MZ-Serie
Wildkräuterküche in Göpfersgrün

Das Wirtshaus Gläßl im Gut ist eine vorzügliche Adresse in Oberfranken. Uralte Familiengerichte werden immer noch gekocht.

12.03.2016 | Stand 16.09.2023, 6:54 Uhr
Thomas Dietz
Roland und Margit Gläßl vom „Wirtshaus im Gut“ in Wunsiedel-Göpfersgrün. Hier gibt’s „Fleisch-Rollmops à la Herbergsfritz“ auf der Speisekartenseite „Wos da Baua niad kennt“ ... −Foto: Fotos: Gabi Schönberger

Ja, das Wirtshaus Gläßl im Gut ist eine oberfränkische Perle. „Das hat Lebensart“, sagt der Wirt Roland Gläßl (49) und ist zurecht stolz. Obwohl er der Meinung ist, dass es gescheiter sei, tiefzustapeln: „Es ist besser, wenn die Gäste glücklich wieder hinausschweben, als wenn zu hohe Erwartungen enttäuscht werden.“

Das Dorf Göpfersgrün gehört zu Wunsiedel und liegt an der Staatsstraße 2665. Hier, im schönen Fichtelgebirge, geht es noch ruhig und gemächlich zu. Die älteste Urkunde, die man fand, stammt vom 15. Juni 1135 und erwähnt schon das Gut. Zur 880-Jahrfeier schuf ein Künstler neue und auffällig schöne Ortsschilder. Mineraliensammler wissen auch, dass es hier einst eine Johanneszeche gab, in der etwa Speckstein abgebaut wurde.

Seit 1899 gehört das Gut der Familie Grießinger aus Landsberg am Lech. Als der Sohn mit 31 Jahren dem Sekundentod auf dem Traktor erlag, wurde der Landwirtschaftsbetrieb aufgegeben; das Gut lag brach. 1996 entstand die Idee, ein Wirtshaus einzurichten – und drei Jahre später waren die aufwendigen Umbauten vollendet.

Dass man hier ungewöhnlich gut isst, hat sich herumgesprochen: Ohne Reservierung zu erscheinen, bedeutet hohes Risiko, besonders im Winter, wenn der Biergarten abgeräumt ist. Je 60 Gäste passen in Wirtsstube und Gewölbezimmer, 20 auf die Galerie.

Roland Gläßl wuchs auf dem elterlichen Bauernhof in Wunsiedel auf, „und da hat man ein anderes Verhältnis zu Tieren und einen anderen Qualitätsbegriff“, sagt der Küchenchef.

Kartoffelklöße aus dem Holzofen

Niemals wird er den Sauerbraten seiner Urgroßmutter vergessen, niemals ihre Spatzensuppe (Mehlklöße mit Speck, Zwiebeln und Petersilie). Oder ihre Kartoffelklöße aus dem Holzofen, zwei Drittel roh, ein Drittel gekocht, alles mit der Hand gemacht, ohne Maschine. Roland Gläßl sieht noch den weißen Zehn-Liter-Emailleeimer vor sich, randvoll gefüllt mit rohen, mehligen Kartoffeln, und das schwarze Reindl, 25 mal 15. Klöße gab es oft, Roland ist der älteste von acht Kindern, aber zu viel wurde es keinem. „G’schling nach Großmutters Art“ steht sogar heute noch auf der Karte.

Nach seiner Lehrzeit, der Arbeit im Weißen Roß in Thiersheim und zwischendurch im elterlichen Betrieb, ist dieses Wirtshaus im Gut gewissermaßen die Vollendung. Seine Frau Margit (49), die Metzgereifachverkäuferin gelernt hat, backt umwerfende Kuchen (Käsekuchen vom Blech und gedeckter Apfelkuchen stehen wegen unausgesetzter Nachfrage ständig auf der Karte): „Ich hatte immer den Traum von einem kleinen Café“, sagt sie ironisch. „Und jetzt? Jetzt bin ich in einem großen Narrenhaus.“

Neben dem Credo „Friesch mous saa!“ zelebriert Roland Gläßl seine ungebändigte Experimentierfreude. Bei ihm ist man vor keiner Überraschung sicher, kein Rezept ist ihm zu exotisch, kein Blick über den Tellerrand zu weit. Die grundlegenden Feinheiten gibt es natürlich immer: Fränkische Krensuppe mit Croûtons, Brotsuppe, hausgemachte Blutwurst aus der Pfanne – und eine Vorspeise, bei der gewisse Gäste ihre Contenance verloren haben: in Butter gebratenes Bauernbrot!

Wenn man reinkommt, befindet sich rechts das Aquarium mit Karpfen, Waller und Bachsaibling, die gibt es etwa „blau“ mit brauner Butter und Salzkartoffeln. Es gibt auch Lammkarree, schlachtfrisch, und herzhaft gekochtes Kronfleisch im Wurzelsud, oft auch Reh oder Wildschweingulasch, „weil ich zu den Jägern nicht nein sagen kann“, betont Gläßl. Von einem Dessert – Blutorangencarpaccio mit geröstetem Sesam, heißem Schokomus und Pfefferkaramell – wird immer noch in höchsten Tönen geschwärmt.

Promi-Andrang zur Festspielzeit

Da Wunsiedel mit seiner Luisenburg-Felsenbühne ja auch Festspielstadt ist, streben regelmäßig viele Prominente ins Wirtshaus im Gut: „Von Juni bis August ist immer unsere fünfte Jahreszeit“, sagt Margit Gläßl. Rainhard Fendrich, der österreichische Schauspieler Karl Walter Diess (leider vor zwei Jahren gestorben), Rüdiger Joswig („Küstenwache“) oder die Schauspielerin Claudia Wenzel („Sturm der Liebe“, „SOKO Wismar“) aßen und tranken hier gern nach der Vorstellung.

Ausgeschenkt vom Fass werden übrigens Hönicka Landbier, Kulmbacher Pils und Mönchhofs Klosterschwarzbier. Zudem gibt es ein beachtliches Weingewölbe mit einigen Lagen, die noch zwei Jahrzehnte warten können.

Was dieses Wirtshaus auch so anziehend macht, ist, dass Roland Gläßl Wildkräuterkoch ist. Hinterm Haus gedeihen Brennnessel, Giersch, Vogelmiere und Sauerampfer. Mit dem Wildkräuter-Papst, Kräuterpädagoge und Sternekoch Jean-Marie Dumaine (61), der das Restaurant Vieux Sinzig in Sinzig bei Bonn hat, ist er befreundet: „Den mag ich. Ein toller Kerl.“

Auszeichnungen, die sich der 1,94-Meter-Mann Gläßl erkocht hat, hängen im Vorraum: zwei Goldmedaillen im Wettbewerb „Bayerische Küche“; in Gastroführern wie Michelin, Gusto oder Gault Millau ist er eh vertreten.

Hier liegt das Wirtshaus:

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