Aussenansicht Gehaltspoker mal anders
Agile Methoden bringen nicht nur mehr Flexibilität, sie schaffen auch neue Herausforderungen, meint unser Gastautor.

Andere Arbeitsmodelle, andere Sitten: Agile Methoden bringen nicht nur mehr Flexibilität in das Worklife, sie schaffen auch neue Herausforderungen für Führungskräfte und Mitarbeiter. Was in der Vergangenheit als unantastbar erschien, stellt das Prinzip des agilen Arbeitens auf den Kopf: die Gehaltsverhandlung. Bislang weitgehend starr und nach hierarchischen Vorstellungen konzipiert, widerstrebt die klassische Vorgehensweise bei der Verhandlung von Gehältern der agilen Philosophie.
Statt der individuellen Leistung steht hierbei vielmehr die des Teams im Vordergrund. Dementsprechend bedarf es auch eines Vergütungssystems, das sich nach dieser Auffassung richtet. Strebt ein Arbeitnehmer eine Gehaltsanpassung an, bespricht eine von ihm ausgewählte Gruppe von Kollegen die Forderung im Rahmen eines Meetings und nimmt eine Einschätzung der Kompetenzen des Mitarbeiters vor. Ausschlaggebend: Die Beurteilung erfolgt von denjenigen Kollegen, die am engsten mit ihm oder ihr zusammenarbeiten. Zum Schluss geht es ans Pokern, wenn alle Beschäftigten den aus ihrer Sicht „fairen“ Gehaltsbetrag zunächst anonym aufschreiben und auf ein Signal hin dann aufdecken. Aus diesen Zahlen bildet sich ein Mittelwert, der das neue Einkommen festlegt.
Bei hohen Zahlenunterschieden sorgt eine zweite Feedbackrunde meist für ein klares Ergebnis. Sollte jedoch auch nach diesem zweiten Durchlauf keine Einigung zustande kommen, muss der Mitarbeiter akzeptieren, dass eine Gehaltsanpassung zum aktuellen Zeitpunkt nicht möglich ist. Für viele mag dieser Prozess auf den ersten Blick befremdlich erscheinen, letztlich führt dieser Ablauf dazu, dass diejenigen die Leistung ihres Kollegen beurteilen, die diese täglich erleben. Da das agile Gehaltssystem auf der Beurteilung eines Teams beruht, handelt es sich um eine faire Methode, die unterschiedliche Perspektiven und Faktoren berücksichtigt. Struktur und Zusammenarbeit des agilen Teams bilden die elementare Voraussetzung für das erfolgreiche Gelingen. Dies fußt auf einem gewissen Reifegrad der Beschäftigten und einer ausgereiften Kommunikationsbereitschaft – denn ohne starke Feedback-Kultur funktioniert es nicht.
Der Autor ist Gründer der agilen Unternehmensberatung flowedoo GmbH. Nach 30 Jahren im Projektmanagement sowohl im Mittelstand als auch in multinationalen Konzernen sowie nach mehreren Firmengründungen bündelt Heintke seit 2015 seine Erfahrungen bei flowedoo.
Die Außenansicht gibt die subjektive Meinung des Autors wieder und nicht unbedingt die der Redaktion.
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