Gründer
3D-Druck: Ein Brautpaar zum Vernaschen

Print2taste druckt individuelle Lebensmittel – aus Marzipan, Nudelteig oder Teewurst. Die Schoko-Maschine für zu Hause folgt.

25.05.2018 | Stand 16.09.2023, 6:12 Uhr

Marzipan-Selfie für die Torte: Das Brautpaar Nicole und Tobias ließ von der Freisinger Firma Print2taste ein 3D-Konterfei drucken. Foto: Christian Oster Photography

Die Spritzdüse des 3D-Druckers bewegt sich ruckelnd über der Schieferplatte und verteilt Marzipan darauf. Schicht für Schicht wächst eine kleine Eule. Als das Surren des Druckers endet, greift Melanie Senger nach dem hübsch ziselierten Vogel und zeigt ihn stolz. Die Eule dient als Tortenverzierung oder Mitbringsel. Ernährungswissenschaftlerin Senger hat die Firma Print2taste mitgegründet. Das junge Freisinger Unternehmen könnte die Lebensmittelindustrie revolutionieren. Print2taste hat einen 3D-Drucker für Essen erfunden und eine Software dafür entwickelt. Der „Procusini“ verarbeitet Schokolade, Kartoffelbrei, Nudelteig, Frischkäse, Hackfleisch, Teewurst und mehr.

Ein Oktopus aus Kartoffelbrei

Melanie Senger füllt Schokoladenmasse in die Drucker-Kartusche und wählt am Laptop ein Programm. In wenigen Minuten stellt der „Procusini“, der ungefähr doppelt so groß ist wie eine Küchenmaschine, ein Mini-Schokokörbchen her. Mit Sahne gefüllt, könnte es eine Nachspeise verschönern.

Auf Tellern im Versuchsraum der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf führen Senger und ihre Kollegin Kathleen Mai Lebensmittel aus dem 3D-Drucker vor: einen Oktopus aus Kartoffelbrei, der ein Zanderfilet schmückt, ein Teewurst-Eichhörnchen auf Pumpernickel, ein Frischkäse-Labyrinth auf Brot und einen Mini-Hummer aus Nudelteig, der ein Pastagericht dekoriert.

Das Startkapital reicht vorerst

Print2taste ist eine Ausgründung der Hochschule für angewandte Wissenschaften Weihenstephan-Triesdorf. Deshalb können die Mitarbeiter das Technikum und Räume am Freisinger Campus nutzen. Melanie Senger und Kathleen Mai führen durch das Technikum mit den hohen Fenstern ins Grüne, führen Kneter, Abfüllmaschine und Vakuumierer vor.

Das alles kann sich die zehnköpfige Firma noch nicht selbst leisten – auch wenn sie als einzige in Deutschland den 3D-Food-Drucker, die Software und Lebensmittel dafür anbietet. Print2taste hat auch eine Niederlassung im Gewerbegebiet. Die Mitarbeiter, von denen einige am Institut für Lebensmitteltechnologie studiert haben, treffen sich mittags stets zum Essen an der Hochschule. „Der Zusammenhalt und der Austausch sind uns wichtig“, erklärt Melanie Senger.

Über die Finanzierungsplattform Kickstarter haben die vier Gründer und heutigen Gesellschafter, darunter Senger, im Jahr 2015 mehr als 40 500 Euro eingesammelt. Inzwischen hat Print2taste Geld von Hightech-Gründerfonds und Bayern Kapital sowie von zwei Privatinvestoren erhalten. „Damit kommen wir noch eine Weile aus“, sagt Senger. Die Mitarbeiter verdienen weniger als in der Industrie, besitzen aber Anteile. Kathleen Mai (26), die als Praktikantin zum Team kam, findet es spannend, „zu wissen, wie ein Lebensmittel funktioniert, was man damit machen und wie man es verbessern kann“.

Umsatzzahlen stimmen die Gründer optimistisch

Die Umsatzzahlen stimmen die Gründer optimistisch. „Die Nachfrage aus dem Bereich Hotel, Catering, Konditoreien und Eventgastronomie steigt stark“, sagt Melanie Senger. Sie setzen den Drucker ein, um etwas Besonderes zu bieten oder um Lebensmittel zu personalisieren. 200 Systeme hat Print2taste weltweit verkauft.

Zu den Kunden zählt das Münchner Brautpaar Nicole und Tobias. Sie haben sich eine außergewöhnliche Hochzeitstorte gewünscht. Bei der Suche stießen die beiden auf Print2taste. Auf Basis eines 3D-Scans von Nicole und Tobias wurde eine Marzipanbüste des Paars für die Torte gedruckt. Die Münchner und ihre Gäste reagierten begeistert.

Hier sehen Sie ein Video, das den 3D-Druck von lebensmitteln zeigt.

Konditormeister Charly Eisenrieder, der das Café Münchner Freiheit und das in der Pinakothek der Moderne in der Landeshauptstadt betreibt, ist zwar vom Print2taste-Gerät überzeugt, doch ihn enttäuscht die Kundenresonanz. „Die Nachfrage nach individuellen 3D-Darstellungen von Personen ist sehr mäßig“, sagt er. „Vielleicht ist die Zeit für die Idee noch nicht reif.“

„Wir sind erst ganz am Anfang. Die personalisierte Ernährung kommt in fünf bis zehn Jahren.“Gerd Funk, Geschäftsführer Print2taste GmbH

Print2taste-Geschäftsführer Gerd Funk ist überzeugt, dass der Lebensmittel-Druck eine großartige Zukunft hat. „Wir sind erst ganz am Anfang.“ Der nächste Schritt sei, dass mehrere Lebensmittel gemischt werden, der 3D-Drucker etwa Pralinen mit Füllung aufschichtet. Funk, ein Maschinenbau-Ingenieur, rechnet damit, dass in fünf bis zehn Jahren die personalisierte Ernährung kommt.

Ein gesunder Hamburger

Der 3D-Drucker soll dabei helfen, das Essen auf bestimmte Zielgruppen abzustimmen. „Der Marathonläufer braucht einen höheren Eiweißgehalt, Ältere benötigen weniger Salz und mehr Nährstoffe, andere haben Unverträglichkeiten“, sagt Gerd Funk (51). Senger ergänzt: „3D-Food-Printing wird die Lebensmittelindustrie disruptiv verändern, da erstmals die wirtschaftliche Herstellung von Essen möglich wird, das in Bezug auf Aussehen, Geschmack und Nährstoffzusammensetzung auf einen Menschen abgestimmt werden kann.“

Sie stellt sich einen Drucker mit sechs Köpfen vor, der mehrere Zutaten zugleich verarbeitet, zum Beispiel zu einem Hamburger, der außen salzig und fett ist, innen aber schwächer gewürzt und mager. Print2taste wolle durch weitere Forschung „weltweiter Innovations- und Technologieführer bleiben“. Zunächst aber haben die Freisinger vor, einen handlichen Schoko-Drucker für zu Hause zu konstruieren und weitere für den „Procusini“ perfektionierte Lebensmittel anzubieten.

Das aufstrebende Unternehmenbefindet sich wohl in einem Kopf-an-Kopf-Rennen, denn eine spanische und eine niederländische Firma stellen ähnliche Food-Drucker her – allerdings nicht die perfekt angepassten Lebensmittel, die auf Forschung basieren. Auch südkoreanische Wissenschaftler tüfteln auf diesem Zukunftsfeld.

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