Dieselmotoren
Adblue könnte knapp werden: Legt teures Gas die Lkw lahm?

03.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:49 Uhr
Hier wird getankt: Der Einfüllstutzen für Adblue befindet sich hier direkt neben jenem für den Treibstoff. −Foto: Uli Deck/dpa

Ohne Adblue fahren moderne Diesel nicht. Für die Herstellung des Abgasreinigers wird viel Gas benötigt. Das könnte nun zum Problem werden.



Es ist nicht das erste Mal, dass eine Knappheit von Adblue heraufbeschworen wird. Schon vor einigen Jahren wurde befürchtet, das Abgasreinigungsmittel für Dieselmotoren könnte nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Auch vor knapp einem Jahr mehrten sich diese Bedenken, wegen der schon seinerzeit stark gestiegenen Gaspreise. Und nun gibt es wieder Sorgen. Denn einer der größten Hersteller, die SKW Stickstoffwerke Piesteritz in Wittenberg, warnte davor, wegen der hohen Energiekosten die Produktion einstellen zu müssen. Andere europäische Hersteller haben bereits ihre Adblue-Produktion verringert. Und weiterhin ist es der exorbitanten Gaspreis, der das Angebot dünner werden lässt.

Geht Adblue zur Neige, dann kann das sehr weitreichende Folgen haben. Ohne den Harnstoff, der den Stickoxid-Ausstoß von Dieselfahrzeugen um etwa 90 Prozent senkt, fahren keine halbwegs modernen Lkw oder Busse mehr. Die Elektronik schickt das Fahrzeug in den Notbetrieb auf Fahrradtempo, falls Adblue fehlt. Zwar ist es möglich, die Fahrzeuge umzuprogrammieren, so dass sie ohne Abgasreinigung weiterfahren. Es gibt Berichte, dass dies seit Jahren geschieht, um Kosten zu sparen. Aber das ist illegal. Und der Schadstoffausstoß steigt enorm.

Auch die aktuelleren Pkw, überwiegend jene mit Euro-6-Norm, benötigen Adblue. Fehlt ihnen der Harnstoff, dann gehe zwar der Motor nicht aus. „Aber sobald der Motor abgestellt wird, lässt er sich nicht mehr starten“, sagt ein ADAC-Experte.

Noch gibt es keinen Alarm

In der Landwirtschaft wird Adblue ebenfalls vermehrt eingesetzt. Bei der Spedition Scheck in Neutraubling (Kreis Regensburg) geht man allerdings nicht davon aus, dass der Stoff versiegt. Ein Spezialist des Unternehmens erklärt gegenüber unserer Zeitung, die Lieferanten würden zwar warnen, dass sich die Situation zuspitze. Aber er gehe davon aus, dass er weiter Adblue beziehen kann. Falls es aber doch zu einem Lieferausfall kommt, „dann können wir schlicht nicht fahren“.

Scheck verfüge über Tanks mit einem Volumen von rund 1100 Liter für Adblue. Das hört sich nach viel an. Aber die mehr als 200 Lkw des Betriebs verbrauchten auch – grob geschätzt – pro Woche 4000 Liter.

Die Lkw konsumieren im Schnitt rund 1,3 Liter Adblue pro 100 Kilometer, erklärt der Scheck-Spezialist, der nicht genannt werden mag. Der Dieselkonsum liege bei 25 bis 30 Liter, je nach Einsatzzweck des Lkw.

Auch wenn der Harnstoff weiter zur Verfügung steht – die Preise erreichen ein Niveau, das ihn allmählich auch zu einem – wenn auch kleinen – Kostenfaktor für Transporteure werden lässt. Momentan kaufe Scheck Adblue für mehr als einen Euro pro Liter ein. Der Mitarbeiter kann sich erinnern, dass der Stoff schon mal für 17 Cent zu haben gewesen sei.

Tanken ist selten nötig

Transporteure beziehen Adblue vom Großhandel. Private Verbraucher versorgen sich an Tankstellen oder sie kaufen die Flüssigkeit in Kanistern, die etwa in Baumärkten zu haben sind. An Tankstellen kostet Adblue zurzeit rund 1,50 Euro, im Kanister mehr als zwei Euro.

Pkw müssen nur sehr selten mit Adblue betankt werden. Autos benötigen etwa drei Prozent des Diesel-Konsums. Zwischen 5000 und 15.000 Kilometer reicht eine Adblue-Füllung, lautet eine Faustregel.

Warum schlagen die Gaspreise derart auf Abblue durch? Gas wird für die Herstellung von Ammoniak benötigt. Dies ist der Grundstoff von Adblue. Chemiewerke wie BASF haben die Produktion laut ADAC wegen der Kosten gedrosselt.

Das ist Adblue: AdBlue

ist der Handelsname für eine wässrige Harnstofflösung, die Fahrer von Diesel-Pkw mit SCR-Katalysator zusätzlich zum Treibstoff regelmäßig tanken müssen. Entsprechend ausgerüstete Fahrzeuge sind dazu mit einem Zusatztank ausgestattet.

Die Lösung besteht aus 32,5 Prozent Harnstoff und 67,5 Prozent demineralisiertem Wasser.