Landwirtschaft
Wenn im Kuhstall Not am Mann ist

Die angehende Dorfhelferin Rosi Singer springt auf dem Hof von Familie Schmid in Schwandorf für die kranke Bäuerin ein.

27.04.2016 | Stand 16.09.2023, 6:51 Uhr
Die Kälber freuen sich, wenn Rosi Singer zur Fütterung in den Stall kommt. Auf dem Hof von Familie Schmid aus Gögglbach gibt es für die angehende Dorfhelferin viel zu tun. −Foto: Lorenz

Es war ein großer Schreck für Familie Schmid aus dem Schwandorfer Ortsteil Gögglbach: Als Mutter Brigitte (43) vor kurzem wegen einer schweren Verletzung am Auge ins Krankenhaus musste, stand Vater Hans (53) mit den beiden Kindern und dem Bauernhof plötzlich alleine da. Wie sollte er ohne seine Frau den Berg von Arbeit nur schaffen? Der Maschinenring Schwandorf sorgte schnell und unkompliziert für Abhilfe und schickte die angehende Dorfhelferin Rosi Singer (20) auf den Hof der Schmids. Fachkräfte wie sie werden händeringend gesucht – auch im Landkreis Schwandorf.

Denn Familie Schmid ist kein Einzelfall. Was tun, wenn auf einem landwirtschaftlichen Betrieb eine wichtige Arbeitskraft wegen einer Krankheit plötzlich und vielleicht sogar für längere Zeit ausfällt? DerMaschinen- und BetriebshilferingSchwandorf ist für die Betroffenen in solchen Zeiten ein wichtiger Ansprechpartner. Die Mitarbeiter dort können auf einen Pool von haupt- und nebenberuflichen Betriebshelfern zurückgreifen und sie auf Höfe in der Region vermitteln, auf denen Not am Mann ist (siehe Interview).

Mehr junge Frauen motivieren

Auch Dorfhelferinnen wie Rosi Singer gehören zu den heiß begehrten Kräften, die in bäuerlichen Familien immer dann besonders wichtig werden, wenn es gilt, eine arbeitsunfähige Betriebsleiterin und ihre Familie zu unterstützen. Im Landkreis Schwandorf gibt es derzeit nur eine hauptamtliche Dorfhelferin.Christian Weiß, Geschäftsstellenleiter des Maschinenrings,wünscht sich sehr, dass mehr junge Frauen diesen Beruf ergreifen.

So wie Rosi Singer das getan hat: Die 20-Jährige ist in Bad Tölz mit vier Geschwistern auf dem elterlichen Bauernhof aufgewachsen. Nach dem Schulabschluss machte sie eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin und beschloss danach, eine Fortbildung zur staatlich geprüften Dorfhelferin zu absolvieren. „Ich wusste schon in der achten Klasse, dass ich später einmal in die Landwirtschaft will. Außerdem koche und backe ich sehr gern und liebe Kinder“, sagt Singer. Da sei der Beruf der Dorfhelferin die optimale Lösung.

Viel über Ackerbau lernen

Nun hat Singer die zweijährige Fortbildung an der Abteilung Hauswirtschaft der Landwirtschaftsschule Pfaffenhofen und an der Katholischen Fachschule für Dorfhelferinnen und Dorfhelfer in Neuburg an der Donau fast abgeschlossen und befindet sich in einer Praktikumsphase. Warum sie sich dafür ausgerechnet die Oberpfalz als Einsatzgebiet ausgesucht hat, hat einen guten Grund: Sie will möglichst viel über Ackerbau lernen. Daheim in Bad Tölz hätten die Bauern damit nur wenig zu tun, sagt sie. In der Oberpfalz dagegen sei die Arbeit der Landwirte deutlich vielfältiger.

Überhaupt ist es der jungen Frau aus dem bayerischen Oberland sehr wichtig, neue Erfahrungen zu sammeln. Auf dem elterlichen Hof hatte sie es mit 25 Milchkühen zu tun, auf dem Anwesen der Schmids leben darüber hinaus auch noch Mastbullen. Über die richtige Fütterung dieser Tiere hat Singer in den letzten drei Wochen viel gelernt. Außerdem füttert sie die elf Kälber, sorgt in der Milchkammer für Ordnung, kümmert sich um die Hühner, kocht für die Familie das Mittagessen, arbeitet im Garten mit und erledigt auch sonst vielerlei Aufgaben, die auf dem Hof gerade so anfallen. Dabei sieht sich die angehende Dorfhelferin nicht nur als reine Arbeitskraft, sondern auch als Schülerin. „Ich bekomme hier viele Tipps, was ich noch besser machen kann – das ist super“, sagt sie.

Verletzung unbesorgt auskurieren

Acht Stunden pro Werktag steht sie Familie Schmid derzeit pro Tag zur Seite. So kann Mutter Brigitte unbesorgt ihre Verletzung auskurieren, die sie sich bei der Stallarbeit zugezogen hat: Beim Reinigen der Milchtanks spritzten ihr ein paar Tropfen des ätzenden Reinigungsmittels ins Auge. Heftige Schmerzen zwangen sie dazu, sich ärztlich behandeln zu lassen. Bis heute sieht sie auf dem Auge verschwommen, muss regelmäßig zum Arzt und soll die Luft im Stall mit ihren vielen kleinen Schmutzpartikeln meiden, weil das ihr Auge zu sehr reizen würde.

Bis sie wieder fit ist, wird Singer der Familie zur Seite stehen. „Das klappt super. Sie arbeitet sehr selbstständig, ist sehr hilfsbereit und schaut auch beim Arbeiten nicht auf die Uhr – das rechne ich ihr sehr hoch an“, sagt Hans Schmid. Auch Singers anfänglichen Verdacht, den sie halb im Spaß, halb im Ernst, einmal unvorsichtig äußerte, hat er ihr längst verziehen. Kein Wunder, denn davon ist sie schon längst abgerückt, wie sie lächelnd zugibt: „Ich dachte früher immer, die Oberpfalz ist bei manchen Sachen hintendran. Aber jetzt bin ich davon überzeugt, dass es nicht so ist.“