Das hilft der Psyche
Wie man Burnout im Job vermeidet - Sven Hannawald gibt Einblicke

20.07.2022 | Stand 15.09.2023, 4:20 Uhr
Gerd Otto
Aufklärung über Burnout mit (v.l.): Karin Germann-Bauer, Sven Hannwald und Gerhard Lindner −Foto: Timo Lex

Wie sehr psychische Erkrankungen in der unternehmerischen Wirklichkeit immer dominanter werden, und was gegen diesen Trend notwendig erscheint, darüber informierte die Direktion Regensburg-Neumarkt der AOK Bayern mit eindrucksvollen Details und einem Zeugen der besonderen Art.



Sven Hannawald, der 2002 als erster Skispringer in der Geschichte der Vierschanzentournee an allen vier Stationen siegreich war und zu einer weltweit bewunderten Sportlegende avancierte, gab einen sehr persönlichen Einblick in seine Burnout-Erkrankung − zu einer Zeit, als psychische Erkrankungen eher als Randerscheinung empfunden wurden. Heute rangiert diese Form bundesweit bereits auf Platz zwei der Ursachen für Arbeitsunfähigkeit.

„Arbeit strukturiert den Tag“

Zuvor hatte AOK-Direktor Gerhard Lindner darauf verwiesen, dass speziell die Digitalisierung die Arbeitsprozesse wesentlich verändert habe, in denen Smartphone und Laptop zwar neue Freiheiten bescherten. Gleichzeitig aber sei eine klare Trennung zwischen Privatleben und Beruf außerordentlich erschwert worden. Ein Abschalten werde aufgrund der permanenten Erreichbarkeit häufig kaum noch möglich, weshalb Sven Hannawald in seiner Funktion als AOK-Botschafter empfahl, etwa zwei X-Tage (digitale und telefonische Pausentage) pro Woche einzulegen.

Vor diesem Hintergrund zeigte sich Gerhard Lindner angetan, dass aus der Region Regensburg rund 90 Unternehmensvertreter an dem Dialog über das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) teilnahmen, zumal von der Verdichtung der Arbeitsprozesse und der ständig zunehmenden Anforderungen an die psychische Kraft der Menschen alle im Berufsleben betroffen seien, „unabhängig von Hierarchien.“

Fehlzeiten nehmen zu

Ein Blick auf den Fehlzeiten-Report 2021 der AOK Bayern zeigt, dass die aufgrund psychischer Erkrankungen erfolgten Fehlzeiten im Laufe des vergangenen Jahrzehnts um nicht weniger als 56 Prozent zugenommen haben. Im Raum Regensburg, darauf verwies Karin Germann-Bauer, die AOK-Koordinatorin für das betriebliche Gesundheitsmanagement, sei jeder Mitarbeiter 2021 im Durchschnitt rund 3,3 Tage wegen psychischer Ursachen arbeitsunfähig gewesen, in Bezug auf Muskel- und Skelett-Erkrankungen wurde ein Wert von 5,1 Tage ermittelt. Vor allem aber dauern psychische Krankheiten mehr als doppelt so lang als der Durchschnitt anderer Anlässe für Arbeitsunfähigkeit.

Auch als Ursache für Frühverrentung spielen psychische Erkrankungen eine außerordentlich dominante Rolle, wie Jutta Preisinger vom Bildungswerk der bayerischen Wirtschaft (bbw) betonte. Auf die Frage, ob die Arbeit selbst krank mache, verwies Preisinger vielmehr auf den „Gesundheitsfaktor Arbeit“.

Mit Mitarbeitern sprechen

Beschäftigung sichere schließlich den Lebensunterhalt, ermögliche Begegnungen mit anderen Menschen oder schlicht: „Arbeit strukturiert den Tag.“ Sogar als gesundheitsfördernd bezeichnete die bbw-Expertin die Arbeit, freilich nur dann, wenn sie sinnstiftend sei, einen fordere, ohne zu überfordern, und vor allem Anerkennung vermittle. Wertschätzung sei ohnehin das „Zaubermittel“ mit Mehrfachwirkung.

An die Adresse der Führungskräfte in den Unternehmen plädierte Jutta Preisinger dafür, die Fürsorgepflicht ernst zu nehmen, „also mit den Mitarbeitenden zu sprechen.“ Neben Vertraulichkeit sei es wichtig zu erkennen, dass auch psychisch erkrankte Mitarbeiter mündige, eigenverantwortliche Menschen seien.