Bewegung
Experten für den eigenen Körper werden

Yogalehrerin Katharina Stern spricht über die Bowspring-Methode, prominente Identifikationsfiguren und was „yogisch“ ist.

13.01.2017 | Stand 16.09.2023, 6:28 Uhr
Heike Sigel

Katharina Stern ist Yoga-Lehrerin unterrichtet als eine der Ersten in Deutschland die sogenannte „Bowspring Methode“. Fotos: AxelHebenstreit/privat

Katharina Stern ist Inhaberin der zwei Tarayoga Studios und des veganen Taracafés in Regensburg. Bereits während ihres Studiums der Germanistik und Romanistik absolvierte sie eine Yogalehrerausbildung und begann, Yogakurse zu geben. Im Laufe der Jahre bildete sie sich in verschiedenen Yogastilen fort und unterrichtet nun als eine der ersten Lehrerinnen in Deutschland die sogenannte „Bowspring Methode“.

Was bedeutet Yoga für Dich persönlich?

Yoga ist für mich eine Methode, durch die man in allen Aspekten des Lebens mehr Bewusstsein entwickeln kann. Die physische Yogapraxis hilft uns, unseren eigenen Körper besser kennenzulernen. Wir erforschen uns selbst. Was tut mir gut, was nicht? Welche Gewohnheiten sollte ich kultivieren, welche lieber verändern? Wir werden feinfühliger. Dadurch verändern sich auch andere Lebensbereiche. Was und wie viel möchte ich konsumieren, wo möchte ich mich aufhalten, mit wem meine Zeit verbringen? Ganz wichtig ist für mich auch die Frage: Was möchte ich in diese Welt hinaustragen? Die Antwort auf diese Fragen kann nur aus uns selbst kommen, indem wir in uns hineinspüren. Unser Körper ist das Instrument, mit dem wir mit der Welt interagieren. Deswegen macht es Sinn, auch auf der körperlichen Ebene zu arbeiten um unsere Beziehung zur Welt um uns herum zu verbessern.

Inzwischen ist um Yoga ein regelrechter Hype entstanden. Jeder (auch immer mehr Männer), der etwas auf sich hält, geht zum Yoga. Manche Lehrer wie Patrick Broome oder Barbara Noh genießen fast schon Promistatus und veröffentlichen Bücher und DVDs. Stellst Du diesen Trend auch in Deinen Studios fest – und wie bewertest Du diese Entwicklung?

Yoga ist ganz klar zum Trend geworden. In meinen Studios merke ich das vor allem daran, dass die unterschiedlichsten Leute zu uns kommen, Yoga ist überall bekannt. Fast jeder scheint zumindest eine ungefähre Vorstellung davon zu haben, was Yoga ist. Ich finde es wunderbar, dass Yoga den meisten Menschen ein Begriff ist und dieser Begriff zumeist auch positiv konotiert ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand zum Yoga findet, wenn er eine solche Methode braucht, ist relativ groß. Aber natürlich besteht auch in diesem Bereich die Gefahr, dass der Hype auch negative Auswirkungen hat. Auch in der Yogawelt glauben noch viele an unbegrenztes Wachstum. Wenn man sich die Yogaszene in den USA ansieht, die der deutschen mindestens zehn Jahre voraus ist, erkennt man, wohin das führen kann. Yoga wird zum Konsumprodukt, zu einem milliardenschweren Markt. Dann passiert das Gleiche wie in anderen Branchen auch: Lokale Yogastudios, die einen sehr persönlichen Kontakt zu den Teilnehmern pflegen, werden zunehmend von Studioketten mit Filialen im ganzen Land verdrängt. In anderen Branchen haben wir bereits gesehen, dass das nicht unbedingt wünschenswert ist. Am Ende sind wir als Kunden oder Teilnehmer wieder selbst gefordert, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das ist dann doch wieder sehr yogisch! Was den Prominentenstatus einiger Yogalehrer angeht, denke ich, dass wir da eine menschliche Tendenz beobachten können, nämlich den Wunsch nach Identifikationsfiguren, nach Gurus, die einem die eigene Arbeit abnehmen und uns Antworten liefern. Wirklich gute Lehrer wie zum Beispiel Barbara Noh und Patrick Broome weisen aber immer wieder darauf hin, dass sie das nicht können. Der Lehrer ist so etwas wie ein Wegweiser – den Weg gehen müssen wir schon selbst. Aber es ist sehr hilfreich, sich immer wieder Inspiration von diesen erfahrenen Yogis zu holen und wir haben großes Glück, dass wir heute durch die modernen Medien am Wissen und der Erfahrung von Lehrern auf der ganzen Welt teilhaben können.

Im Zuge dieses Trends schießen Angebote für eine Ausbildung zum Yogalehrer wie Pilze aus dem Boden. Was macht für Dich einen guten Yogalehrer aus? Auf welche Kriterien sollten gerade Anfänger achten, die auf der Suche nach einem guten Lehrer sind?

Yogalehrer ist keine geschützte Berufsbezeichnung – ein Gütesiegel, auf das man sich in jedem Fall verlassen kann, gibt es nicht. Ein guter Yogalehrer unterrichtet das, was er selbst praktiziert, gibt also seine eigene Erfahrung weiter. Gleichzeitig erkennt er an, dass seine eigene Erfahrung nicht unbedingt universell ist und schafft deshalb einen Raum, in dem die Yogaübenden ihre eigenen Erfahrungen machen können. Als Anfänger steht man erst einmal hilflos vor den vielen verschieden Namen der Stile und Abkürzungen der Yogaverbände. Daher bleibt einem eigentlich nichts anderes übrig, als es einfach auszuprobieren – eben eigene Erfahrungen zu machen. Die persönliche Sympathie spielt ja auch eine große Rolle. Ich habe noch nie einen Yogalehrer getroffen, der seinen Schülern schaden wollte. Alle Lehrer, die ich persönlich kenne, unterrichten nach bestem Wissen und Gewissen. Aber wir alle machen auch Fehler und wir lernen auch dazu. Deswegen ist es immer wichtig, dass auch Anfänger auf ihre innere Stimme hören und ihre eigenen Grenzen respektieren.

Du selbst bietest seit etwa einem Jahr Bowspring-Yoga an. Was versteht man darunter? Was unterscheidet es von anderen Stilen? Wer hat es entwickelt? Was bringt es den Schülern?

Bowspring ist eine sehr interessante neue Entwicklung von Desi Springer und John Friend. John ist einer der einflussreichsten Yogalehrer unserer Zeit und ist vielen Yogainteressierten als Gründer von Anusara Yoga bekannt. Das Besondere an der Bowspring-Methode ist, dass sie wirklich den modernen westlichen Menschen und seine Bedürfnisse im Blick hat. Die meisten von uns verbringen sehr viel Zeit im Sitzen, haben ein hohes Stresslevel und müssen eine riesige Informationsflut verarbeiten. Unsere technischen Errungenschaften führen dazu, dass wir uns nicht mehr natürlich bewegen und eine ungesunde, krumme Haltung bekommen: Die natürliche Doppel-S-Kurve der Wirbelsäule geht verloren, das Becken kippt nach hinten, die Schultern nach vorne und es entstehen ganz ungünstige Belastungen zum Beispiel in den Bandscheiben. Diese unguten Haltungsgewohnheiten führen nicht nur zu Verspannungen und Schmerzen, sondern haben auch einen negativen Einfluss auf unsere Stimmung, unser Selbstwertgefühl und unser Wohlbefinden. Das wissen wir natürlich schon länger. Jedoch haben wir lange versucht, dem Schreibtisch-Buckel eine militärisch aufrechte, steife Haltung entgegenzusetzen. Dem mechanistischen Weltbild entsprechend stellten wir uns vor, dass es genügt, schnurgerade Knochen möglichst genau übereinanderzustapeln, um eine gute aufrechte Haltung zu erlangen. Doch heute weiß man, dass diese Vorstellung nicht richtig ist. Weder sind unsere Knochen schnurgerade, noch lassen sie sich wie Bauklötze stapeln. Die Faszienforschung hat gezeigt, dass unser Körper seine Stabilität durch ein ausgeglichenes Verhältnis von Zug- und Druckkräften erhält. Lange Faszien-Muskel-Ketten stehen unter Spannung, die Knochen wirken dagegen wie Abstandshalter, die sich aber fast nie direkt berühren. In der Bowspring-Praxis setzen wir dieses neue Wissen um und plötzlich sieht die Yogapraxis ganz anders aus! Bowspring ist sehr bewegt, wir federn, springen lautlos und schwingen. Es gibt keine statischen Haltungen mehr, wir pulsieren in jeder Übung. Dabei achten wir darauf, die natürlichen Kurven der Wirbelsäule zu erhalten, so kommt es nicht zu Fehlbelastungen der Bandscheiben. Wir kultivieren so eine natürliche Aufrichtung, die von Leichtigkeit und Dynamik geprägt ist. Die Bewegungen haben eher eine animalische Eleganz als eine geradlinige Ästhetik. Außerdem entwickeln wir ein ganz neues Körperbewusstsein. Die Prinzipien der Bowspring-Praxis sind nicht nur zur Anwendung auf der Yogamatte gedacht. Man kann sie in alle alltäglichen Bewegungen integrieren und das finde ich noch viel wichtiger als das, was in der relativ kurzen Zeit passiert, die man auf der Matte verbringt.

Wo wird es in Deutschland angeboten?

Offiziell gibt es bisher nur vier Bowspring-Lehrer in Deutschland, drei davon in Berlin und mich in Regensburg. Darüber hinaus gibt es aber einige Lehrer, die von Bowspring begeistert sind und diese Methode in ihre Praxis und dann auch in ihren Unterricht integrieren.

Was hältst Du Kritikern entgegen, die finden, dass Yoga zum reinen Fitnesstrend „verkommt“? Ist Yoga mehr, als „nur“ Körperertüchtigung?

Ich halte diese Kritik für unbegründet. Wie eingangs schon erwähnt, ist meiner Meinung nach die Körperarbeit ganz wesentlich für die Entwicklung unseres Bewusstseins. Die Vorstellung, dass Körperertüchtigung etwas Schlechtes oder Banales sein soll, ist eher Ausdruck einer sehr tiefsitzenden Körperfeindlichkeit, die (nicht nur) in unserer Kultur weit verbreitet ist und uns schon viele Probleme gemacht hat. Wie gesagt, der Körper ist ein Instrument – je feiner es gestimmt ist, desto besser können wir unser Leben gestalten. Die physische Yoga-Praxis ist eine Methode, um dieses Instrument zu stimmen.

Zum Schluss: Kann man Yoga als Anfänger auch aus Büchern lernen? Was für einen Rat kannst Du Yogis – egal ob Anfänger oder Fortgeschrittenem – mit auf den Weg geben?

Ich habe selbst am Anfang mit Hilfe von Büchern geübt, weil es auf dem Land, wo ich aufgewachsen bin, keine Yogakurse gab. Wichtig ist, die Praxis tatsächlich zu machen. Also mit einem Buch üben ist viel besser als gar nicht üben. Viele Menschen haben Angst, etwas falsch zu machen, dabei ist der Mangel an Bewegung ein viel größeres Problem als falsche Bewegung. Natürlich kann man sich auch beim Yoga verletzen. Aber wenn man nicht leistungsorientiert übt, sondern die Praxis eher als ein Experimentieren versteht, wenn man genau hinspürt und seine eigenen Grenzen auch respektiert, ist das Risiko sehr gering. Wie gesagt, es geht darum, eigene Erfahrungen zu machen. Wir brauchen niemanden, der uns die Erlaubnis gibt, unseren eigenen Körper zu erforschen. Wir müssen selbst die Experten werden! Wir Yogalehrer sind auch auf diesem Weg und können den ein oder anderen Denkanstoß geben. Am meisten lernen wir alle vom Austausch.

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.

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