Drogen
Regensburg ist ein Hotspot für Heroin

Das Opiat ist offenbar reichlich vorhanden und macht der Polizei mehr Sorge als Crystal. Und es gibt wieder mehr Drogentote.

13.01.2016 | Stand 16.09.2023, 6:54 Uhr
Heinz Klein
Die Regensburger Polizei stellte 2014 2014 nur noch 532 Gramm Heroin sicher. −Foto: Symbolfoto: dpa

Ben Peter kann erzählen, wie es in der Regensburger Drogenszene zugeht. Der Streetworker der Caritas betreut rund 100 Rauschgiftsüchtige, die harte Drogen konsumieren. In dieser harten Szene gibt es rund 300 „User“. Insgesamt schätzt die Polizei die Zahl der Konsumenten illegaler Drogen in der Stadt auf rund 3000 Personen. Bis Oktober 2015 wurden in Regensburg offiziell elf Drogentote gezählt, bis zum Ende des Jahres 2015 dürften es nach Einschätzung von Insidern „11 plus ein großes X – aber unter 20“ gewesen sein. Die offizielle Zahl gibt die Polizei erst im März bekannt.Klar ist aber, dass es einen deutlichen Anstieg gegenüber 2014 gibt. Damals starben elf Drogenabhängige in Regensburg, im Landkreis waren es drei.

Heroin ist eine alte Droge mit riesigem Abhängigkeitspotenzial. Es schaltet für vier, fünf Stunden alle Sorgen und Ängste ab und sorgt für absolute Entspannung. Doch wenn der „Flash“ vorbei ist, sind die Sorgen und Nöte um so größer. Vor allem die Sorge, an den nächsten Stoff zu kommen. Ein Schuss mit 0,2 Gramm kostet in Regensburg ab 20 Euro aufwärts. Harte Konsumenten müssen sich das dreimal am Tag geben, wenn sie keinen Beikonsum mit Medikamenten, Alkohol und anderen Rauschmitteln treiben.

Regensburger „Stoff“ ist eher schlecht

Die Versorgungslage mit Heroin in Regensburg schätzt der Streetworker Ben Peter als gut ein, die Qualität dagegen als eher schlecht. Der Regensburger Stoff sei mit einem Anteil an reinem Heroin von etwa zehn Prozent nicht hochwertig. Gegen Norden hin steigt die Qualität, in Frankfurt vielleicht auf 30 Prozent reines Heroin, in Hannover noch ein bisschen höher. In München und Augsburg, so hört der Streetworker, sei Heroin dagegen eher knapp, in Augsburg gehe es wohl mehr um „Badesalze“ – neuartige, hochpotente psychoaktive synthetische Substanzen. „Ja, man kann schon sagen, dass Regensburg so etwas wie eine Heroinstadt ist“, sagt Ben Peter nach einigem Überlegen.

Die harten Jungs, die Ben Peter betreut, sind zu etwa 80 bis 90 Prozent opiatgeprägt. Es sind die Älteren, im Durchschnitt knapp unter 40 Jahre, die abschalten und mit dem Heroin alle erlittenen Verletzungen und Traumata vergessen wollen. Die Partydroge Crystal sei dagegen eher der Stoff für die Jungen: Durchstarten statt abschalten ist da die Devise. Das Zeug macht für Stunden allmächtig. Am Ende aber macht es machtlos.

„Das Leben mit Drogen ist ein ständiger Kampf und auch alte Kämpfer werden irgendwann müde“Dr. Willi Unglaub

Der Oberarzt Dr. Willi Unglaub betreut als Leiter der Suchtambulanz am Bezirksklinikum Regensburg rund 400 Drogenkonsumenten im Jahr. Etwa ein Viertel der Patienten, die zu ihm in die Substitutionsambulanz kommen, sind Konsumenten von Crystal und anderer Metamphetamine. „Es ist noch eine kleine Gruppe, aber sie wird wachsen“, sagt der Leitende Oberarzt und Vorsitzende von DrugStop. In diesem Bereich gebe es auch die meisten Neueinsteiger, beim Heroin nehme die Zahl der Neueinsteiger dagegen eher ab. Natürlich verbleibt aber die Gruppe der bereits bestehenden langjährigen Heroinabhängigen. Ein guter Teil von ihnen wird mit der Ersatzdroge Methadon substituiert und kann – gut eingestellt – damit auch lange leben. Doch dabei bleibt es bei vielen Abhängigen nicht. Ein Teil von ihnen konsumiert nach Möglichkeit weitere Rauschmittel: Alkohol, Medikamente, wenn verfügbar auch Heroin. „Die, die ihren Drogenkonsum schlecht in den Griff bekommen und dabei in einen chaotischen Konsum geraten, die erwischt es dann“, sagt Dr. Unglaub. Auch einige von Unglaubs langjährigen Patienten sind im vergangenen Jahr verstorben. Bisweilen erliegen sie auch schweren chronischen Krankheiten, mit den der drogengeschwächte Körper nicht mehr klar kommt. „Das Leben mit Drogen ist ein ständiger Kampf und auch alte Kämpfer werden irgendwann müde“, weiß der Oberarzt.

Heroin macht der Polizei sehr große Sorgen

Unglaub warnt zudem vor dem steigenden Mischkonsum von Rauschmitteln. Auch das Medikament Lyrika mit dem Wirkstoff Pregabalin sei da mit von der Partie und werde von vielen Ärzten immer noch unkritisch verschrieben. Und unter der harmlosen Bezeichnung „Badesalze“ machten neuartige Rauschmittel die Runde, die zu wahnhaften Vorstellungen führen:Die Leute sind mit voller Power neben der Spur“, hatte Dr. Unglaub bereits im Herbst gewarnt.

Heroin ist auch für die Polizei der Stoff, der ihr „sehr große Sorgen macht“, bestätigt Albert Brück, Sprecher des Regensburger Polizeipräsidiums. Das Problem sei drängender als bei der beliebten Modedroge Crystal. Das hatte unlängst auch der Polizeipräsident im Presseclub bestätigt. Die Hauptdroge in Regensburg sei Heroin.„Wir haben noch ein großes Dunkelfeld“, gestand Gerold Mahlmeister. Aber einen Regensburger Drogenboss kenne er nicht.

So ging die Sicherstellung von Heroin in den letzten Jahren stetig zurück. Nach dem sagenhaften Rekord von 152 Kilogramm Heroin, das im Jahr 2011 in Regensburg beschlagnamt wurde,waren es 2012 noch 6,4 Kilogramm, 2013 ganze 1,1 Kilogramm und 2014 nur noch 532 Gramm: Eine sehr magere Beute, die man den Drogenbeschaffern abjagen konnte - zumal dann, wenn es stimmt, dass viel Heroin in der Stadt ist.

Auch die hohe Zahl von Ladendiebstählen und Autoaufbrüchen wirft ein Licht auf den Drogenkonsum und erklärt sich zum Teil durch Beschaffungskriminalität. Auch wenn bei diesen Eigentumsdelikten nur etwa 15 Prozent der Täter oder Tatverdächtigen gefasst werden, sticht doch ins Auge, dass 25 bis über 50 Prozent dieser Ladendiebe und Autoknacker der Polizei auch wegen Betäubungsmittelkriminalität bekannt sind.

Das traurige Problem setzte sich übrigens fort.Auch in diesem Jahr gab es bereits einen Rauschgifttoten in Regensburg.

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