnulfsbäckerei lesen Sie hier.