Tradition
Ära Sperger in Thalmassing ist beendet

Spitalgarten in Regensburg statt Dorfwirtshaus: Nach 100 Jahren sperrte das Gasthaus für die breite Öffentlichkeit zu.

16.06.2016 | Stand 16.09.2023, 6:42 Uhr
Michael Jaumann
Um die Miniköche kümmerte sich Anton Sperger in Thalmassing gerne. Das Engagement will er auch in Regensburg fortsetzen. −Foto: Alex Eberl

Hört man Thalmassing, denkt man automatisch Sperger dazu. Seit knapp 100 Jahren ist das Gasthaus im weiten Umkreis ein Begriff. Seit Anton Sperger und seine Frau Cornelia zum Jahresbeginn auchden Regensburger Spitalgarten übernahmen, brachen im Thalmassinger Mutterhaus jedoch postwendend die Umsätze um die Hälfte ein.

Sperger reagierte zunächst mit reduzierten Öffnungszeiten, musste sich aber schließlich den wirtschaftlichen Zwängen beugen, wie der Gastronom im Gespräch mit unserer Zeitung sagte. Ende Mai schloss er den Landgasthof für die breite Öffentlichkeit. Bereits geplante Hochzeiten finden noch statt und jeweils am Freitag ist gemäß einer Absprache mit Bürgermeister Helmut Haase „vorerst“ ein „Gesellschaftsabend“ für Stammtische und Vereine.

Das einzige Wirtshaus im Dorf

Die Unsicherheit unter der Bevölkerung ist groß. Wo sollen Vereine wie die Pfattertal-Schützen hin, die dort ihren Schießstand haben? Wohin geht man nach der Beerdigung? Und wohin, wenn man abends essen und eine Halbe Bier trinken möchte, ohne sich um den Führerschein sorgen zu müssen? „Der Sperger“ war bisher der einzige Gastronomiebetrieb im Hauptort Thalmassing.

Die Zeiten für Wirte am Land werden schlechter. Immer öfter werden Gesellschaftsräume in den Gemeinden gebaut und lösen das Gasthaus als traditionellen Treffpunkt ab. Von einem halben Dutzend Veranstaltungsräumen im Ort, die der Gastronomie Konkurrenz machen, spricht Sperger. Bürgermeister Helmut Haase, dessen Familie selbst ein Gasthaus in Sanding betreibt, kennt das Problem. „Wochentags hat es die Gastronomie am Land schwer.“ Früher seien die jungen Leute zudem, wenn sie etwas unternehmen wollten, zunächst im Wirtshaus zusammengekommen. Heute übernähmen Whatsapp und Facebook die Rolle des Wirtshauses als Treffpunkt. Er selbst könne sich mit seinem Gasthaus bisher nicht beschweren, sagt Haase. Im Gegensatz zum Sperger bietet der „Sandinger“ aber wochentags schon lange nur Brotzeiten an.

Haase hofft, dass Vereine und Stammtische jetzt den beim Sperger angebotenen Gesellschaftstag am Freitag annehmen. Jetzt liege es an den Thalmassingern, die Zukunft des Wirtshauses zu bestimmen, appelliert der Bürgermeister.

Bei den wenigen Vereinen, die den Sperger für Veranstaltungen nutzen, ist der Gesellschaftstag keine rechte Alternative. „Ich brauche einen Saal für Weihnachtsfeiern und größere Veranstaltungen“, sagt etwa OGV-Vorsitzender Ernst Kulzer. Pfarrheim und Sportheim seien keine dauerhaft sicheren Veranstaltungsorte für den OGV. „Ein Wirtshaus gehört wie die Kirche zum Dorf“, findet Kulzer. Dass am Land Wirtshäuser nicht florieren könnten, sei nicht zwangsläufig, sagt er und verweist auf Pfakofen mit seinen Wirtshäusern. „Die Gemeinde muss sich was einfallen lassen“, fordert Kulzer.

„Ein Wirtshaus gehört wie die Kirche zum Dorf.“OGV-Vorsitzender Ernst Kulzer

Eine „blöde Situation“ sei für den Bund Naturschutz eingetreten, berichtet Vorsitzender Walter Nowotny. Der Freitag sei als Beginn des Wochenendes für die Treffen der Ortsgruppe „keine Option“. Nun weicht der BN auf Nachbardörfer aus. Allerdings würden die Mitglieder bei ihren abendlichen Treffen gerne eine volle Mahlzeit einnehmen. Das sei aber dort nicht möglich. Je mehr Veranstaltungsorte in einer Gemeinde entstünden, umso schwieriger werde es für die Gastronomie im Dorf. Aus diesem Grund sei die Gemeinde an der aktuellen Entwicklung „nicht ganz unschuldig“. Beim BN zeigt man sich unschlüssig, wie es weitergeht. Reihum von Wirtshaus zu Wirtshaus pendeln, würden die Mitglieder nicht wollen, so Nowotny.

„Für uns ist der Gesellschaftstag am Freitag keine Option.“BN-Vorsitzender Walter Nowotny

Große Probleme für die Schützen

Hauptbetroffener ist der Schützenverein Pfattertal, der jüngst mit 500 Arbeitsstunden seinen Schießstand im Sperger-Keller mit großem Aufwand umgebaut hat. Die Pfattertaler hätten in den vergangenen zwei Jahren eine phänomenale Aufwärtsentwicklung verzeichnet, betont Vorsitzender Kevin Beck und verweist auf fast 30 Neueintritte, davon 18 Jugendliche. Die angebotene Öffnungszeit am Freitag ab 18.30 Uhr sei für die schießenden Jugendlichen zu spät, sagt Beck. Als Gast bei anderen Vereinen zu schießen, wäre dauerhaft wohl das Ende für Pfattertal. Der Vorsitzende denkt an einen Umzug im Ort, auch wenn er darüber noch nichts sagen will. Seine Bemerkung, er hoffe, „die Übergangszeit beim Sperger im Guten rumzubringen“, lässt aber erkennen, dass er an einem Abschied vom Sperger denkt.

Die Übergangszeit wird sogar noch eine Weile dauern können.Der Gastronom überlegt, während des anstehenden Umbaus im Spitalgarten im heimatlichen Thalmassing eine Produktionsküche einzurichten.Einer Verpachtung steht er anschließend offen gegenüber, will allerdings das Risiko nicht tragen, sagt er. Über eine Verpachtung an die Gemeinde, wie es im nahegelegenen Aufhausen funktioniert, ließe Sperger mit sich reden.

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