Wissenschaft
Wenn ein A die Farbe Rot hat

Synästheten assoziieren mit Buchstaben oder Zahlen Farben. Für ein Forschungsprojekt sucht die Uni Probanden.

11.03.2021 | Stand 16.09.2023, 3:57 Uhr
Für einen Synästheten kann ein Buchstabe mit einer Farbe verknüpft sein. Ein anderer sieht nur Schwarz-Weiß. −Foto: Nicholas Root

Frisch gebackene Zimtschnecken riechen verführerisch süß – auch wenn das eigentlich unmöglich ist. Denn Süße ist ein Geschmackserlebnis, welches nicht von der Nase empfunden werden kann. Doch über erfahrungsbasierte Assoziationen verknüpfen wir den Geschmack der Backwaren mit dem Geruch, und erleben den Geruch als süß, da wir ihn auch genauso erwarten.

Assoziationen, die im Laufe des Lebens gebildet werden, können alltäglicher Natur sein oder auch ungewöhnliche Formen annehmen. James Wannerton in England erlebt beispielsweise Geschmäcker, wenn er an verschiedenen Stationen des U-Bahn-Systems in London ankommt. Er schmeckt Johannisbeere, Kirsche und verfaultes Fleisch, während andere Menschen nur Quay, Ruislip und Kilburn lesen können. James hat eine Form der Synästhesie.

Voraussetzungen:
Volljährigkeit und Deutsch als Muttersprache. Die Testung erfolgt online und wird selbstständig am Computer ausgeführt.

Synästhesie ist ein Phänomen, bei dem zwei oder mehrere Sinneseindrücke gleichzeitig wahrgenommen werden, auch wenn nur ein Reiz tatsächlich vorhanden ist. Beispielsweise können Synästheten mit gewissen Buchstaben oder Zahlen Farben assoziieren – diese Empfindungen fühlen sich dann genauso real an wie der Buchstabe selbst. Für manche schwebt die Farbe im Raum oder überlagert den Buchstaben, während sie für andere eher ein Gefühl darstellt. Diese besondere Form der Synästhesie (es existieren, je nach Schätzung, nahezu 100 verschiedene Formen!) nennt sich Graphem-Farb Synästhesie. Die Verknüpfungen zwischen Farbe und Graphem sind über die gesamte Lebensspanne konstant und treten automatisch auf.

Ein rätselhaftes Phänomen

Obwohl das Thema seit über hundert Jahren erforscht wird, existiert noch keine Klarheit darüber, woher das Phänomen kommt oder welche Funktion es womöglich haben könnte. Eine Theorie des Entstehens ist, dass Areale im Gehirn, die für die Farbverarbeitung zuständig sind, stark mit Wortverarbeitungsarealen verknüpft sind – die Aktivierung des Areals bei Betrachtung eines Buchstabens führt dann ebenfalls zur Aktivierung des Farbareals. Doch noch ist nichts bewiesen. Abgesehen von der Entstehung des Phänomens stellt sich auch die Frage, nach welchen Regeln sich die Verknüpfungen zwischen bestimmten Farben und Buchstaben formen. Beispielsweise verknüpfen Synästheten und nicht-Synästheten häufig den Buchstaben A mit der Farbe Rot. Doch warum wird ausgerechnet A so oft mit Rot assoziiert und nicht mit einer anderen Farbe? Wie kommt es, dass sowohl Synästheten als auch nicht-Synästheten offenbar diese Präferenz teilen?

Dieser Frage möchten die Universität Regensburg nachgehen. Durch eine Zusammenarbeit zwischen der Universität in Amsterdam, geleitet von Nicholas Root, und einer Mehrzahl anderer Universitäten versuchen Forscher nun Menschen mit verschiedenen Muttersprachen zu erreichen. In Deutschland wird die Probandensuche von Regensburg aus unter der Leitung von Dr. Gregor Volberg durchgeführt.

Der Einfluss der Sprache

Die aktuelle Untersuchung ist die Erweiterung einer Studie, die Nicholas Root 2017 mit seinem Team durchgeführt hat. Damals wurde herausgefunden, dass der erste Buchstabe des Alphabets häufig mit einer sehr auffälligen Farbe assoziiert wird. Diese Zuordnung war in den fünf untersuchten Sprachen von der Position des Buchstabens bestimmt, aber unabhängig von dem am häufigsten mit dem Anfangsbuchstaben assoziierten Wort, der Form des Buchstabens oder seiner Aussprache. Um den Einfluss von Spracheigenschaften auf die typischen Verbindungen zwischen Farben und Buchstaben zu untersuchen, sollen nun weitere Sprachen hinzugezogen werden.

Zurzeit sucht die Uni sowohl Synästheten als auch nicht-Synästheten, die an der Studie teilnehmen möchten. Bei Fragen zu dem Projekt kann man über n.b.root@uva.nl direkt den Projektleiter in Amsterdam erreichen oder das Team an der Uni Regensburg unter saga.oerbom@stud.uni-regensburg.de. Sowohl Anmeldung wie auch Teilnahme erfolge über den Link:https://nlpsych.eu.qualtrics.com/jfe/form/SV_9YMUAlv6QqaL23X?Q_Language=DE&sub_lang=DE&comp=1