Arbeitsmarkt
Viele Betriebe wollen Beitrag leisten

Der Weg ins Berufsleben ist für Geflüchtete oft sehr schwer. Ein wichtiger Erfolgsfaktor sind spezielle Förderprogramme.

01.04.2019 | Stand 16.09.2023, 5:40 Uhr
Volker Waschk

Damit die Integration geflüchteter Menschen in Job oder Ausbildung gelingt, müssen Berufseinstieg und Qualifizierung eng verzahnt werden. Foto: alphaspirit - adobe.stock.com

Die Flucht begann für Hasan Aburashid als Kind, damals in Somalia. Heute ist er 22 – und in Deutschland. Anfangs hatte Aburashid keinen Plan, keine echte Perspektive für seine berufliche Zukunft; inzwischen hat er als Auszubildender bei Elektro Bachner in Dingolfing die Zwischenprüfung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik erfolgreich absolviert. Geschafft hat er das auch mithilfe des Förderprojekts „Perspektiven für Flüchtlinge“ der beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) und der Agentur für Arbeit. Nach einer intensiven theoretischen Vorbereitung auf die Anforderungen des deutschen Arbeitsmarktes konnteAburashid im Rahmen des Projekts mehrere Praktika absolvieren. Dabei fand er heraus, dass ihm die Arbeit im Berufsfeld Elektro liegt. Nun hatte Aburashid eine Orientierung, einen Plan, ein Ziel. Das bfz unterstützte ihn dabei, sich bei Elektro Bachner, einem der Partnerbetriebe des Projekts, zu bewerben. Der Somalier bekam einen Ausbildungsvertrag. Außerdem sei es gelungen, so die Landshuter bfz-Leiterin Ingrid Schmidt, mitgebrachte Schulzeugnisse des Somaliers übersetzen und anerkennen zu lassen. Schulzeugnisse, aber vor allem auch Dokumente über im Heimatland erworbene berufliche Qualifikationen können den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt erheblich erleichtern.

Aufnahmefähiger Arbeitsmarkt

Bereits zuvor hatte der Somalier eine der größten Hürden für Geflüchtete bei der Integration in den Arbeitsmarkt überwunden: den Erwerb der deutschen Sprache. Hasan Aburashid hatte Anschluss bei der Laufgruppe Reisbach gefunden. Hier lernte er schnell, sich zu verständigen. An seinem Beispiel lässt sich gut zeigen, welche Faktoren für die Integration in den Arbeitsmarkt eine Rolle spielen und auch, welche Hürden es noch gibt. Fest steht, viele Betriebe wollen ihren Beitrag zur Integration leisten – auch, weil sich der Fachkräftemangel in fast allen Branchen bemerkbar macht. In Bayern waren nach einer Hochrechnung der Arbeitsagentur Ende des vergangenen Jahres mehr als 59000 Geflüchtete in Arbeit – fast ein Drittel mehr als ein Jahr zuvor. Dazu beigetragen hat Experten zufolge auch, dass die Bundesregierung das Arbeitsverbot auf drei Monate verkürzt hat.

Die bayerischen Industrie- und Handelskammern sehen mit Blick auf die Fachkräftelücke, die laut IHK-Fachkräftereport 2018 auf 260000 angewachsen ist, großes Potenzial in den Geflüchteten. Schon heute entfallen in Bayern fünf Prozent aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge auf einen Geflüchteten, viele davon im Handwerk. „Auszubildende und Fachkräfte sind gefragter denn je. Dabei kommt es nicht darauf an, wo jemand herkommt, sondern ob Leidenschaft für den Beruf und gute Sprachkenntnisse vorhanden sind“, sagt Hans Schmidt, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz.

Aktuell absolvieren gut 800 Flüchtlinge eine Lehre im ostbayerischen Handwerk. „Wir als mittelständisches Unternehmen brauchen Leute mit Potenzial wie Hasan“, sagt Stefan Kitschke, Ausbildungsverantwortlicher bei Bachner. Die Zusammenarbeit mit Arbeitsagentur und Bildungsträgern sei ein wichtiger Faktor bei der Suche geeigneter Azubis, die, wie er erklärt, „sonst nicht den Weg in unsere Firma gefunden hätten“. Junge Geflüchtete selbst auszubilden sei jedoch auch ein gewisser Aufwand. „Das muss man als Firma wollen – genauso wie der Bewerber, der mehr leisten muss als andere.“

Vergleichbare Erfahrungen hat auch Anton Grauvogl, Ausbildungsleiter bei Horsch Maschinen aus Schwandorf, gemacht. Seine Firma lud 20 Geflüchtete einer ausbildungsvorbereitenden Berufsschule zum Praktikum ein und wollte diese anschließend ausbilden. Aus sozialer Verantwortung, aber auch, weil man expandiere und immer Bedarf an Facharbeitern habe. Aus den anfangs 20 Azubis sind zehn geworden: Der Betreuungsaufwand sei schlicht höher gewesen als gedacht. Das liege jedoch nicht an den Jugendlichen, sondern in erster Linie an Behörden, Vorschriften und mitunter fehlenden Perspektiven.

Jobzugang soll leichter werden

Neue Arbeitsmarktperspektiven für Geflüchtete in Bayern verspricht ein Anfang März verkündeter Beschluss der Bayerischen Staatsregierung, die damit auf eine zentrale Forderung bayerischer Unternehmen reagiert. Nach den Worten des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann soll künftig die sogenannte 3+2-Regel „offensiver angewendet“ werden. Diese besagt, dass Geflüchtete während ihrer dreijährigen Ausbildung und im Fall einer Anschlussbeschäftigung weitere zwei Jahre nicht abgeschoben werden können – selbst wenn ihr Asylantrag abgelehnt wird. „Wer besonders engagiert ist, soll bleiben dürfen“, sagt Herrmann. Junge Leute wie Hasan Abura-shid, aber auch sein Ausbildungsbetrieb könnten so zumindest auf Zeit eine echte Perspektive bekommen.

Trotz seines nahezu idealtypischen Integrationsverlaufs bekommt Hasan Aburashid auch nach abgelegter Zwischenprüfung weitere Unterstützung. Der junge Somalier besucht einen spezifischen Stütz- und Förderunterricht des bfz. Darin wird er weiter und intensiv auf ein Berufsleben in Deutschland vorbereitet.

Dieser Text ist ein Beitrag aus der Wirtschaftszeitung. Hier geht es zum E-Paper:www.die-wirtschaftszeitung.de/epaper

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