Energie
Die neue Energiewelt zieht aufs Dorf

Das Bayernwerk setzt auf Flower-Power und lokale Energiekreisläufe. Tauende smarter Trafostationen werden verbaut.

25.07.2019 | Stand 16.09.2023, 5:30 Uhr

Reimund Gotzel (links) und Egon Westphal von der Bayernwerk AG vor einer der neuen intelligenten Trafostationen Foto: Tino Lex

Das Bayernwerk hat gestern einen ganzen Innovationspark aufgebaut. Am Eingang steht ein e-tron von Audi, neben der Zentrale in der Lilienthalstraße eine intelligente Ortsnetzstation (iONS), ein Neun-Tonnen-Koloss. Zahlreiche Stationen im Parcours machen Journalisten klar, wie der Konzern, der sieben Millionen Bayern versorgt, die Energiezukunft managen will. Vorstandsvorsitzender Reimund Gotzel gibt zu: Anfangs sei die Bayernwerk AG vom Energiewandel getrieben worden, jetzt werde sie zum Treiber.

Der Konzern setzt auf lokale Systeme. Die Energieversorgung zieht aufs Land, in die rund 2000 bayerischen Gemeinden, Märkte und Kleinstädte. Die Vision: In weitgehend selbstständigen Energiezellen leben Menschen von Energie, die sie selbst erzeugen, speichern, kaufen, verkaufen, laden und verbrauchen. „Wie ein Hofladen“, verdeutlicht Gotzel, „in dem lokale Produkte aus eigener oder heimischer Erzeugung im Angebot stehen.“ Drei dieser regionalen Netze sind bereits in Betrieb, eines davon in Abensberg, wo sich rund 300 Menschen für die Idee begeistern. Als Flower-Power beschreibt Gotzel das Prinzip: Blumen und Blätter zusammen- und zum Blühen bringen. Sicher, bezahlbar, lokal, nachhaltig und komfortabel wünschen sich Kunden ihre Versorgung. Gotzel: „Mit den Märkten vor Ort schaffen wir überschaubare Ökosysteme und ein neues Bewusstsein, welche Mitwirkungsmöglichkeiten der Einzelne hat.“

In Großstädten baut die AG auf Arealnetze, die weitgehend autark die Energie für Wohnen, Arbeit, Kultur und Leben liefert und vernetzt – wie im Münchner Werksviertel, wo die kombinierte Versorgung von Strom, Wärme, Abwärme und Kälte entwickelt wird. Als dritte Linie wird, abseits kleinteiliger Strukturen, ein starkes Verteilernetz das Rückgrat für die Industrie.

„Ein System, das über 80, 90 Jahre verlässlich Strom von A nach B geliefert hat, muss sich neu erfinden“, betont Technikvorstand Egon Westphal. Intelligente Module gleichen heute automatisiert Spannungsschwankungen aus, intelligente Trafostationen ermöglichen den Blick ins Innere des Netzes. Lokale Kapazitäten können so punktgenau überwacht und ferngesteuert werden. 2019 werden noch 500 der iONS verbaut, ab 2020 jedes Jahr weitere 100o Stationen. Hintergrund: Ans Verteilernetz ist immer mehr Kraftwerksleistung angebunden. Die Leistung aus erneuerbarer Energie im Netz der AG entspricht heute der von zehn Kernkraftwerken. Aber die Erzeugung ist hoch volatil, kommt mit Wucht und geht oft schnell weg. Ohne smarte Leitsysteme lässt sich das nicht optimal steuern.

Energie und Mobilität rücken zusammen. Für den E-Auto-Boom muss das Bayernwerk nicht nur Ladeinfrastruktur anbieten, sondern zuerst das Zusammenspiel zwischen Ladevorgängen und Stromnetz managen. Hier kommt der e-tron ins Spiel, der am Donnerstag vor der Zentrale steht: Mitarbeiter testen 20 der E-Audis, sammeln Daten, evaluieren Abläufe und Bedarf. „Eine bedeutende Kooperation“, sagt Westphal. Bis 2045 könne das Bayernwerk-Netz bereit sein für 100 Prozent E-Mobilität. Drei Millionen konventioneller Pkw, die heute im AG-Gebiet gemeldet sind, könnten dann elektrisch fahren. Zwei Milliarden Euro wird der Konzern dafür in seine Netze stecken.

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