Zu viel Konsum? Experten: Abfall ist eine komplexe gesellschaftliche Angelegenheit

Regensburg.Mülltrennung ist längst nicht mehr nur eine Option. Die Wiederverwertung von Materialien gehört zu einem der wichtigsten Systeme für den Umweltschutz. Aber reicht das aus?
In einer Pressemeldung des Verbands der bayerischen Entsorgungsunternehmen (VBS) sagt Präsident Stefan Böhme: „Deutschland besitzt im wesentlichen zwei Rohstoffe: Der eine steckt in den Köpfen der Menschen. Der andere befindet sich in unseren Abfällen – bereit für eine zweite Verwendung.“ Demnach müsse eine Kreislaufwirtschaft Teil der Lösung für die aktuelle Rohstoff- und Energiekrise sein. Wichtig dafür seien angepasste Sammelsysteme, die den Bürgern einfache und effektive Mülltrennung ermöglichen.
Scharfe Kritik an Sammelstellen in bayerischen Gemeinden
In dem Zug kritisiert Böhme „die mangelhafte Umsetzung bei der Getrenntsammlung von Bioabfällen.“ Immer noch würden einige bayerische Kommunen – darunter auch Regensburg – verlangen, dass Bürger ihren Bioabfall bei Sammelstellen entsorgen, anstatt jedem eine Biotonne vor die Türe zu stellen. Dadurch würden jährlich Millionen Kubikmeter umweltfreundliches Biogas in der Müllverbrennung landen. In den Landkreisen Regensburg, Neumarkt und Schwandorf werden die Bürger angehalten, ihren Biomüll bei Recyclinghöfen zu entsorgen oder sich eine eigene Biotonne gegen eine jährliche Gebühr anzuschaffen. Im Landkreis Cham ist es sogar obligatorisch, sich eine kostenpflichtige Biotonne vor die Tür zu stellen oder alternativ den Müll selbst zu kompostieren.
Lesen Sie auch: Ärger über den vermüllten Busparkplatz
Max Scheidacker, Geschäftsführer von Zellner Recycling in Regensburg, sieht die Diskussion aber nicht schwarz-weiß. Für Städte und Gemeinden sei es schwer, alle Bedürfnisse gleichermaßen zu erfüllen. Denn: Biotonnen bringen ja auch Herausforderungen mit sich. Da stelle sich vor allem in Städten die Platzfrage und mehr noch die Kostenfrage. Mehr zahlen wolle schließlich auch niemand. Lieber sollte man die Verantwortung für effektive Mülltrennung individuell betrachten. „Jeder kann weniger und vor allem bewusster verbrauchen und die Erwartungen senken, das alles jederzeit verfügbar sein muss“, sagt Scheidacker. Sein Appell richtet sich allerdings nicht nur an die Konsumenten. Auch die Verkäufer müssten besser aufklären, aus was genau ihre Verpackungen bestehen. Zudem sollten sie sogenanntes Green-Washing unterlassen. Dass zum Beispiel Fisch in Papier statt Aluminium verpackt werde, um die Verpackung vermeintlich umweltfreundlicher zu gestalten, sei ein Problem. „Aluminium kann gesäubert, dann ordnungsgemäß entsorgt und recycelt werden. Bei Papier geht das nicht“, sagt der Experte.
„Wegwerf-Konsum-Gesellschaft“ ist das Problem
Regina Elsner vom Umweltamt der Stadt Regensburg beschreibt das Problem als „gesamtgesellschaftlich“. „Wir müssen weg von unserer Wegwerf-Konsum-Gesellschaft.“ Anreize für mehr Recycling seien nicht der entscheidende Faktor. Stattdessen müsse ein Umdenken stattfinden. Dafür reiche es leider nicht, den Hausmüll richtig zu trennen. Der individuelle Konsum muss hinterfragt werden, pflichtet Elsner Scheidacker bei. Denn: Jeder Einzelne trage Verantwortung für die Umwelt und den Planeten. Hinzu kommt: Wie viel letztlich recycelt wird, hänge nicht nur von den Konsumenten ab. Die Preise der Rohstoffe spielen eine entscheidende Rolle. „Wenn neue Produkte günstiger sind als der Recyclingprozess, dann wird es in unserem Wirtschaftssystem schwierig.“ Worauf die eingangs genannte Kritik von Böhme abzielt: Die Vergärung von Biomüll als wertvolle Alternative zu der Verbrennung von Restmüll. Aber Obacht, sagt Elsner: Biotonnen seien nicht so umweltfreundlich wie ihr Ruf. „Die Vergärung ist nur dann besser als die Verbrennung, wenn die Vergärungsanlage weniger als 70 Kilometer von der Sammelstelle entfernt liegt.“ Das habe eine Untersuchung gezeigt. Wenn das nicht der Fall ist, kommt nämlich der CO2-Ausstoß des Transportweges hinzu.
Verbrennung von Müll liefert auch wertvolle Energie
Damit wäre die Umweltbelastung beider Methoden vergleichbar, da der Regensburger Restmüll umweltfreundlich mit der Bahn in die Schwandorfer Müllverbrennungsanlage transportiert werden könne, so Elsner. Zudem würde durch die Verbrennung nicht nur CO2 emittiert werden. „Dabei wird auch Energie produziert, die in der Industrie und in Haushalten gebraucht wird.“ Bleibt nur die Frage, wie klimaneutral der Transport des Restmülls tatsächlich ist. Schließlich werden die Züge zwischen Regensburg und Schwandorf noch mit Diesel betrieben.
Regensburger Müll in Zahlen
Rest- und Biomüll: Nach Angaben der Stadt sind in Regensburg im Jahr 2021 27302 Tonnen Restmüll und 3370 Tonnen Biomüll gesammelt worden.
Recycling: 2021 wurden in Regensburg pro Einwohner etwa 75 Kilogramm Plastikmüll, 67 Kilogramm Papier und 28 Kilogramm Glas recycelt, teilte die Stadt weiter mit.
Weitere Artikel aus diesem Ressort finden Sie unter Wirtschaft.