Gründer
Der Regensburger Nerd mit der Super-Idee

Mit dem Start-up Vuframe erobert Andreas Zeitler den Weltmarkt. Jetzt könnte er den wichtigsten Digitalpreis abräumen.

25.04.2018 | Stand 16.09.2023, 6:05 Uhr

Der Roboter für die Autoindustrie wiegt 1,5 Tonnen und kostet 600 000 Euro. Mit der Vuframe-App kann ihn Andreas Zeitler virtuell in jeder Werkshalle oder in seinem Büro platzieren – und bewegen. Foto: altrofoto.de

Das erst dreijährige Unternehmen Vuframe residiert in historischen Räumen am Krauterermarkt. Der Eingang versteckt sich ganz hinten im Innenhof des Bischofshofs. Über knarzende Holztreppen erreicht man das Start-up im zweiten Stock. Gründer Andreas Zeitler, ein 31-Jähriger im Batman-T-Shirt, führt durch die Räume und stellt sein Team vor: junge Softwareentwickler, 3-D-Grafiker, Projektmanager und Betriebswirte. Alt und Neu gehen am Krauterermarkt eine ideale Verbindung ein. Die Marketingleute sitzen mit ihren Bildschirmen nur wenige Meter vom Dom entfernt.

Die Möbel daheim ausprobieren

Andreas Zeitler erobert mit seiner Firma und der gleichnamigen App gerade den Weltmarkt. Vuframe nutzt Augmented und Virtual Reality (AR und VR). „Mit der App kann ich Möbel bei mir daheim ausprobieren“, erklärt der Wirtschaftsinformatiker. „Ich sehe eine Rolf-Benz-Couch im Möbelhaus und schicke die Ansicht über die App nach Hause.“ Seine Frau könne mit dem Tablet testen, wie das Sofa daheim aussehen und hineinpassen wird. Jeder kann die App kostenlos nutzen, wer aber seine Produkte dort veröffentlicht, muss eine Lizenz erwerben. Dass alle Firmen mittlerweile ihre Erzeugnisse in 3-D am Computer planen, vereinfacht das Ganze. Vuframe macht diese 3-D-Daten nun „erlebbar“.

„Es ist wirklich, als würde man im dritten Stock des Gebäudes stehen und beim Morgenkaffee den Ausblick genießen. Alles wirkt extrem realistisch.“Dominik Schmid, Marketingchef

Wer eine Wohnung kaufen möchte, die geplant, aber noch nicht gebaut ist, kann mit der App einen virtuellen Rundgang unternehmen und sogar den künftigen Ausblick sehen – wenn Drohnenfotos vorliegen. Marketingchef Dominik Schmid (34) beschreibt das so: „Es ist wirklich, als würde man im dritten Stock des Gebäudes stehen und beim Morgenkaffee den Ausblick genießen. Alles wirkt extrem realistisch.“

Andreas Zeitler weiß, dass seine Erfindung großes Potenzial birgt. „Mit Vuframe kann jedes Produkt, zu jeder Zeit, an jedem beliebigen Ort virtuell mit Augmented und Virtual Reality vorgeführt werden“, sagt er. Das funktioniert nicht nur beim Designersessel, sondern auch beim Roboter für die Autoindustrie oder beim Tor für die Maschinenhalle. Zeitler führt es vor.

Siemens als Partner gewonnen

Durch die Kamera im Tablet wird der Eingangsbereich des Büros erfasst. In diesen virtuellen Raum am Bildschirm wird mit Hilfe von Augmented Reality ein Roboter für die Autoindustrie live und 1:1 projiziert. Man sieht, es ist ein rotes Monstrum, so hoch wie eine Tür. Mit dem Finger am Tablet dreht Zeitler den Greifarm. Der Gründer will, dass seine App auch Vergnügen bereitet. „Man kann langweilige Informationen unterhaltsam rüberbringen.“ Weltweit 70 Kunden hat Vuframe bereits begeistert, in den USA, Kanada, Nigeria oder den Vereinigten Arabischen Emiraten. Kleinfirmen zählen ebenso dazu wie Mittelständler und Konzerne: etwa Bosch Siemens Hausgeräte, Hama, Rolf Benz, S. Oliver und die Blanco- Gruppe.

Zusammen mit dem Kunden Siemens AG Real Estate hat es Vuframe auf die Shortlist des Deutschen Digital Award 2018 geschafft (Kategorie: Digitale Transformation und Innovation). Die Regensburger haben die Chance auf Gold, Silber oder Bronze bei der bedeutendsten Auszeichnung der Digitalbranche. 450 Bewerbungen wurden eingereicht. „Wir haben mit unserer Augmented und Virtual Reality App überzeugt“, freut sich Andreas Zeitler. Satiriker Jan Böhmermann moderiert die Verleihung am heutigen Donnerstag in Berlin.

Siemens ist ein wichtiger Kunde

Was hat Siemens damit zu tun? Ein Areal des Global Player an der Erlanger Paul-Gossen-Straße soll in den nächsten 20 Jahren zu einem nachhaltigen Stadtquartier umgebaut werden. Innovative Büro-, Forschungs- und Laborjobs werden entstehen. Mit Hilfe der Vuframe Plattform wurde das Bauvorhaben noch während der Planungsphase visualisiert. Die Öffentlichkeit kann sich mit der App informieren und den Campus virtuell erleben.

Andreas Zeitlers Erfolg kommt nicht von ungefähr. Er arbeitet seit seinem 16. Lebensjahr als selbstständiger Programmierer. Neben Schule und Bachelorstudium an der Uni Regensburg tüftelte er an Computerspielen. Er erledigte Auftragsarbeiten für Fachverlage.

Als das iPad 2008 auf den Markt kam, wollte Zeitler gerade aufhören mit der Spieleentwicklung. Der nächste Job sollte aufbauen auf dem bisherigen Know-how, von der 3-D-Grafik bis zu virtuellen Welten.

Workaholic und Perfektionist

Der 31-Jährige kauft gern online ein, weil er sich dabei nicht an Ladenschlusszeiten halten muss. Das Zurückschicken aber hasst er. Es kostet Freizeit. Dieses Problem wollte er mit einer App lösen. Drei Jahre programmierte er mit seinem Team, bis Vuframe marktreif war. Er investierte – auch Geld von Kapitalgebern.

Viele Menschen ängstigen sich vor der Digitalisierung. Zeitler hält dagegen. „Auch so etwas ist Digitalisierung, wenn der Außendienstmitarbeiter nicht mehr mit einem Stapel Kataloge rausgeht, sondern mit einer App, mit der er virtuell alle Modelle vorführt.“

Andreas Zeitler bezeichnet sich als Workaholic und Perfektionisten. „Das ist eine mörderische Kombination. Da muss man sich selbstständig machen.“ Zum Leidwesen seiner Frau braucht er „immer ein Projekt“. Der Regensburger und sein Team sind zuversichtlich, dass sie den Absatz steigern können. Neue Mitarbeiter sucht das Start-up ständig: zurzeit Leute für Büro, 3-D-Grafik und Softwareentwicklung. Der Deutsche Digital Award verschafft der Firma Aufmerksamkeit – bei möglichen Kunden und bei den Spezialisten.

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