Lebensmittel Wird das flüssige Gold unbezahlbar?
Der Brexit könnte ein Bremsklotz für den schottischen Whisky werden. Bayerische Produkte werden davon eher nicht profitieren.

Regensburg.In der Kingsbarns-Destillerie nahe der schottischen Universitätsstadt St. Andrews plätschert eine farblose Flüssigkeit aus einem kupfernen Hahn. Damit Scotch-Whisky seine bernsteinfarbene Tönung und seinen Geschmack erhält, muss er zunächst jahrelang in Eichenfässern lagern.
Ähnlich lange dauert es mit dem Brexit. Erst in einigen Jahren wird klar sein, welche Folgen der geplante Austritt der Briten aus der Europäischen Union haben wird. Die Unsicherheit trifft auch die Whisky-Industrie. Gut 90 Prozent der schottischen Whisky-Produktion geht ins Ausland. Ein Drittel davon in die EU. Zweitwichtigster Absatzmarkt sind die USA.

Doch das Problem mit dem Brexit ist nicht so sehr der Whisky-Export auf den europäischen Kontinent – der würde dank einer Ausnahmeregel bei den Vereinbarungen der Welthandelsorganisation WTO wohl auch weiterhin zollfrei bleiben. Großbritannien drohen aber Zölle für Ausfuhren in eine Reihe von wachsenden Märkten wie Südafrika, Südkorea und Peru.
Nachfrage nach Whisky steigt
Mit diesen Ländern hat die EU Freihandelsabkommen, aus denen Großbritannien mit dem Brexit wohl ausscheiden wird. Bis zu 20 Prozent könnten dort künftig auf Whisky-Importe aufgeschlagen werden, fürchtet der ehemalige Vorsitzende des Branchenverbands Scotch Whisky Association, David Frost, der inzwischen als Berater im Außenministerium arbeitet.
Lesen Sie hier unsere Multimedia-Reportage über den Whisky-Papst von St. Moritz. Seit 20 Jahren hält Claudio Bernasconi den Rekord mit der größten Whiskybar der Welt.
Der Regensburger Whiskyhändler Jonas Hiermer rechnet nicht mit Umsatzeinbrüchen für die Schotten – ganz im Gegenteil. „Whisky ist in. Die internationale Nachfrage ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Die Schotten, Iren und Japaner können sie gar nicht befriedigen.“ Der Brexit spiele da nur eine untergeordnete Rolle. Hiermer betreibt mit seinem Bruder den Laden „The Whisky Brothers“. Dort stellt er keine Brexit-Auswirkungen fest. Lediglich ein oder zwei seiner Produkte sind bisher im Wert gefallen.

Zurück ins Mutterland der exklusiven Spirituose: William Wemyss, Gründer der Kingsbarns-Destillerie, sitzt in der Firmenzentrale in Edinburgh und zuckt mit den Achseln. „Ich habe nicht für den Brexit gestimmt, aber wir sind, wo wir sind.“ Wie viele in der Branche versucht er, dem EU-Austritt mit Zweckoptimismus zu begegnen. Die Hoffnungen liegen auf den vollmundigen Versprechungen von Premierministerin Theresa May, die aus dem Land einen „Vorreiter des Freihandels“ machen will. Vor allem die riesigen Märkte Indien und China sollen für die britische Exportwirtschaft erschlossen werden.
Whisky lässt sich nicht nur trinken. Hier finden Sie ein Rezept für ein Schokoladen-Sorbet mit Whisky
Für mindestens genauso viel Unbehagen wie der Brexit sorgte die Ankündigung der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon, ein zweites Unabhängigkeitsreferendum abhalten zu wollen. Noch immer ist nicht klar, welche Währung ein unabhängiges Schottland verwenden würde.
Die Risiken sind nicht zu unterschätzen. Die Folgen des Pfund-Verfalls seit dem Brexit-Votum sind deutlich zu spüren für die Whisky-Industrie. Zwar kommen Gerste, Wasser und die notwendige Energie hauptsächlich aus Schottland, doch die Flaschen, Etiketten, Korken und Eichenfässer werden größtenteils importiert. Da dürfte es für Aufatmen gesorgt haben, dass Sturgeon das Unabhängigkeitsreferendum auf Eis gelegt hat.
Lesen Sie auch: Zwei Nürnberger haben sich die Parallelen in der Herstellung von Bier und Whisky zunutze gemacht – und das sehr erfolgreich.
Auf der anderen Seite hatte der Absturz des Pfunds positive Seiten. Schottischer Whisky wurde in vielen Ländern billiger. Im Jahr 2016 stiegen die Whisky-Ausfuhren auf mehr als vier Milliarden britische Pfund (4,7 Milliarden Euro). Dass die Preise auch in Deutschland gefallen sind, kann Jonas Hiermer nicht bestätigen: „Die hochpreisigen Whiskys sind nicht billiger geworden, sondern eher noch teurer.“ Der Verfall des Pfunds habe sich auf die Massenware, den „Supermarkt-Whisky“, ausgewirkt.
Hohe Preise sind der Standard
Gerhard Liebl stimmt ihm zu: „Die Preise für den schottischen Whisky sind in den letzten Jahren explosionsartig gestiegen.“ Deswegen glaubt der Inhaber der Spezialitäten-Brennerei und Whisky Destillerie Liebl in Bad Kötzting auch nicht, dass Strafzölle hochpreisigem Whisky schaden würden. „Die Verbraucher sind hohe Preise gewohnt und wissen, was Qualität kostet.“
Würden höhere Whisky-Preise denn den bayerischen Produzenten in die Hände spielen?

„Deutscher und schottischer Whisky bedienen unterschiedliche Geschmäcker. Entweder mag man das Eine oder das Andere. Da spielt der Preis keine große Rolle. Wenn jemand schottischen Whisky will, wird er sich einen kaufen“, sagt Liebl. Mit einer Prognose tue er sich schwer – dafür müsse man erst abwarten, was genau die Politik entscheidet.
Lesen Sie auch unseren Bericht über die Whisky-Hochburg Nürnberg. Deutschlands ältester Whisky-Club ist in Franken zu Hause – und auch eine Akademie, an der man drei Jahre studieren kann.
Jonas Hiermer wird deutlicher: Er glaubt nicht, dass regionale Whisky-Destillen vom Brexit profitieren. Die Produkte seien einfach zu unterschiedlich. Auch die Trinkmotivation sei eine andere: „Bayerischer Whisky wird meist regional getrunken, von Einheimischen und Touristen.“

William Wemyss profitiert indes im Moment vom billigen Pfund: Für Touristen ist Großbritannien ein attraktives Ziel geworden. Wemyss zielt mit seiner erst 2014 gegründeten Kingsbarns-Destillerie auf Golfer, die auf dem nahen Golfplatz ihrem Hobby nachgehen und nebenher etwas über die schottische Brennkunst erfahren wollen. Für ihn hatte der Brexit daher bislang eher positive Folgen. Trotzdem lässt er nicht die Korken knallen.
Sind Sie ein Whisky-Experte? Testen Sie Ihr Wissen in unserem Quiz:
Hier lesen Sie weitere Wirtschaftsnachrichten.
Aktuelles aus der Region und der Welt gibt es über WhatsApp direkt auf das Smartphone: www.mittelbayerische.de/whatsapp
Weitere Artikel aus diesem Ressort finden Sie unter Wirtschaft.