MZ-Serie
Auf Deutschlands Bühnen zu Hause

Der Oberpfälzer Volksschauspieler Udo Thomer erbte die Bühnen-Leidenschaft seiner Eltern. Ein Unfall riss ihn aus dem Leben.

31.03.2015 | Stand 16.09.2023, 7:09 Uhr
Bettina Griesbeck
Schauspieler Udo Thomer (l.) spielt mit Michael Boettge auf der Bühne der Luisenburg-Festspiele in Wunsiedel im Stück „In der Löwengrube“. −Foto: Fotos: dpa

Der Biergarten in malerischer Alpenkulisse ist gut gefüllt. Die Sonne strahlt, das Bier schmeckt und ein Zitherspieler musiziert inmitten des Frühschoppenszenarios. Gemütlichkeit liegt in der Luft, bis zwei „Platzhirsche“ aufeinanderprallen: Gustl Bayrhammer in der Rolle des „Hochwürden“ und Udo Thomer als Wirtshausgast, der sein Geld lieber in Bier investiert, statt es nach Hause zu tragen zu Frau und Kind.

Für die beiden bayerischen Schauspiel-Urgesteine waren es Paraderollen, die ihnen wie auf den Leib geschneidert waren. Bayrhammer mit seiner voluminösen Figur in der Rolle des lebenserfahrenen Pfarrers, der über seine Schäfchen wacht und Thomer als etwas einfältiger, einfacher Mann. So auffällig wie Udo Thomer vor der Kamera im Mittelpunkt stand, so schätzte er privat die Anonymität. „Im Biergarten setzte er sich lieber mit dem Rücken zu den anderen Leuten, um nicht erkannt zu werden“, sagt sein einziger Sohn David Thomer. Udo Thomers Mutter habe allerdings auch mal aus Stolz auf ihren Sohn den neugierig blickenden Fans lautstark verraten: „Ja, das ist er!“

Schauspielerfamilie prägte Thomer

Udo Thomer war die Schauspielerei bereits in die Wiege gelegt worden. Er kam am 3. Oktober 1945 in Regensburg als Sohn einer Schauspielerfamilie zur Welt. Zusammen mit seiner Schwester Dagmar wuchs er in der Oberpfalz auf. Seit 1939 war sein Vater Heinrich Thomer Ensemblemitglied am Regensburger Stadttheater. Auch seine Mutter Kitty war als Sängerin dort engagiert. Selbst pensioniert und trotz einer Beinamputation trat Udo Thomers Vater dort noch im Rollstuhl auf. Eine Leidenschaft, die sein Sohn geerbt hatte.

Bevor Udo Thomer sein erstes Engagement am Staatstheater Oldenburg annahm, absolvierte er von 1966 bis 1968 an der Otto-Falckenberg-Schule in München eine Schauspielausbildung. „Seine Eltern waren immer sehr stolz auf den Erfolg ihres Sohnes“, sagt Udo Thomers Sohn David. Den jungen Schauspieler Udo Thomer zog es für andere Engagements unter anderem auch nach Feuchtwangen, Aachen, Krefeld, Dortmund, Wunsiedel und immer wieder in die bayerische Landeshauptstadt. München blieb neben Hamburg der Hauptwohnsitz Udo Thomers. „Mein Vater liebte die Stadt und die bayerische Lebensart – aber er wollte nie in die Bayern-Schublade gesteckt werden.“ In der Lederhose habe man ihn privat nie gesehen, im Biergarten aber sehr oft.

Anfang der 70er Jahre erlebte Udo Thomer einen großen Karrieresprung: als Ensemblemitglied trat er unter anderem am Staatstheater Hannover, am Thalia-Theater Hamburg und im Münchner Volkstheater auf. Darauf folgten erste Fernseh-Angebote für den als humorvoll und warmherzig beschriebenen Schauspieler. Trotz der zahlreichen Engagements nahm sich Thomer immer Zeit für seinen Sohn David. „Wir gingen Wandern bei Garmisch, sind mit dem Rad in den Biergarten gefahren oder mit dem Kanu auf der Donau nach Weltenburg gepaddelt.“

Udo Thomer gehörte der jüngeren Generation der bayerischen Volksschauspieler an. Sozusagen die Garde nach Walter Sedlmayr, Gustl Bayrhammer und Helmut Fischer. Doch ein tragischer Unfall riss den Schauspieler, der vor allem in Nebenrollen glänzte, unerwartet aus dem Leben. Im Januar 2006 stürzte Thomer, gerade mal 60 Jahre alt, bei einem Restaurant-Besuch in München und zog sich dabei schwere Kopfverletzungen zu. Ärzte versetzten ihn ins künstliche Koma, doch nichts half mehr: Am 12. Januar starb Udo Thomer an den Folgen einer Gehirnblutung. „Er ist einer der wenigen Kollegen, von denen ich sagen kann, dass er ein Freund war,“ sagte Ottfried Fischer damals erschüttert über den plötzlichen Tod seines langjährigen Filmpartners. An seiner Seite spielte Thomer in der beliebten Krimi-Serie „Der Bulle von Tölz“ über 30 Folgen lang den tollpatschigen Polizeibeamten Anton Pfeiffer.

Die Bühne war sein zu Hause

So gern Udo Thomer vor der Kamera stand, sein Herz habe doch leidenschaftlich für die Theaterbühne geschlagen, sagt David Thomer. „Bis zu seinem Tod stand er mindestens einmal im Jahr auf den Brettern“ – als Handkes „Kaspar“, Büchners „Woyzeck“ oder Shakespeares „Macbeth“. Er trat bei den Salzburger Festspielen und bei den Burgfestspielen in Mayern auf. Auch bei den Luisenburg-Festspielen in Wunsiedel war er oft zu erleben. Dort gab Udo Thomer den braven Soldat Schwejk, den Rapelkopf in „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ oder auch als verfremdeter Schauspieler in „In der Löwengrube“. „Ich habe meinen Vater noch nie so gut gesehen, wie in dem Stück ,In der Löwengrube‘“, sagt sein Sohn.

Udo Thomer hatte noch Pläne: Er wollte 2006 auf Tournee gehen und im Musical „Anatevka“ die Rolle des Milchmannes Tevje übernehmen. Sein Unfalltod setzte seinen Plänen ein plötzliches Ende. Auf dem Neuen Südfriedhof in München fand der Oberpfälzer seine letzte Ruhe.