Ausstellung
Flirrende Spiegelbilder der Kunst

Zeichnungen,Fotografien, Malereien: Zum zweiten Mal gibt die Galerie Madesta fünf unterschiedlichen Künstlerinnen ein Forum.

06.06.2017 | Stand 16.09.2023, 6:28 Uhr
Gabriele Mayer

Die Ungarin Kamilla Szij, Galeristin Andrea Madesta und die Nürnbergerin Eva von Platen (v.l.) Foto: Galerie Madesta

Nach dem Erfolg der ersten „Frauenzimmer“-Ausstellung in der Galerie Madesta von 2015 folgt nun eine zweite, wiederum mit fünf Künstlerinnen, wobei sich in der Kombination die Qualität der fünf Einzelpositionen noch zu steigern scheint.

Zunächst darf der Besucher bunte geometrische Gegenstände neu arrangieren als Auftakt für die erlesenen Fotodrucke von Nina Rike Springer. Sie bringt Konkrete Kunst, Design, figürliche Darstellung und Konzept-Kunst unter einen bemerkenswerten Hut.

Futuristisch aufgeladene Leere

Nina Rike Springers Bilder haben statt Hintergründen monochrome Bildräume, und die Elemente darin sind geometrisch-abstrakt, bunt, frisch, scheinbar einfach, frech. Die Menschen, die sich dort tummeln, wirken ebenfalls aseptisch, als wären sie lebendige Konkrete Kunst. Auch sie sind bunt, machen locker ihre Verrenkungen, seriell sind ihre Haltungen, wie Abläufe von Arbeitsverrichtungen, als Art auch, wie wir heute linear und spaßhaft, getaktet und isolierend handeln und denken. Sehr zeitgemäß sind diese eleganten Bilder, mit einer Leere, die futuristisch aufgeladen ist.

Im zweiten Raum begegnet man der Welt in Holz- und Linolschnitten auf zartem Japanpapier. Etliche der Bild-Motive von Uta Zaumseil sind an die New-American-Landscape-Fotografie angelehnt. Aber die Arbeiten wirken mit ihren geschichteten und doch transparenten, verhaltenen Farben fast so geisterhaft wie Foto-Negative. Die Welt als Erscheinung: fragil. Manchmal teilt sich ein Bild in mehrere perspektivische Räume auf: ein gestreiftes Haus links im Bild, rechts die Streifen groß herangezoomt und auch noch in sich verschoben. Oder wie ein Scherenschnitt oder Schattenriss: Menschen, die den Mond anschauen. Vergänglichkeits-Romantik ist hier alles.

Ein geheimer Algorithmus

Papierarbeiten der Ungarin Kamilla Szij konnte man in Regensburg schon im Rahmen der „donumenta“ bewundern. Auf ihren Werken ist nichts Gegenständliches zu sehen, und doch ist alles sehr sinnlich, mit einem Reiz, der den Blick ansaugt. Unüberschaubar viele, feinste Bleistift- und Tusche-Strichelchen ergießen sich in dichten Strömen und Rhythmen, expandieren, bilden Muster und Hintergründe, die sich wieder entzerren. All das folgt einem geheimen Algorithmus und wirkt doch ganz anders als ein programmiertes maschinelles Produkt. Man spürt hier den geistigen und den gestischen Gehalt so überbordend.

Eva von Platen ist Professorin an der Nürnberger Akademie und ihr Metier die rasche Zeichnung bzw. Foto-Collage. Sie erzählt mit Bildern Geschichten, indem sie im Motivischen, Formalen oder auf der gedanklichen Ebene assoziative Zusammenhänge und überraschende Pointen in einem Bild oder in einer Bildkombination herstellt. Auf eine Art, die sehr frei und befreiend und Freiräume setzend ist.

Naiv, sadistisch, blind und taub

Die Amerikanerin Lisa Beane ist derzeit „artist in residence“ nahe Regensburg. Auf tafelbildgroße postkartenartige Formate hat sie poppig-naiv und comicartig bunt Kinder gemalt, Figuren aus der amerikanischen Medienwelt, und dazwischen Texte, wie man es von Postkarten erwartet. Sogar Briefmarken sind oben hingezeichnet. Man muss allerdings die politisch-soziale Historie kennen.

Weiße Amerikaner haben Schwarze in vorigen Jahrhunderten aufgehängt, haben das als Show gefeiert, haben es sogar illustrativ festgehalten und herumgereicht. Auf den gemalten Briefmarken hat Lisa Beane erhängte oder gefolterte Schwarze dargestellt. Und in krakeliger Kinderschrift makaber-witzige Kommentare dazugesetzt. Wie Sprechblasen. Wie von Menschen, die naiv, sadistisch, blind und taub sind.

Als fortlaufende Mahnung

Auf uns bezogen bedeutet das: Nicht nur von den Verfehlungen, Unterlassungen und Gemeinheiten muss uns schaudern, sondern vor allem vor dem, was wir ganz selbstverständlich oder mit bestem Gewissen anderen Menschen antun. Auf diese Wunde legt die Künstlerin mit ihren bunten, netten, eingängigen und ungemein raffinierten Bildern den Finger. Diese Spiegelungen sind eine fortlaufende Mahnung.

Weitere Kulturnachrichten lesen Siehier