Champions
Die sanften Saubermänner

Bohrer Regenstauf konstruiert schonende Kastenwascher. Auf die Maschinen vertrauen nicht nur die weltgrößten Brauereien.

28.04.2018 | Stand 16.09.2023, 6:05 Uhr
Bohrer in Regenstauf baut Spezialanfertigungen für Kunden weltweit. Das Unternehmen setzt Maßstäbe in innovativer Reinigungstechnik. −Foto: Bohrer

Vor dem picobello Wohnhaus mit Pool grast ein Mähroboter gemächlich und unbeirrbar den Rasen ab: eine Eigenheim-Idylle wie aus dem Bilderbuch, die einen mitten im Gewerbegebiet von Regenstauf erst mal überrascht. Aber Ludwig und Luise Bohrer waren eben ein Unternehmerpaar vom alten Schlag. Sie haben praktisch gedacht, als sie sich 1980 in der Werner-von-Siemens-Straße niederließen. „So hatten wir es nicht weit zur Firma“, sagt der Senior (78).

Was der unspektakuläre Auftritt kaum vermuten lässt: Das Familienunternehmen mischt die internationale Konkurrenz auf. Die Mitbewerber behalten Regenstauf genau im Auge. Denn Bohrer ist nach Firmenangaben weltweit führender Spezialist für saubere Getränkekästen und setzt Maßstäbe in innovativer Reinigungstechnik.

10 000 Kästen – pro Stunde!

Bier, Limo, Wasser, Cola: Getränke werden in Kästen transportiert. Dass leere Mehrweg-Flaschen vor dem Wiederbefüllen gewaschen werden, ist ja klar. Aber was passiert mit den Kästen? Ein großer Teil verschwindet vor dem nächsten Einsatz in eine der mehr als 1600 Anlagen, die Bohrer gebaut hat. Jever, Krombacher, Warsteiner, Tucher, Bitburger, Paulaner, Corona, Beck: Kaum eine große Brauerei fehlt auf der Referenzliste der Regenstaufer. Sie können sich auch auf Empfehlungen von Mineralbrunnen, Softdrinkindustrie und Molkereien berufen. Frankenbrunnen, Coca-Cola, Gerolsteiner und Emmi sind ein paar der Namen.

Bohrer Kastenwascher ist Experte für Spezialanfertigungen, zugeschnitten auf Ausstoß, Raumbedingungen und andere individuelle Anforderungen. Der vergleichsweise kleine Betrieb mit 25 Mitarbeitern, der unter anderem Feinwerkmechaniker und Technische Produktdesigner ausbildet, kann auf jeden Wunsch eingehen. „Das ist unsere größte Stärke“, sagt Georg Bohrer (42), der die Firma seit 2010 in zweiter Generation führt, mit seiner Frau Susanne an der Seite. „Keine Anlage gleicht einer anderen vollständig. Jede ist eine Sonderanfertigung.“ Die kleinsten Konstruktionen, Kostenpunkt: 40 000 Euro, fertigen 200 Kästen pro Stunde ab, die sehr großen, die dann auch gut eine Million Euro kosten, laufen zweibahnig und schaffen 10 000 Kästen pro Stunde. Hier kommt ein zweites Plus der Oberpfälzer ins Spiel: Der extrem schnelle Reinigungstakt verlangt eine verlässlich funktionierende Technik und Anlagen, die sich selbst reinigen. Das CIP-Verfahren (Cleaning in Place) erlaubt maximale Laufzeiten.

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Beim Werksbesuch wird die Halle gerade von einem silbrigen Koloss belegt, der für Südafrika bestimmt ist: kompakt, glänzend und auf eine gewisse Art ästhetisch. Auf den ersten Blick sieht man ein drittes Plus von Bohrer: Klares Design, schnörkellos und straight, ist ein Markenzeichen der Kastenwascher. „Eine schöne neuzeitliche Form“ nennt das der Firmengründer Ludwig Bohrer. Die Frage der Optik leitete ihn von Anfang an.

Die Serie: Unsere Champions

Der Konstrukteur machte sich 1975 in Zeitlarn als Metallbau-Zulieferer selbstständig, mit einem Lehrling. Das Geschäft lief nicht rund. „Manchmal stand ich da und drehte Däumchen.“ Ludwig Bohrer probierte es mit einem Kastenwascher. „Ich dachte: den kann ich finanzieren und in die Halle passt er auch.“ Gutes Design und leichte Zugänglichkeit aller Bauteile waren ihm wichtig. „Ich entwarf zuerst das Gehäuse und passte die Technik im Inneren an. Das ist beim Auto-Design ja auch nicht anders.“ Das Produkt stimmte – der Preis nicht. Die Branche unterbot sich. Da hatte der Gründer 1992 eine Idee, die den Durchbruch brachte: die TW 80. Die TW-Serie steht bis heute für sanfte Hochleistung. Die Anlagen arbeiten auf drei Ebenen, mit Tauchweichbad statt des einfachen Waschdurchlaufs. Ein paar Sekunden in der Heißlaugeströmung weichen Etiketten und Schmutz ein, sie lösen sich dann leicht ab. „Sanft, aber gründlich“ heißt Bohrers Antwort auf Wascher, die maximalen Druck machen. Georg Bohrer: „Dann verblassen nämlich die immer aufwändiger gestalteten Kasten-Aufdrucke schon nach einigen Waschungen.“

Die TW 80 präsentierte sich bei der Messe 1993 auf der Theresienwiese wie ein Star, mondän beleuchtet, auf Veloursteppich. Das Modell schlug ein. In Regenstauf ergänzen sich heute Handwerk und Industrie 4.0. samt Laserschneider und CNC-Fräsmaschine. Der moderne Maschinenpark macht Bohrer unabhängiger von Zulieferern. „So können wir individueller und schneller selbst fertigen“, sagt Bohrer. „Denn die Kunden bestellen heute und wollen am liebsten morgen die Lieferung.“

Zweites Standbein in der Lebensmittelbranche

Unabhängigkeit ist auch das Schlüsselwort für das Marketing. Wo immer die Getränkebranche Kastenwascher sucht, bietet Bohrer mit. „Der Vertrieb ist 100 Prozent in unserer Hand. Das macht uns stark“, sagt Georg Bohrer. Die Kontakte entstehen bei Messen, vor allem bei den großen Branchentreffen in Nürnberg und München. „Die Messe-Präsenz reicht aber nicht. Man muss auch bereit sein, zu reisen und die Interessenten zu besuchen“, sagt der Wirtschaftsingenieur. Wie damals, als am Stand ein Besucher aus Venezuela vorbeischaute. Ludwig Bohrer buchte für sich und zwei Experten Flüge nach Südamerika, auf Risiko, ins Blaue hinein. „Dann wurden acht Folgeaufträge daraus.“

Die Firma hat die Nase im Wind. Georg Bohrer entwickelt gerade eine neue Produktlinie, als zweites Standbein. „Es geht Richtung Lebensmittel“, verrät der Chef. Die Kästen für Käse oder Fleisch müssen ja schließlich auch mal gewaschen werden.

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